McCavity
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AW: Der Fall "Sarrazin" im Radio
Jedes Zusammenleben geschieht nach Regeln. Das läßt sich in der Botanik beobachten, unterschiedliche Strategien (zum Beispiel "hochwachsen" oder "an hohem Gewächs klettern") konkurrieren miteinander mehr oder weniger erfolgreich um die zur Verfügung stehenden Ressourcen. Die Verhaltenskunde bei Tieren fördert ebenfalls interessante Strategien zutage. Und dann gibt es noch den Menschen, der sich ja gerne als "Krone der Schöpfung" bezeichnet. Er ist der Meinung, als einziger "Verstand" und "Vernunft" ausgebildet zu haben und beansprucht daher eine Sonderstellung auf seinem Planeten (was dem Tiger, der mal an dem einen oder anderen Hintern kaut, übrigens herzlich egal sein dürfte). Was wir dabei gerne vergessen, ist, daß das, worüber wir uns so gerne erhaben dünken, ein integraler Bestandteil unserer Person ist. Instinkte, bis hinunter in das noch aus der Reptilienzeit stammende Stammhirn bestimmen unser Verhalten ebenso, wie die Vernunft.
Aber wo wir gerade dabei sind: was ist denn überhaupt die "Vernunft", der wir uns so rühmen? Wo kommt sie her? Ist sie allen gegeben, muß sie erlernt werden, vielleicht gar immer wieder geübt, damit sie nicht verblaßt? Ich will hier wirklich nicht in die Philosophie oder gar Psychologie abdriften, das steht mir gar nicht zu. Aber daß sich in verschiedenen Gegenden der Welt verschiedene Arten der Vernunft, speziell im Sinne der Ansichten und Regeln des Zusammenlebens ausgebildet haben, sollte jedem einsichtig sein, ebenso wie die Tatsache, daß die Tatsachen und Regeln, wie die Bedürfnisse der Menschen, sich vielleicht in Bereichen decken, in anderen aber u.U. völlig inkompatibel sind.
Das, was wir hier in Deutschland als Grundgesetz haben, ist eine großartige Errungenschaft - allein, sie gilt leider nur innerhalb der Grenzen der Bundesrepublik Deutschland - ein ziemlich kleiner Fleck auf der großen Landkarte. Zwar stützt sie sich auf Übereinkünfte, die international festgelegt wurden, aber diese Übereinkunft selbst zu einem Minimum weltweit umzusetzen ist ein Vorgang, der immer noch andauert. Um es anders auszudrücken: das, was wir hier als unveräußerliche Menschenrechte hoch achten, wird anderswo noch immer mit Füßen getreten. Gäbe es jetzt nicht die Möglichkeit, innerhalb kürzester Zeit von jedem Punkt der Erde jeden anderen zu erreichen wäre das ja nur lokal tragisch - aber so bewegen sich Menschen mit unterschiedlichsten Ansichten, was denn recht ist und was nicht, durch die Welt, prallen auf einander oder finden Gleichgesinnte oder was auch immer.
Und wo steht geschrieben, daß das, was wir (ich auch!) als Recht bezeichnen, wirklich Recht ist? Irgendwelche Leute haben das irgendwann mal festgelegt - ja und? Was geht's mich an? Ich wurde nicht gefragt... da "jeder" das denken kann, kommt es wieder zu der schon oben erwähnten Hybris des Gedankens "Ich bin besser als Du". Und wer da kein Konfliktpotential sieht, ist entweder grenzenlos blauäugig oder gleich ganz blind.
Lösen läßt sich sich das nicht. Nicht von heute auf morgen, nicht einfach. Schon Friedrich Schiller verzweifelte in seinen Briefen "Über die ästhetische Erziehung des Menschen am - in seinen Augen - Scheitern der französischen Revolution, da sie den Menschen nicht die erhoffte, ja ersehnte Humanität brachte sondern im Terror der Jakobiner mündete. Und ehrlich gesagt, viel weiter sind wir seit dem auch nicht gekommen. Solange nicht allen und ich meine wortwörtlich "allen" Menschen eine umfassende Bildung ermöglicht wird, die es diesen wiederum ihrerseits ermöglicht, Zusammenhänge wie die hier diskutierten zu erkennen und konstruktiv an Lösungen zu arbeiten, die für eine möglichst große Zahl Menschen Allgemeingültigkeit erlangen können - solange werden wir immer "Andersedenkende" haben und zwar so "anders", daß es in unseren Augen radikal aussieht. Übrigens, in deren Augen sind wir es, die "radikal anders" sind, um es nochmal in Erinnerung zu rufen.
Das soll jetzt bitte nicht als Generalabsolution für Terrorakte jedweder Couleur mißverstanden werden, aber "Ich habe recht und Du nicht" oder der berühmte "Meinungsaustausch" (Du kommst mit Deiner Meinung und gehst mit meiner) helfen uns da nicht weiter. Offene Augen, Offenheit für das andere, Toleranz, Diskussionsbereitschaft, Wille zum Lernen und ja, sogar die Möglichkeit eigenes erreichtes ggf. in Frage zu stellen und im Sinne eines "besseren" Konsens zu überarbeiten, das sind die Fähigkeiten, die gefragt sind, wenn wir diese Sorte Konflikt jemals dauerhaft überwinden wollen. Wenn uns das gelingt, dann mag es in der Tat möglich werden, aus der Vernunft heraus Regeln zu entwickeln, die für das vernunftbegabte Wesen Mensch ein friedliches Zusammenleben ermöglichen.
LG
McCavity
Jedes Zusammenleben geschieht nach Regeln. Das läßt sich in der Botanik beobachten, unterschiedliche Strategien (zum Beispiel "hochwachsen" oder "an hohem Gewächs klettern") konkurrieren miteinander mehr oder weniger erfolgreich um die zur Verfügung stehenden Ressourcen. Die Verhaltenskunde bei Tieren fördert ebenfalls interessante Strategien zutage. Und dann gibt es noch den Menschen, der sich ja gerne als "Krone der Schöpfung" bezeichnet. Er ist der Meinung, als einziger "Verstand" und "Vernunft" ausgebildet zu haben und beansprucht daher eine Sonderstellung auf seinem Planeten (was dem Tiger, der mal an dem einen oder anderen Hintern kaut, übrigens herzlich egal sein dürfte). Was wir dabei gerne vergessen, ist, daß das, worüber wir uns so gerne erhaben dünken, ein integraler Bestandteil unserer Person ist. Instinkte, bis hinunter in das noch aus der Reptilienzeit stammende Stammhirn bestimmen unser Verhalten ebenso, wie die Vernunft.
Aber wo wir gerade dabei sind: was ist denn überhaupt die "Vernunft", der wir uns so rühmen? Wo kommt sie her? Ist sie allen gegeben, muß sie erlernt werden, vielleicht gar immer wieder geübt, damit sie nicht verblaßt? Ich will hier wirklich nicht in die Philosophie oder gar Psychologie abdriften, das steht mir gar nicht zu. Aber daß sich in verschiedenen Gegenden der Welt verschiedene Arten der Vernunft, speziell im Sinne der Ansichten und Regeln des Zusammenlebens ausgebildet haben, sollte jedem einsichtig sein, ebenso wie die Tatsache, daß die Tatsachen und Regeln, wie die Bedürfnisse der Menschen, sich vielleicht in Bereichen decken, in anderen aber u.U. völlig inkompatibel sind.
Das, was wir hier in Deutschland als Grundgesetz haben, ist eine großartige Errungenschaft - allein, sie gilt leider nur innerhalb der Grenzen der Bundesrepublik Deutschland - ein ziemlich kleiner Fleck auf der großen Landkarte. Zwar stützt sie sich auf Übereinkünfte, die international festgelegt wurden, aber diese Übereinkunft selbst zu einem Minimum weltweit umzusetzen ist ein Vorgang, der immer noch andauert. Um es anders auszudrücken: das, was wir hier als unveräußerliche Menschenrechte hoch achten, wird anderswo noch immer mit Füßen getreten. Gäbe es jetzt nicht die Möglichkeit, innerhalb kürzester Zeit von jedem Punkt der Erde jeden anderen zu erreichen wäre das ja nur lokal tragisch - aber so bewegen sich Menschen mit unterschiedlichsten Ansichten, was denn recht ist und was nicht, durch die Welt, prallen auf einander oder finden Gleichgesinnte oder was auch immer.
Und wo steht geschrieben, daß das, was wir (ich auch!) als Recht bezeichnen, wirklich Recht ist? Irgendwelche Leute haben das irgendwann mal festgelegt - ja und? Was geht's mich an? Ich wurde nicht gefragt... da "jeder" das denken kann, kommt es wieder zu der schon oben erwähnten Hybris des Gedankens "Ich bin besser als Du". Und wer da kein Konfliktpotential sieht, ist entweder grenzenlos blauäugig oder gleich ganz blind.
Lösen läßt sich sich das nicht. Nicht von heute auf morgen, nicht einfach. Schon Friedrich Schiller verzweifelte in seinen Briefen "Über die ästhetische Erziehung des Menschen am - in seinen Augen - Scheitern der französischen Revolution, da sie den Menschen nicht die erhoffte, ja ersehnte Humanität brachte sondern im Terror der Jakobiner mündete. Und ehrlich gesagt, viel weiter sind wir seit dem auch nicht gekommen. Solange nicht allen und ich meine wortwörtlich "allen" Menschen eine umfassende Bildung ermöglicht wird, die es diesen wiederum ihrerseits ermöglicht, Zusammenhänge wie die hier diskutierten zu erkennen und konstruktiv an Lösungen zu arbeiten, die für eine möglichst große Zahl Menschen Allgemeingültigkeit erlangen können - solange werden wir immer "Andersedenkende" haben und zwar so "anders", daß es in unseren Augen radikal aussieht. Übrigens, in deren Augen sind wir es, die "radikal anders" sind, um es nochmal in Erinnerung zu rufen.
Das soll jetzt bitte nicht als Generalabsolution für Terrorakte jedweder Couleur mißverstanden werden, aber "Ich habe recht und Du nicht" oder der berühmte "Meinungsaustausch" (Du kommst mit Deiner Meinung und gehst mit meiner) helfen uns da nicht weiter. Offene Augen, Offenheit für das andere, Toleranz, Diskussionsbereitschaft, Wille zum Lernen und ja, sogar die Möglichkeit eigenes erreichtes ggf. in Frage zu stellen und im Sinne eines "besseren" Konsens zu überarbeiten, das sind die Fähigkeiten, die gefragt sind, wenn wir diese Sorte Konflikt jemals dauerhaft überwinden wollen. Wenn uns das gelingt, dann mag es in der Tat möglich werden, aus der Vernunft heraus Regeln zu entwickeln, die für das vernunftbegabte Wesen Mensch ein friedliches Zusammenleben ermöglichen.
LG
McCavity