AW: Bitter Lemmer: Werbedämmerung
Die Crux ist doch, daß es eine Riesensumme Geld verschlingt, einen Sender zu Betreiben. Von der Technik über die Lizenzen bis hin zu den Menschen, die das Programm gestalten, muß alles irgendwie bezahlt werden. Und wie in unserer Wirtschaft üblich, muß man dieses Geld ja auch irgendwie wieder herein bekommen. Der Bäcker, der morgens um halb drei aufateht, damit er um sechs sein Geschäft öffnen kann, auf daß wir unsere Brötchen frisch knusprig zum Frühstück kaufen können, hat seine Einnahmen direkt durch seine Produkte. Wo soll ein Radiosender Geld herbekommen? Mir fallen da auf Anhieb auch nur die beiden schon genannten Modelle, Gebühren und Werbung ein, wobei sich die Privaten eben *nicht* auf ein dickes Gebührenpolster stützen können.
Da so ein Privatsender ja kaum zum Selbstzweck gegründet wurde, sondern auch noch *Gewinn* abwerfen soll, wird der Zwang zum Geldbeschaffen deutlich und klar, warum man bei sinkenden Einnahmen ganz schnell feuchte Augen bekommt. Schließlich ist es ein bißchen wie beim Fußball: spielt die Mannschaft schlecht, feuert man den Trainer... machmal auch die Spieler. Spätestens dann, wenn der Gewinn im Vordergrund steht, öffnet das dem aalglatt geschliffen "Dudelfunk" Tür und Tor: es geht nur noch darum, Hörer möglichst lange im Programm zu halten, den Sender möglichst bekannt zu machen, um in der nächsten MA möglichst gut dazustehen - denn diese ist ja quasi die Grundlage, auf der man Werbepreise aushandeln kann...
Die öffentlich-rechtlichen hingegen stehen oft in der Kritik, weil man ihnen vorwirft, einen zu großen Verwaltungsapparat durchzufüttern. Als Außenstehender kann ich nicht wirklich beurteilen, wieviele Mitarbeiter man braucht, um einen (oder mehrere) Sender zu betreiben - aber was ich hier im Forum und in der Presse lese, läßt mich vermuten, daß die ÖR-Sender schon ein bißchen was von "Behörde" haben - inklusive "Pöstchen", Kungelei, Vetternwirtschaft und Seilschaften. Nicht selbst verdientes Geld verführt nunmal dazu, es großzügiger auszugeben, als den ersten selbstverdienten Kreuzer.
Nimmt man da jetzt noch hinzu, daß wir, was die Radiolandschaft angeht, immer noch eine regelrechte "Kleinstaaterei" in Deutschland haben, die den Wettbewerb zusätzlich verzerrt (Stichwort: Landesmedienanstalten), brauchen wir uns über das, was wir sehen, eigentlich gar nicht mehr zu wundern: es gibt nur die beiden Pole "Gewinnmaximierung" oder "öffentlich-rechtlicher Auftrag" - dazwischen bleibt nicht viel. "Man sollte nie vergessen, dass die Gesellschaft lieber unterhalten als unterrichtet werden sein will." Dieses Zitat von Adolf Freiherr Knigge im Hinterkopf habend wird klar, warum sich letztlich auch die ÖR-Sender dem Hörer anbiedern.
So weh das auch tun mag - ich sehe die derzeitige Situation als Resultat der Umstände. Eine Änderung halte ich für recht schwierig, da ich denke, daß dafür tiefgreifende Reformen unserer Radiolandschaft notwendig würden - es gleicht so ein bißchen dem Versuch, einen Supertanker auf 100m aufstoppen zu wollen...
LG
McCavity