AW: Was ist besser - deutsches oder amerikanisches Rundfunksystem?
Schönes Thema und interessante Diskussion! Nun möchte ich auch meinen Senf dazugeben.
Nochmal kurz zurück zum Anfang:
Es gibt zwar große Konzerne, die aber nicht so dominierend sind und über einen solch großen Anteil am Radiomarkt verfügen, wie in Deutschland
Auf
http://www.radioandrecords.com/RRRatings/DefaultSearch.aspx?ShowAll=yes gibt's die Einschaltquoten amerikanischer Radiomärkte. Dort werden nicht sämtliche Stationen aufgelistet, aber es wird doch deutlich, dass die vorderen Plätze von den immer gleichen Eigentümergruppen belegt werden: Clear Channel, Univision, SBS, CBS und ABC - OK, zugegebenermaßen mehr Konzerne als hierzulande.
In den USA gibt es keine landesweiten (also Bundesstaat-weiten) Sender wie hierzulande, sondern nur Lokal- und Regionalsender.
Dafür gibt es aber etliche Networks, die die Lokalsender mit Programmelementen oder vollständigen Sendungen versorgen. Die Sender sind alle regional, die Sendungen hingegen häufig nicht. Schon der berühmte
William Kennard, Chairman der FCC, sagte bereits Ende der 90er: "The fundamental economic structure of the radio industry is changing from one of independently owned operators to something akin to a chain store… I don't think anybody anticipated that the pace would be so fast and so dramatic."
Natürlich liefe ein solches Konzept auf Low-Budget-Produktionen und Syndications heraus. Aber ich glaube auch, dass nicht jeder kleine Sender, dessen USP nicht unbedingt regionale Berichterstattung ist, eine eigene, große Redaktion braucht.
Der Informationsgehalt ist bei den meisten deutschen Kommerzradios wohl zu vernachlässigen. Gerade das, was als regionale Berichterstattung verkauft wird, ist manchmal eine Farce. Daher gebe ich dir recht, sofern umfassende - auch lokale - Nachrichten durch öffentlich-rechtliches Radio gewährleistet werden. Das entspräche dann ungefähr der niederländischen oder britischen Situation.
In den USA gibt es sehr viele "kleine" Sender, die seit Jahren, sehr erfolgreich, ihren Weg gehen
Anfang der 90er machten 50 % der amerikanischen Radiostationen Verluste. Zur Verbesserung der Situation gab's vor etwa zehn Jahren eine Gesetzesänderung, die z.B. dazu geführt hat, dass 6000 Sender neue Eigentümer - meist eines der großen Konglomerate - gefunden haben. Folge: Weniger lokale Programme, weniger lokale Nachrichten, weniger lokale Arbeitsplätze, die gleichen Sendungen und Formate in jeder Stadt (wobei letzteres nicht grundsätzlich schlecht ist). Die Profite sind jetzt wohl wieder ordentlich, aber die Situation ist nicht so idyllisch, wie es möglicherweise auf den ersten Blick scheint. "Radio stations are beginning to sound the same from city to city, each one following the same national chart. Critics say that music should be looked at regionally. ...it becomes unlikely that something new and untested will get on the airwaves," steht im Aufsatz
http://mmstudio.gannon.edu/~gabriel/rapela.html - leider von 1999, hab nichts aktuelleres gefunden.
Zum Thema Online-Radio:
Erzähl' doch mal ein bißchen darüber. Gerne auch über die Hörerzahlen.
Ein paar Zahlen aus den USA gibt es hier:
http://www.arbitron.com/onlineradio/home.htm
Ich bin im Moment mit dem deutschen Angebot ganz zufrieden, höre allerdings kaum Privatfunk und kaum Mainstreamradio. Mangelnde Formatvielfalt sehe ich hier gar nicht so als Problem. OK, sowas wie France Inter oder Europe 1 wäre hier nicht schlecht, aber an das Format wird sich hier eh niemand heranwagen. Klar, ich hätte auch gerne einen Sender, der öfter mal Indie-Pop spielt. Aber was nützt mir so ein Sender, wenn dort über Monate alle paar Stunden die gleiche Musik läuft und ich fünfmal pro Stunde aufgefordert werde, doch endlich anzurufen, um ein fehlendes Wort oder sonstigen Quatsch zu erraten. DAS ist es nämlich, was viele Sender für mich unhörbar macht. Und das wird nicht mit einer wachsenden Zahl von Sendern (die früher oder später ja doch wieder der RTL-Gruppe, Springer, NRJ o.ä. zufallen und auch dementsprechend klingen würden) oder Formaten verschwinden.