Antenne-Attacke auf Bayerns Schüler
Deutschlands erfolgreichster Radiosender kann’s nicht lassen - erneut gab’s Ungereimtheiten bei einer Höreraktion des Privatsenders Antenne Bayern. Diesmal wurden Schüler im Freistaat von den Radiomachern vorgeführt
25. Juli 2007. Teisnach liegt im Naturpark Bayerischer Wald, hat knapp 3.000 Einwohner und eine Bürgermeisterin mit sozialdemokratischem Parteibuch – womit Frauen- und SPD-Quote in der Region erfüllt sein dürften. Im Veranstaltungsprogramm der Gemeinde kann man sich durchaus „Herbert und Schnipsi“ vorstellen. Das Komiker-Duo kommt tatsächlich Ende Oktober in die örtliche Mehrzweckhalle. Vorher singt aber noch Pink in Teisnach. Das Open-air-Konzert mit dem US-Superstar am kommenden Sonntag ist längst ausverkauft – mehr als 10.000 Besucher werden auf dem Festplatz erwartet. Darunter auch 100 Schüler, die angeblich am Dienstagmorgen bei Antenne Bayern ein Gratisticket für das durchaus außergewöhnliche Konzert gewonnen haben (Bild: Ausschnitt aus Screenshot antenne.de, 24.07.07). Wie die Schüler an die Tickets gekommen sein sollen, beschreibt der Sender auf der eigenen Website so: „Am Dienstagmorgen hat das Antenne Bayern Team Pink-Tickets unter Schul-Stühle in ganz Bayern geklebt. Die Gewinner werden eingeladen - zum komplett ausverkauften Sommer-Open Air mit Superstar P!nk diesen Sonntag in Teisnach.“ Die Sache hat allerdings einen Haken. Aufmerksamen Hörern der Frühsendung „Guten Morgen, Bayern“ war aufgefallen, dass sich erste jubelnde Gewinner bereits mehr als eine Stunde vor Schulbeginn auf dem Sender meldeten. „Andi aus Altötting“ freute sich beispielsweise um 06.54 Uhr über das Pink-Ticket unter seinem Stuhl.
Vermeintlich fleißige Hausmeister
Bayerische Schüler gelten zwar als besonders fleißig und überdurchschnittlich intelligent, was ihnen unter anderem in PISA-Studien bestätigt wird. Dass sie sich allerdings mehr als eine Stunde vor Unterrichtsbeginn schon in ihrem Klassenzimmer aufhalten und dabei auch noch zufällig ein „Pink-Ticket“ unter ihrem Stuhl vorfinden, erscheint doch eher unwahrscheinlich. Franziska Sigg, Leiterin der Unternehmenskommunikation bei Antenne Bayern, bemühte sich auf blogmedien-Anfrage um eine Erklärung: „Hausmeister, die von der Aktion gehört haben, schlossen daraufhin offensichtlich früher die Schulen auf.“ Warum allerdings die Schüler so früh schon anwesend waren, ließ die Kommunikationschefin des Senders offen. Weil Antenne Bayern das so wollte. Glückliche Gewinner der Höreraktion sollten nämlich in der morgendlichen Haupthörzeit und nicht etwa erst nach 8 Uhr – wenn die Hörerzahlen wieder sinken - auf dem Sender erscheinen. Damit dabei ganz bestimmt nichts schief läuft, hatten Antenne-Mitarbeiter am Montag unter anderem Kontakt zum Maria-Ward-Gymnasium in Altötting aufgenommen. Man habe seitens Antenne dringend darum gebeten, dass am folgenden Tag bereits ab 6 Uhr Schüler anwesend sein sollten, bestätigte der stellvertretende Schulleiter Andreas Rohbogner gegenüber blogmedien. In Altötting wurden daraufhin am Montag Schüler der Oberstufe K12 gezielt informiert, dass es durchaus „ratsam“ wäre, am nächsten Morgen bereits zwei Stunden vor Unterrichtsbeginn im Gymnasium zu erscheinen. Oberstudienrat Rohbogner will nicht ausschließen, dass in diesem Zusammenhang auch auf Antenne Bayern verwiesen wurde. „Entstellungen durch Verzerrungen der Sachverhalte…“ Gutgläubige Schulleitungen, die ihren Schützlingen kurz vor Ferienbeginn in Bayern mit der Teilnahme an der Antenne-Aktion noch etwas besonderes bieten wollten, wurden damit zu unfreiwilligen Helfern bei einer teilweise manipulierten PR-Aktion des Senders. Immerhin hatte Antenne Bayern im Radio und übers Internet den Schülern vorgegaukelt, dass sie „am Dienstagmorgen zur ersten Stunde…“ die begehrten Pink-Tickets vorfinden könnten, was sich zumindest im Fall des Altöttinger Gymnasiums schlichtweg als Unwahrheit erwies. Damit hat Deutschlands erfolgreichstes Radioprogramm erneut gegen die gesetzlich festgelegte Wahrheitspflicht verstoßen. In Artikel 5 (2) des Bayerischen Landesmediengesetzes heißt es explizit „Entstellungen durch Verzerrungen der Sachverhalte sind zu unterlassen.“ Ernsthafte Sanktionen seitens der zuständigen Medienwächter muss Antenne Bayern indes wohl kaum befürchten, wie Erfahrungen von früheren nachgewiesenen Verstößen zeigen. Als blogmedien vor zwei Jahren eine Schleichwerbekampagne für das kostenpflichtige Downloadangebot „Musicload“ aufdeckte, belies es die Bayerische Landeszentrale für neue Medien (BLM) bei einer einfachen „Beanstandung“. Zuvor hatte der „Veranstalter“ Antenne Bayern gegenüber der BLM erklärt, „dass eine interne Prüfung Umsetzungsfehler bei Verweisen auf den programmbegleitenden Online-Dienst www.antenne.de zeigte. Anstatt generell auf das Internetangebot von Antenne Bayern hinzuweisen, sei gelegentlich auch der Service-Dienstleister ‚Musicload’ genannt worden.“ Mit anderen Worten – die dummen Moderatoren hatten aus freien Stücken und gegen den Willen der Programmleitung Schleichwerbung für Musicload betrieben. Und „mit einer Vergütung des T-Online-Portals www.musicload.de” an Antenne Bayern stünden diese Schleichwerbereien ohnehin nicht im Zusammenhang, hatte das Antenne-Management den Medienwächtern noch versichert, die daraufhin das „Verfahren abschlossen“. Ob sich bayerische Schüler - und ihre Schulleitungen – ähnlich wie die Medienwächter mit solch dürftigen Erklärungen des Senders zufrieden geben, erscheint fraglich. Antenne Bayern hat ohnehin zunehmende Akzeptanzprobleme, auch bei jüngeren Hörern. Innerhalb eines Jahres verlor der Sender mehr als 13% bei den 14- bis19jährigen. Mit dieser Antenne-Attacke auf Bayerns Schüler wird wohl kaum die erhoffte Trendwende zu erreichen sein.
Quelle: http://www.blogmedien.de/?p=1019