Hallo liebes Forum.
Ich bin erstaunt, daß ein solches Thema einen solchen Zuspruch findet, und geradezu fasziniert von vielen Beiträgen, in denen mit großen Stangen im Nebel gestochert wird, obwohl alles zum Thema sattsam bekannt ist.
Drum mache ich uns die Freude und berichtige einiges Unwahres, zunächst aber dies zum Ausgangspunkt der Diskussion :
In der Fragestellung ging es letztlich nicht um die Frage, OB die PDS einen Hörfunk-Direktor besetzen sollen können darf, sondern WEN sie dafür -- angeblich ? -- vorgesehen hat.
Die erste und einzig genannte Idee ist bisher Hanno HARNISCH (so schreibt er sich tatsächlich, gell „K6“ ?) -- eine gewagte These, die ich zum Schluß anzweifeln werde.
Sichten wir aber erst mal die genannten „Fakten“.
Von einem Forumsteilnehmer wird erklärt, Harnisch sei untragbar, weil bei der Stasi gewesen, und andere sagen, das sei nicht erheblich, er habe schließlich nie einen Hehl daraus gemacht, oder -- wieder andere Version -- offenbar niemandem geschadet.
Das findet sich in den Zeitungsarchiven folgendes :
Hanno Harnisch hat bis Januar 1997 sehr wohl bestritten, Mitarbeiter der Staatssicherheit gewesen zu sein.
Am 7. Januar 1997 erfährt die BILD-Zeitung durch einen Bericht der Gauck-Behörde von Unterlagen, die belegen, daß Hanno Harnisch seit 1976 als IMB „Egon“, also „Inoffizieller Mitarbeiter mit Feindberührung“ tätig war. Seine Reaktion in der BILD vom 8. Januar :
„Det is ja een ding! Det höre ich zum ersten Mal!“
Doch noch am selben Tag gibt er öffentlich zu, 1976 vom MfS angeworben worden zu sein und seinen Führungsoffizieren u.a. Psychogramme über Oppositionelle wie die Schriftstellerinnen Monika Maron und Katja Lange-Müller geliefert zu haben.
Kurze Zeit spät findet die Gauck-Behörde weitere Unterlagen, aus denen hervorgeht, daß Harnisch schon 1971 als Spitzel des Mfs der Kategorie „GMS“ (Gesellschaftlicher Mitarbeiter Sicherheit“) registriert worden war. In dieser Funktion soll er zum Beispiel Schulfreunde verpfiffen haben, die die Flucht aus der DDR geplant hätten (DER SPIEGEL 3/1997).
1991 war Harnisch von der PDS-Landtags-Fraktion Brandenburgs in den Rundfunkrat des ORB entsandt worden. 1992/93 ließen sich 22 Mitglieder des Rundfunkrats freiwillig auf Stasi-Kontakte überprüfen -- das sind alle Mitglieder des Gremiums mit Ausname von Harnisch, der sich weigerte und auch nicht gezwungen werden konnte.
1995 oder 1996 wird er nach öffentlichen Stasi-Vorwürfen von Bärbel Bohley von einem Journalisten dazu befragt. Die Nachfrage habe er vom Tisch gewischt -- so Harnisch am 15.01.97 in der Märkisch-Oder-Zeitung. Er habe sich aber gewundert, daß niemand ernsthaft nachgebohrt habe.
Damit dürfte die Darstellung, er habe nie einen Hehl aus seiner Stasi-Tätigkeit gemacht, widerlegt sein.
Ob IM „Egon“ als Denunziant einzuschätzen ist und ob er anderen geschadet hat, ist eine Frage des Ermessens.
Nach Angaben eines seiner Opfer, der Schriftstellerin Katja Lange-Müller, in der Berliner Zeitung vom 14.01.97, habe Harnisch verschiedene Leute selbst in den Biermann-Kreis hineingebracht, um später über sie berichten zu können. Über eine Lektorin, die Kontakte zu Bundestagsabgeordneten der Grünen hatte, hat Harnisch nach Aktenlage über persönliche Details wie Freunde, Kochkünste, Alkoholkonsum und ***ualleben berichtet.
Nun zur bisher unwidersprochenen Annahme, die PDS werde Harnisch als Hörfunk-Direktor vorschlagen.
Ich habe im Dezember -- ich glaube in der F.A.Z. -- gelesen, daß sich Harnisch selber für den Posten ins Spiel gebracht hat.
Mutmaßen wir bei der Frage, wer`s werden könnte, ein wenig über Wahrscheinlichkeiten und Unwahrscheinlichkeiten.
Ich glaube nicht, daß diese Partei bei ihrer derzeitigen Krise mutwillig einen Aufschrei provozieren und sich selbst schaden wird, in dem sie die Bewerbung eines nicht durchsetzbaren Kandidaten wie Harnisch für den Posten unterstützt.
Im Falle des jüngst frei gewordenen Postens des Berliner Ausländerbeauftragten wurde eine sehr anerkannte Kandidatin sofort zurückgezogen, als ihre mutmaßliche Stasi-Mitarbeit erst nach Bekanntwerden ihrer Ambitionen bekannt wurde.
Das Problem dabei liegt 13 Jahre nach der Wende weniger im jeweiligen Verhältnis der Personen zur Staatssicherheit als vielmehr im Umgang mit der eigenen Biographie nach der Wende.
Daß ein Personalvorschlag Harnisch öffentliche Auseinandersetzungen auslösen dürfte, ergibt sich schon aus der Geschichte der „Enttarnung“ des IM „Egon“.
Nach Bekanntwerden des Vorgangs im Januar 1997 fordert der ORB-Rundfunkrat Harnisch zum Rücktritt bzw. die Landtags-PDS zur Rücknahme ihres Vertreters auf, allerdings vergeblich. Dann stellt der Rundfunkrat fest, daß ihm die Hände gebunden seien und er keine Handhabe zur Abberufung habe.
Daraufhin kommt es in Potsdam zum Aufstand der Sender-Häuptlinge : Leitende Mitarbeiter des ORB protestieren im Mai 1997 in einem offenen Brief gegen den Rückzug des Gremiums auf die juristische Position (d.h. in diesem Fall keine Handhabe zu haben) und fordern, daß der Rundfunkrat „Herrn Harnisch auffordert, freiwillig sein Mandat niederzulegen, um Schaden vom ORB abzuwenden“.
Dagegen wehrte sich Harnisch in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung vom 20. Juni 1997 : „Das Gremium hatte sich schon geeinigt, mich weiter zu dulden. Aber dann kam ein Brief von leitenden Angestellten des ORB, die sich beschwerten, hier würde mit zweierlei Maß gemessen, weil alle Mitarbeiter des ORB auf eine Stasi-Vergangenheit überprüft werden. Ich glaube aber, der wahre Grund ist ein anderer : Ich habe eine kritische Stimme in diesem Gremium. Ich war der einzige, der gegen die Kooperation mit dem SFB war...“
Daß diese ORB-Mitarbeiter nun einen Hörfunk-Direktor Harnisch widerstandslos hinnehmen werden, ist sehr unwahrscheinlich. Sie müßten mindestens befürchten, daß sich Harnisch ihres Protestes erinnert und womöglich entsprechende personelle Konseuquenzen zieht.