Die Zukunft des deutschen Rundfunks.
Eine Einnahmequelle für das Reich.
von
Staatssekretär Dr. Bredow.
Wir befinden uns am Anfang einer neuen Entwicklung des öffentlichen Nachrichtenwesens. Die drahtlose Telephonie gibt die Möglichkeit, durch „Rundfunk“ gleichzeitig von einer Stelle aus zu vielen Tausenden zu sprechen. Schon seit einem Jahre werden in Deutschland auf diesem Wege wichtige Wirtschaftsmeldungen an Tausende von Beziehern übermittelt. Seit kurzem verbreitet der deutsche Rundfunk auch Musik, Pressemeldungen und Vorträge unterhaltender und belehrender Art. Der Gedanke, sich an eine unbegrenzte Zuhörerschaft bis weit über die Grenzen hinaus wenden zu können, hat etwas Ueberwältigendes an sich, und tatsächlich bereitet sich in aller Stille eine Entwicklung vor, deren Umfang und Auswirkung nicht zu übersehen ist.
Die Aufgabe des Rundfunks sind kultureller, wirtschaftlicher und politischer Art. Deutschland wird an dieser Entwicklung teilhaben und nicht zurückstehen, aber ihm sind infolge der unglücklichen politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorläufig Wege für die Ausnutzung dieses neuen Nachrichtenmittels vorgezeichnet, die in Einzelheiten von dem abweichen, was in anderen Ländern geschieht. Deutschlands Reichsbetriebe arbeiten mit Verlust, Mittel zum Ausbau werterer Nachrichtenverbindungen sind nicht mehr vorhanden; da gilt es, jede sich zeigende Einnahmequelle restlos auszuschöpfen und technische Neuerungen nur unter dem Gesichtspunkt höchster Wirtschaftlichkeit anzuwenden.
Diese harte Notwendigkeit wird auch für die nächste Zeit für die Entwicklung des Rundfunks bestimmend sein müssen. Reiche Länder können es sich erlauben, die kulturelle Seite voranzustellen und die drahtlose Telephonie ganz allgemein für Zwecke der Unterhaltung und technischen Belehrung unter weitgehendem Verzicht auf wirtschaftliche Ausbeutung für ernsthafte Verkehrszwecke anzuwenden.
Millionen von Menschen in Amerika können sich deshalb unbehindert durch staatliche Interessen lediglich zum Vergnügen oder aus technischer Liebhaberei mit dem Abfangen drahtloser Nachrichten, gleichviel für wen sie bestimmt sind, beschäftigen. Jeder kann sich Sende- und Empfangsstationen bauen und darauflos arbeiten, ohne daß man sich vorläufig den Kopf darüber zerbricht, wie sich das immer stärker werdende Durcheinander der Wellen einst entwirren wird. Man hofft, daß mit der Zeit ganz von selbst die Auswüchse verschwinden und einer auf diesem Gebiete unentbehrlichen Ordnung weichen werden. Die amerikanische Regierung besaß keine gesetzliche Handhabe, um diese Entwicklung in bestimmte ihr genehme Bahnen zu lenken, der öffentliche Verkehr war auf die drahtlose Telephonie wegen des vorzüglichen Leitungsnetzes nicht angewiesen, die Fabrikanten taten alles, diesen Sport durch kostenfreie Aussendung unterhaltender Nachrichten zu unterstützen. So konnten, gefördert durch ein kaufkräftiges, besonders auf dem Lande nachrichtenhungriges Publikum, auf diesem Gebiet Zustände entstehen, die das Auge vieler blenden. Auch in Europa hat eine derartige Entwicklung eingesetzt. Aber schon England erkannte die Schattenseiten eines hemmungslos sich austobenden Wellendurcheinanders und erließ eine straffe Verkehrsregelung. Nur sechs Sendestationen wurden zugelassen, und die Benutzung von Empfangsanlagen wurde von der Genehmigung der Telegraphenverwaltung und Zahlung einer Jahresgebühr abhängig gemacht. Dies ist der Weg, den auch Deutschland vorläufig gehen muß. Sechs oder acht Sendestationen werden die Oeffentlichkeit mit Nachrichten und Unterhaltungsstoff versehen und jedermann kann Bezieher dieses Unterhaltungsrundfunks werden, der eine Jahresgebühr bei seinem Fernsprechamt zahlt und einen Empfangsapparat benutzt, der mit dem für Unterhaltungszwecke bestimmten Wellenbereich ausgestattet ist. Während der Unterhaltungsdienst sich an die Allgemeinheit wendet und deshalb so billig wie möglich gestaltet werden muß, sollen die nicht vom Unterhaltungsrundfunk benutzten Wellen Sonderzwecken Vorbehalten bleiben und wirtschaftlich ausgebeutet werden.
Da eröffnet sich ein weites Feld. Zeitungen, Nachrichtenbureaus, Banken, Industriegesellschaften, Großhandelsfirmen, Organisationen jeder Art können auf diesem Wege schnell, billig und zuverlässig ihre Bezieher, Zweiggeschäfte, Mitglieder mit ihren eigenen, nur für einen besonderen Kreis Empfangsberechtigter bestimmten Nachrichten versehen. Wenn das organisatorisch nnd technisch so gelöst wird, daß tatsächlich nur diejenigen die Nachrichten erhalten, für die sie bestimmt sind, wird dieser Nachrichtenzweig besonders für das Zeitungsgewerbe einmal von großer Bedeutung werden. Dann wird es möglich fein, den „Rundfunk“ weit über die Bedeutung einer allgemeinen Unterhaltung herauszuheben und für das Reich neue Einnahmen zu erschließen.
Rundfunk der Radiostunde.
In den nächsten Tagen wird die Aufstellung eines zweiten Telephonie-Senders im Vox-Hause beendet sein, so daß dann dauernd ein Reservesender zur Verfügung steht. Damit entfallen verschiedene Schwierigkeiten, die bisher vorhanden waren. Zunächst sind für diesen Sender Gleichstrom-Hochspannungsmaschinen beschafft worden, so daß der Maschinenton selbst da, wo er bisher noch störend empfunden wurde, nunmehr vollkommen fortfallen wird. Ferner sind die Batterien jetzt doppelt vorhanden. Auch kann der Sender jetzt voll ausgenutzt werden, was bisher gewagt erschien, weil noch gewisse Reserveteile zu dem bisherigen Sender fehlten, die im Falle eines Defektes nicht hätten ersetzt werden können, so daß dann der Betrieb hätte eingestellt werden müssen; dazu dürfte es nun nicht mehr kommen können, falls nicht etwa an der Antenne ein Fehler auftritt.
Wie wir hören, wird die Frankfurter Frühjahrsmesse, die vom 6. bis 12. April stattfindet, einen Tag arrangieren, der voll und ganz unter dem Zeichen der Radioerrungenschaft steht. Eine Reihe technischer Organisationen, darunter die „Südwestdeutsche Rundfunkdienst-Gesellschaft“ und die „Gesellschaft von Freunden der Radiotelephonie“ sehen für diesen Radiotag wissenschaftliche Vorträge führender Gelehrter und praktische Vorführungen vor. Eine eigene Sendestation der Südwestdeutschen Rundfunkdienst-Gesellschaft wird an diesem Tage ihre Weihe erhalten, und die Aussteller der deutschen Radioindustrie werden Gelegenheit haben, ihre Apparate in den Messestunden praktisch vorzuführen.