Wurde "Deutschpop" nicht als ideologisches Gegenstück zum Schlager geschaffen und gerade deshalb so extrem auf Tristesse und Weltverdruss gebürstet?
Nicht wirklich "geschaffen", sondern da ist schon eine ziemlich lineare Entwicklung mit diversen Brüchen, angefangen bei den Liedermachern von der Burg Waldeck bis hin zur Blutgrätsche in die Szene hinein durch Punk und Neue Deutsche Welle. Nachdem man nach dem Zusammenbruch der NDW mehr oder weniger sagen kann, daß deutschsprachige Musik erst mal keine Konjunktur mehr hierzulande hatte, entstanden Ende der 80er langsam wieder solche Knospen, die auch einige Ideen der Liedermacher wieder aufgriffen, also zunächst solche Leute wie Grönemeyer und Heinz Rudolf Kunze, in gewisser Hinsicht auch immer noch ein Udo Lindenberg, und anschließend etwa die Bands der Hamburger Schule oder unabhängig davon auch so jemand wie Element Of Crime aus Bremen. Hier sehe ich die Wurzeln für den Sprachgebrauch im modernen Deutschpop oder Chansonpop oder wie auch immer. Na ja, und von da an dann weiter über King Rocko Schamoni, Selig, Fink und wie sie alle hießen und heißen.
Um denn doch hin und wieder ein paar deutsche Klänge in die streng reglementierten Popwellen zu mischen baute man ganz bewusst Künstler auf, die dem eher leichtfüßigen Schlagerimage bewusst zuwiderlaufen, aber auch mit dem teils infantil-ausgelassen Top-40-Pop kontrastieren, der hier hauptsächlich zu hören ist.
Hm, ist das so? Einen wirklichen öffentlichen Hype um Künstler habe ich nur relativ selten wahrgenommen, wenn ich ehrlich bin. Tim Bendzko, joah, okay, dann mit Abstrichen Philipp Poisel und AnnenMayKantereit ... ach ja, und Julia Engelmann fällt mir noch in dieser Hinsicht ein ... bei den meisten anderen einschlägigen Künstlern habe ich eher das Gefühl "zur richtigen Zeit am richtigen Ort", ... im Grunde genommen also so, wie es sein sollte
Im Sog der Schlagerpopularität und im Zeichen der Internetvermarktung kokettieren aber immer mehr junge Deutschpop-Avantgardisten mit Schlagerklischees, was von der gegenwärtigen Entscheiderriege offenbar zähneknirschend hingenommen wird, solange ihnen kein offizielles Schlageretikett anhaftet, sie also nicht auf der Gästeliste von Silbereisen, Mross, Borg und Zarrella stehen.
Deutschpop ist über weite Strecken ziemlich deckungsgleich mit (aktuellem) Schlager, was seine Themenvielfalt betrifft. Die Frage ist hier meistens eher, wie es mit der Wortwahl ausschaut sowie mit der musikalischen Identität. Großes Problem ist natürlich auch, wenn dem Interpreten oder seinen Gehilfen im Hintergrund so gar nix Anderes mehr einfallen möchte als schnöde Lieder über die eigenen Befindlichkeiten im Stil der Kalenderblatt-Lyrik.
Ich hätte übrigens nichts dagegen wenn der tranige "Deutschpop" und der stampffoxgeplagte Schlager zusammenwüchsen, mehr Substanz entwickelten und bessere Arrangements hervorbrächten.
Ha ja, solche Sachen GIBT'S doch in der Szene. Aber meistens sind das halt die Sachen, bei denen man entweder den Texten erhöhte Aufmerksamkeit widmen muß -
Wolfgang Müller - Wie neu
oder es sind Sachen, die sich musikalisch nicht ganz so 08/15 entwickeln und so ein paar Stolpersteine im Arrangement mit sich spazieren tragen.
Nullmillimeter - Nö du
Oder mit Überlänge kokettieren oder mit Dialekt oder, oder, oder ...
Gruß
Skywise