Die Sprachlotterei treibt neue Blüten

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Das ist jetzt aber schade - ich bin leider kein Nazi. Und der mit der Bahn fahre ich auch äußerst selten. Da kann ich jetzt wohl nicht mehr mitreden ...
 
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Immer häufiger lese ich "Davon ab:".

Besteht nicht hier die Gefahr, dass ein verkürztes Internet-Geschreibsel Einzug in den auch mündlichen Sprachgebrauch findet? Meinetwegen sei "btw" erlaubt, das kann man eh nicht aussprechen, IMHO finde ich schon grenzwertig, aber "Davon abgesehen" zu verstümmeln, sträflich. Wehret den Anfängen!
 
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Immer häufiger lese ich "Davon ab:".

Besteht nicht hier die Gefahr, dass ein verkürztes Internet-Geschreibsel Einzug in den auch mündlichen Sprachgebrauch findet?

Wenn ich mich recht entsinne, ist das aber in der Umgangssprache im Norden unseres Sprachraumes durchaus üblich - Davon ab(gesehen) "FULL ACK" ;)

LG

McCavity
 
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Passt eigentlich nicht exakt hier rein, aber ich wollte kein neues Thema öffnen. Zitat -

(dpa) Der Bundeswehrverband hat die Bundesregierung mit Blick auf den Bundeswehreinsatz in Afghanistan aufgefordert, die Wahrheit über den Einsatz nicht zu verschleiern.

Als Beispiel nannte der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, Bernhard Gertz, gegenüber der Neuen Osnabrücker Zeitung den Fall des in der vergangenen Woche in Afghanistan getöteten 29 Jahre alten Fallschirmjägers. Dieser sei nicht, wie bei seiner Beisetzung erklärt wurde, ums Leben gekommen. „Richtig ist: Dieser Hauptfeldwebel ist für die Bundesrepublik Deutschland gefallen“, sagte Gertz. Dies müsse die Bundesregierung auch in aller Klarheit sagen.


Frage an die Experten: Ist das denkbar, in Nachrichten die Formulierung "ein deutscher Soldat ist in Afghanistan gefallen" ?
Hat es diese Begrifflichkeit überhaupt schonmal gegeben in den letzten 60 Jahren? Was würde diese Formulierung bedeuten, wie wirkt sie? Ist sie neutral - korrekt? - wertend? Was meint Ihr dazu?
 
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Ich bin zwar nicht der Experte, aber wenn der Hauptfeldwebel für die Bundesrepublik Deutschland "gefallen" ist, assoziiere ich damit (auch aus der Geschichte heraus): Die Bundesrepublik Deutschland hat einem Staat bzw. ein Staat hat der Bundesrepublik Deutschland den Krieg erklärt.
 
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"fallen" oder "Gefallener" ist im militärischen Sprachgebrauch durchaus üblich und wird auch in Kriegsdokumentationen oft verwendet, weil er den Tod durch Feindeinwirkung etwas beschönigt. Im zivilen Sprachgebrauch war dieser Begriff auch früher sehr üblich, in vielen Orten gibt es Denkmäler für die Opfer der Kriege, die oft mit "Für unsere im Krieg Gefallenen" oder vergleichbar überschrieben sind.

Ich denke, begünstigt durch die Entwicklung nach dem 2. Weltkrieg, hat diese Wendung aber ihre Bedeutung im zivilen Bereich so gut wie verloren, so daß sie heute auf viele zumindest anachronistisch wirkt. Inwieweit das wertend empfunden wird, ist sicherlich eng mit der persönlichen Einstellung desjenigen verknüpft, der mit dem Begriff konfrontiert wird.

Ob dieser Begriff innerhalb der letzten Jahre (außer, wie bereits erwähnt, in Dokumentationen) verwendet wurde, ist mir nicht bewußt. Bedeuten würde die Formulierung nichts anderes als, daß der Soldat um's Leben gekommen ist - man könnte den Begriff verwenden um implizit "durch Feindeinwirkung" oder ehrend "in Erfüllung seiner Pflicht" mit zu transportieren, während das einfache "um's Leben gekommen" so interpretiert werden könnte, daß er (zum Beispiel) an den Folgen eines Unfalls verstarb. Ich würde sie neutral sehen und nicht in irgendeiner Weise wertend, aber wie erwähnt, daß dürfte sehr von der persönlichen Sichtweise des Einzelnen abhängen. Als "Sprachlotterei" würde ich den Begriff hingegen ganz und gar nicht einstufen, höchstens "anachronistisch" würde ich akzeptieren.

LG

McCavity
 
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Der Bundeswehrverband kann die Bundesregierung selbstverständlich jederzeit auffordern "gefallen" anstelle von "ums Leben gekommen" zu formulieren. Die Bundesregierung kann dieser Aufforderung Folge leisten, oder es lassen.
Die Frage ist, müssen die Medien es übernehmen? Oder müssten sie sogar von alleine darauf gekommen sein?
Ammerlaenders Hinweis ist absolut zutreffend: "Gefallen" ist der Terminus, der im Zusammenhang mit Kriegseinsätzen von Soldaten zur Anwendung kommt. Da die Bundesregierung nach wie vor bestreitet, dass es sich beimBundeswehreinsatz in Afghanistan um einen Kriegseinsatz handelt, wird sie die Begrifflichkeit "gefallen" wohlweislich umschiffen. Wir befinden uns hier bereits auf dem weiten Feld der Propaganda.
Ich würde im vorliegenden Fall übrigens aktiv formulieren: "Der Hauptfeldwebel, den afghanische Rebellen bei einem einem Sprengstoffanschlag getötet haben..."
"Ums Leben gekommen" klingt mir zu banal,
"Ist gefallen" hat zuviel Phatos.
 
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Spontan, beim lesen von Ammerländers Einwand, störte mich weniger das Wort "gefallen" als vielmehr das "für die Bundesrepublik Deutschland".
DAS ist Krieg, und zwar sprachlicher.

Ist es nicht so, dass unsere Soldaten einem überstaatlichen Auftrag / Mandat / Kommando unterstellt sind?
An dieser Stelle sollte sprachlich differenziert werden

Wenn ein Soldat für die Bundesrepublik Deutschland stirbt / fällt, dann wohl im Rahmen einer kriegerischen Handlung. So sehe ich das.

Formulierungstechnisch stimme ich Mannis Fan zu - bis auf den Einwand, doch bitte "Pathos" zu schreiben. ;)

Gruß, Uli
 
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Sprache ist auch eine Waffe - jedwede Redewendung. Gertz hat im Prinzip Recht, nur ist der bedauernswerte Soldat für die NATO-geführte Friedenstruppe ISAF gefallen. Bzw. bei einem Attentat ums Leben gekommen.
Was der Vorsitzende des Bundeswehrverbands damit sagen will, ist, das Bundeswehrsoldaten -auch und gerade in einer Nato-Mission- sich im Kriegseinsatz befinden. Und jederzeit von einer Waffe bedroht werden können, selbst eine Waffe einsetzen (müssen) und ums Leben kommen können.
Auf den Punkt gebracht : Es ist zwar eine "peace-keeping-mission", aber im Prinzip ein Kriegseinsatz mit hehren Zielen. Das hat er wohl gemeint. "Gefallen" halte ich auch für zu pathetisch und erinnert mich zu sehr an die beiden Weltkriege.
 
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Hallo

Also "Nähkästchen", das ist wirklich eine "heikle" Frage! Über den feinen Unterschied in der Wirkung/Aussage dieser beiden leicht verschiedenen Formulierungen muß man erstmal stolpern - und nachdenken. Respekt!


Mir persönlich gefällt das Wort "gefallen" auch nicht so sehr, denn in der Vergangenheit sind Millionen bei der militärischen Umsetzung makabrer politischer Ziele "gefallen". Das Wort hat irgendwie ein schlechtes Image. Die Bundeswehr ist ja außerdem nicht auf einem Feldzug, sondern in einer internationalen "Friedensmission" unterwegs....



Also wenn ich Reinhard Erös (ehemaliger Arzt der Bundeswehr; ist schon seit 1986 mit Hilfsprojekten im "tiefsten"(!) Afganistan erfolgreich unterwegs) im SWR1 "Thema heute" von gestern abend höre, dann scheint die "Friedensmission" doch nicht so wie vom Westen "gewünscht" zu laufen.

Wenn (vermehrt) (unschuldige) Frauen/Kinder erschossen werden, muß sich im Westen (also auch DE) niemand darüber wundern, wenn unsere Soldaten zur Zielscheibe werden - und fallen.


Podcast (hoffentlich) unter:
http://www.swr.de/swr1/bw/programm/-/id=446250/nid=446250/did=3785098/14azj94/index.html

Am Ende der Sendung.



vg Zwerg#8
 
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Ist das denkbar, in Nachrichten die Formulierung "ein deutscher Soldat ist in Afghanistan gefallen" ?
Hat es diese Begrifflichkeit überhaupt schonmal gegeben in den letzten 60 Jahren?

Es ist der Sachverhalt selbst, den es nicht mehr gegeben hat. Es ist in diesen 60 Jahren kein deutscher Soldat gefallen. Deshalb hat man diese Formulierung seit '45 nicht mehr gehört.


Was würde diese Formulierung bedeuten, wie wirkt sie?

Es ist Krieg. Es wird „zurückgeschossen“.


Ist sie neutral - korrekt? - wertend?

Sie ist Militärlyrik, bei der nicht jeder wissen wird, was sie zum Ausdruck bringt. Nach meiner bescheidenen Meinung sollte man sie deshalb durch unmißverständliche Formulierungen wie „wurde von gegnerischen Kämpfern getötet“ ersetzen.
 
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Oder sagen wir mal, überhaupt verständlich. Es wird vielleicht doch Leute geben, welche die Bedeutung von „gefallen“ nicht kennen.
 
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Interessante Diskussion. In der Nachrichtensprache würde ich den Begriff "gefallen" - außer als wörtliches Zitat - auch nicht verwenden. Zumindest nicht beim "einzelnen Soldaten". "Gefallen" klingt tatsächlich nach "Militärlyrik" und ist somit einseitig und wertend.
In Meldungen, die in einer Zusammenschau aufstellen, wieviele Soldaten insgesamt in einem bewaffneten Konflikt ums Leben kamen, würde ich den Begriff jedoch tolerieren: "Im Bosnienkrieg waren ...(Zahl)... Soldaten gefallen".
 
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Darf ich mal kurz ein anderes Thema aufgreifen?
Zunächst mein Einwand an die Nachrichtenredaktion, dann die Antwort.
Eure Meinung?

Nachrichtentext
>
> \"...der Zugführer erlitt einen Schock.\"
>
> Die Nachrichtenredaktion möge sich doch bitte mal über den
> Unterschied zwischen Zugführer und Triebfahrzeugführer ( =
> Lokführer ) kundig machen; Die meisten Züge sind überhaupt
> nicht mit einem Zugführer besetzt.
>


Danke für Ihen Hinweis. Ihr Einwand ist inhaltlich sicherlich richtig. Ich gehe davon aus, dass Sie sich fachlich in diesem Fall sehr gut auskennen. Allerdings ist unsere Aufgabe auch, dem Hörer Nachrichten so verständlich wie möglich zu präsentieren. Und da ist das Wort Zugführer sehr eindeutig.

Mit freundlichen Grüßen

Thorsten Reinhold

Nachrichtenredaktion
 
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Dummes Zeuch, Herr Reinhold, armselige Ausflucht. Die richtige Vokabel zu benutzen hätte in gerade in diesem speziellen Falle keinerlei Verständnisschwierigkeiten mit sich gebracht.

Setzen, fünf.


Gruß TSD
 
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Es geht weiter:

von mir:

Sicherlich eindeutig. Eindeutig so falsch wie "Lokführer" richtig und ebenso verständlich ist.


von Herrn Reinhold:

Sehr geehrter Herr

Danke auch für den zweiten Hinweis. Wir werden dies korrigieren und entsprechend der korrekten Bezeichnung der Funktion bei Eisenbahnunternehmen anpassen.

Einen schönen Abend wünscht

Thorsten Reinhold


von mir:

Sehr geehrter Herr Reinhold,

Sicherlich bin ich Ihnen recht unhöflich erschienen, dieses liegt aber lediglich darin begründet daß dieser Fehler sich schon seit Generationen durch die Nachrichtentexte zieht und Radio Bremen in meinen Augen für ein sehr hochwertiges und außergewöhnliches Programm in der heutigen durchformatierten Radiolandschaft steht. Bei einem Privatsender würde man wohl kaum den korrekten Gebrauch der Berufsbezeichnungen erwarten wollen und auch bei den ÖR ist das Wort "Triebfahrzeugführer" vermutlich eher fehl am Platze, aber irgendwo steckt ja doch noch der Bildungsauftrag drin und deshalb konnte ich einfach nicht umhin meine Meinung kund zu tun. Ich danke Ihnen für Ihre Antworten und wünsche Ihnen noch weiterhin gutes Arbeiten.

mit freundlichen Grüßen




In der folgenden Nachrichtensendung wurde dann nicht mehr von "Zugführer" sondern von "Lokführer" gesprochen. Für mich bleibt positiv anzumerken: Die Nachrichtenredaktionen der ÖR-Sender sind nicht grundsätzlich beratungsresistent.
 
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Sicherlich bin ich Ihnen recht unhöflich erschienen, dieses liegt aber lediglich darin begründet daß dieser Fehler sich schon seit Generationen durch die Nachrichtentexte zieht

Eigentlich nicht. Diese seltsame Sitte, einen Lokführer auf einmal „Zugführer“ zu nennen, ist kaum älter als zehn Jahre. Das Rätsel ist, wer eigentlich damit angefangen hat, wobei da der Vorstandsvorsitzende selbst im Verdacht steht.

Heutzutage stimmt es übrigens sehr häufig und der Lokführer ist zugleich auch Zugführer, weil außer ihm niemand oder nur eine in Belangen des Eisenbahnbetriebs nicht kompetente Person mit auf dem Zug ist. Ein Grund, von der altbekannten, nun wirklich jedem verständlichen Bezeichnung Lokführer („Triebfahrzeugführer“ ist Bürokratengeschwalle, zumindest teilweise obsoletes noch dazu) abzugehen und sich damit möglicherweise auf jemand ganz anderen als den Mann (oder, inzwischen garnicht so selten, die Frau) vorn auf dem Bock zu beziehen, ist das aber natürlich nicht.
__________


Ich habe inzwischen ein wenig über das Thema Afghanistan gelesen. Mich beschleicht nun der Verdacht, dem Bundeswehrverband gehe es in Wirklichkeit um den Vorgang mit den an der Straßensperre abgeknallten Zivilisten, denn immerhin ermittelt da die Staatsanwaltschaft. Wenn man sich auf den Standpunkt stellt, daß da kein Krieg herrscht, könnte man wohl auf die Idee kommen, von schlichtem Totschlag zu sprechen.
 
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In einem SWR2-Interview über das nach Auskunft der Korrespondentin bis dato eher enttäuschende Programm des Filmfestivals Venedig mußten meine entsetzen Ohren gestern folgende Frage der Moderatorin vernehmen: "Was ist denn noch zu erwarten an hoffentlichen Höhepunkten?"
 
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Bei vielem. was hier als "Sprachlotterei" bezeichnet wird, sehe ich ein ganz anderes Problem: Die Glaubwürdigkeit des Mediums.

Wenn, und das ist oft der Fall, schon dem normalen Nutzer auffällt, dass irgendetwas nicht ganz der Wahrheit entspricht, wie sieht es dann bei Beiträgen aus, deren Wahrheitsgehalt oder Richtigkeit nicht so ohne weiteres vom Konsumenten recherchiert werden kann? - Mangelnde Sorgfalt in der Arbeit kann hier ganz schnell auch gute Arbeit zunichte machen. Ist das den Verantwortlichen eigentlich bewusst?
 
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Erstmal eine Meinung zum Zug- und Lokführer: Ich finde die Reaktion der Nachrichtenredaktion ausgesprochen professionell. Zuerst eine (plausible) Erklärung, dann eine geräuschlose Korrektur und immer einen angenehm höflichen Tonfall. Das habe ich (von anderen Medien, die ich zu kritisieren oder zu korrigieren gewagt habe) auch schon anders erlebt, nämlich besserwisserisch, rotzig, abbürstend, unhöflich und uneinsichtig bis zur Sturheit.

Jetzt zu den "hoffentlichen Höhepunkten". Du musst doch zugeben, Makeitso, das war schon einer!
 
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