Die Sprachlotterei treibt neue Blüten

Behördendeutsch - immer wieder ein Schenkelklopfer! Wieso ist eigentlich noch kein Sender auf die Idee einer Comedyserie gekommen, bei der einfach nur jeden Tag ein neuer Paragraf oder eine neue Verordnung vorgelesen wird?
Damit wäre die Büchse der Pandora geöffnet. Fein gemacht, MF! :censored:

Ein Schulkamerad von mir sprach einmal, allerdings versehentlich, von "Evangolen"...
 


"Offizieller Haftbefehl gegen Ägyptens Ex-Präsident Mursi

Die ägyptische Staatsanwaltschaft hat Haftbefehl gegen den gestürzten Präsidenten Mursi erlassen. Das berichtet die staatliche Nachrichtenagentur Mena."

Beim MDR-Inforadio gehört: Normalerweise BEANTRAGT die Staatsanwaltschaft den Haftbefehl, ein Ermittlungsrichter ERLÄSST ihn oder auch nicht. Vielleicht ist es in Ägypten anders - oder aber der Redakteur ist noch Praktikant...
Ach so: Gibt es einen inoffiziellen Haftbefehl? Doch nur inoffizielle Mitarbeiter... Passt ja!
 
Noch Fachsprache oder schon Arroganz?
Eine Meldung aus der Welt der Börse:

Aktien/Börsen/Empfehlung/Standardwert/Deutschland/
»ANALYSE-FLASH: ICF errechnet erste Pivots für FDax bei 8.190 und
8.338 Punkten=

FRANKFURT (dpa-AFX) - Die Pivotpunkte für den Dax-Future (FDax)
<DAX.ETR> liegen der ICF Kursmakler AG zufolge am Montag als erste
Unterstützung bei 8.190 (Pivot Low) und als erster Widerstand (Pivot
High) bei 8.338 Punkten. Die zweite Pivot-Unterstützung erwartet den
aktiven September-Kontrakt bei 8.130 und der zweite Pivot-Widerstand
liegt bei 8.425 Punkten, wie Marktanalyst Klaus Stabel am Morgen
schrieb.

Pivot-Zahlen werden laut Stabel vor allem im täglichen
Eigenhandel genutzt. Die Grundidee des Pivot Tradings sei es, Käufe
zu tätigen, wenn der Pivot-Punkt von unten nach oben durchstoßen
wird, und respektive zu verkaufen, wenn ein Durchstoßen von oben nach
unten erfolgt. Dabei werden für den aktuellen Tag aus den Hoch-,
Tief- und Schlusskursen des Vortages die sogenannten Pivot-Punkte
berechnet. Diese zeigen Widerstände und Unterstützungen./mis
 
Der zweite Absatz versucht ja einigermaßen zu erklären, um was es im ersten Absatz geht. Dennoch entfernt sich die dpa bei dieser Meldung schon sehr weit von der journalistischen Grundregel, eine Meldung nur dann in Umlauf zu bringen, wenn ihr Sinnzusammenhang und ihre Relevanz in jedermann verständlichen Worten formuliert ist. Neben dem Fachgeschwurbel hat die Meldung ja noch einen weiteren, vielleicht viel gravierenderen Mangel. Sie löst bei mir unweigerlich die Frage aus: Und? Was heißt das? Ist das irgendwie bemerkenswert? Für mich hört es sich eher wie Tagesroutine an der Börse an.
 
Ja, der zweite Absatz ist erklärend, allerdings nicht für mich. Ich geb's zu. Habe das hier gepostet, weil dieser Text ein wunderbares Beispiel dafür ist, wie Fachsprache auch als Medium der Ausgrenzung benutzt werden kann - bewusst oder unbewusst. Wenn man als Agentur wie die DPA damit an die Öffentlichkeit tritt, muss m.E. der angenommene Nutzerkreis durch einfachere, auch erklärende Begriffe weiter gefasst sein.
 
[...] Ausgrenzung [...] - bewusst oder unbewusst. Wenn man als Agentur wie die DPA damit an die Öffentlichkeit tritt, muss m.E. der angenommene Nutzerkreis durch einfachere, auch erklärende Begriffe weiter gefasst sein.
... aber dann würde man vielleicht feststellen, daß der Informationsgehalt des „ANALYSE-FLASHS“ noch unter dem des berühmten Sacks Reis liegt.

Hier will sich m E nur die Firma ICF ins Gespräch bringen, wie sie mit pseudo-wissenschaftlichen Methoden angeblich die Unwägbarkeiten der Börse beherrscht. Was soll denn der Leser/Hörer dieser „Nachricht“ damit machen? Auch bei den genannten Punkten kaufen bzw verkaufen? Na, dann gratuliere ich herzlich, weil ICF im Zweifel schneller gewesen sein wird. Überhaupt kann ich die Heerscharen der Börsen-„Experten“, ob in Zeitungen, Hörfunk oder Fernsehen, nicht ernstnehmen. Der einzige, der an den ach so tollen Tips verdienen kann, ist der Tipgeber. Ansonsten gilt für die Börse Ähnliches wie für die Temperaturen: Es wird wärmer oder kälter; das hängt vom Wetter ab.

Ach so, da wir hier im Sprachlotter-Thread sind, kann ich gleich mein Unbehagen mit den Analysten zu Protokoll geben. Ich würde gern Analytiker hören, bin aber Realist genug, daß der Zug wohl, wie z B auch bei der DNA abgefahren sein dürfte...
 
Ach so, da wir hier im Sprachlotter-Thread sind, kann ich gleich mein Unbehagen mit den Analysten zu Protokoll geben. Ich würde gern Analytiker hören, bin aber Realist genug, daß der Zug wohl, wie z B auch bei der DNA abgefahren sein dürfte...

Laut Duden unterscheiden sich die beiden Herren in ihren Fachgebieten. Der eine an der Börse, der andere bevorzugt in den Tiefen der Psychoanalyse.
Der Begriff des Analytikers kann auch in anderen Fachgebieten angewendet werden, offenbar jedoch nicht an der Börse, weil dort - folgt man der Argumentation der Duden-Redaktion konsequent - nicht zwingend analytische Methoden zur Anwendung kommen.

Daraus folgt im Umkehrschluss: Während man vom Analytiker ein Vorgehen nach analytischen, folglich: wissenschaftlichen Methoden und Standards erwarten darf, ist dies an der Börse keine zwingend nötige Voraussetzung.
Um diesen Sachverhalt einer sprachlichen Ab- und Ausgrenzung zuzuführen, wurde der Begriff des Analysten erschaffen.
(Nächtliche These aus den Tiefen des Hefeteichs :D )

Letztlich ist es eine Beförderung nach dem Peter-Prinzip: Man gibt einer weniger wertvollen Position einen aufregenden Namen und entsorgt hierzu passende Mitarbeiter dorthin. Das erklärt auch die wahnsinnig aufregenden Kommentare der Analysten zu für Otto Normalkäufer irrelevanten Themen in diversen Funk- und Fernsehformaten.

Notiz an mich: Wikipedia weiß zu berichten, dass das Peter-Prinzip beim Hessischen Rundfunk als Hörspiel existiert.
Unter der Regie von Ulrich Gerhardt entstand 2008 die Produktion des Hessischen Rundfunks Das Peter-Prinzip mit den Sprechern Hans Peter Hallwachs, Graham F. Valentine und Dagmar Manzel.
(http://de.wikipedia.org/wiki/Peter-Prinzip#Das_Peter-Prinzip_als_H.C3.B6rspiel)

Worum ging es? Ach so, keine Sprachlotterei, verehrter Hinhörer, sondern die Rache der sprachlichen Spitzfindigkeiten.
 
Man hält es im Kopf nicht aus:
Radio Hamburg (wirtschaftlich einer der erfolgreichsten Privatradios des Landes) bietet auf seiner Seite ein Praktikum an
Dieser Fehler ist mittlerweile wirklich allgegenwärtig; man könnte fast glauben, er werde langsam zur angesagten Mode à la „hier werden Sie geholfen“.
 
Darf das wahr sein? Gestern im ZDF-Heute-Journal ein peinlicher Patzer: Xkeystore falsch ausgesprochen - keystore richtig - und (ratet bitte!) - "Ix" statt "Ex".

Ich wundere mich nicht, wenn Schnarchnasen die Unterschichtensendung X-Diaries stringent falsch aussprechen. Aber wer arbeitet bei Heute und kann kein Englisch? Wer macht in Mainz die Beitragsabnahme und lässt so einen Patzer durchgehen? Wenn man kein Englisch kann: einfach einen Mitmenschen fragen.
 
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Nicht lachen! ;)

Es ist ja nicht so, daß man "Xkeystore" auf gewissen Sites nicht findet... N24, ORF, Deutsche Welle, Handelsblatt, Radio Hamburg...

Ich tippe, daß in irgendeiner Agenturmeldung dieses falsche Wort auftauchte.
 
gestern Abend schon wieder im Heute-Journal, diesmal vom ehemaligen USA-Korrespondenten himself:"IX" statt "EX"keyscore.

Wahrscheinlich denkt das ZDF, wir sind so wichtig, dass wir die Aussprache selbst festlegen. Aus "falsch" wird auf diese Weise "richtig" - um dem Onkel etwas Polemik zum Wochenende zu liefern.

Erinnert an "Juro-Hohk" bzw. "Euro-Hafk"
 
Das ärgert mich allerdings mittlerweile echt. :rolleyes:..."Jurohohk", "Euro-hohk".............letztens hörte ich so etwas wie Euro-Hulk............:wow:.............dachte da schon an Lou Ferrigno...................:D....................leichtes Off-Topic :) Meine Ma (Jahrgang 1933 +)...die sagte immer statt "New York" "Jujork"..............ich habe es von 1984 - 2008 (dem Todesjahr) nicht geschafft, ihr die richtige Aussprache beizubiegen.............Los Angeles, Manhattan etc. waren ja auch kein Problem....aber "Jujork" blieb "Jujork" :)
 
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