Ich möchte an dieser Stelle auf einen von der Gegenstromanlage aufgeworfenen Aspekt eingehen:
Soll das deutsche Radio US-Konzernen komplett den Markt überlassen? Ich sage nach wie vor "nein", die meisten meiner Kollegen sagen dagegen "ja". Da will man weiter machen wie bisher, am liebsten noch 20 Jahre. Die Haltung ist "Dieses Scheiß Internet, warum geht das nicht mehr weg??" Ich sage, wir brauchen ein eigenes Streamingangebot mit Synergieeffekten mit dem klassischen Radio, sprich: Personality! Aber damit stößt man sowohl bei den Kollegen, aber erst recht bei den Gesellschaftern auf taube Ohren!
Wo sollen denn da noch Gewinne erwirtschaftet werden: Es gibt mehr als 50.000 Webstreams im Shoutcastverzeichnis; - die meisten ohne Hörer!
Spotify hat einen Songpool von über 30 Millionen (siehe:
https://press.spotify.com/au/information); - wie sollen Verlegerradios die gefühlte 30 Titel in der Rotation haben, ein attraktives Zusatzangebot schaffen?
Ist die Zeit, um auf diesen Zug aufzuspringen, nicht bereits abgelaufen und sollte sich der Rundfunk nicht eher wieder auf seine Wurzeln besinnen, d.h. auf die Schaffung von Personality, verbunden mit einer abwechslungsreichen Musikauswahl?
Bei "Personality" denke ich an dieser Stelle gerade nicht an den Hörer, sondern an die Qualitäten der Moderatoren, wie an die der Musikredakteure, die durch die Gestaltung der Musikmischung einem Programm ebenso eine eigene Prägung geben können, wie die Leute hinter dem Mikrofon.
Ein Angebot, bei dem der Hörer nicht nur die Musik, sondern auch die Themen der Wortbeiträge auswählen kann, so wie es der Gegenstromanlage offenbar vorschwebt, würde einen der letzten grundlegenden Vorteile des Rundfunks preisgeben: die Einfachheit.
Wer Radio hören möchte, muss vor dem Konsum eben nicht warten, bis das betreffende Gerät hochgefahren ist, um anschließend umständlich einen Touchscreen zu bedienen. Dieses Plus sollte nicht verspielt werden.
Warum war Radio Luxemburg in den siebziger und achtziger Jahren so erfolgreich? - Einfach zu sagen: "Weil es damals noch keinen Privatfunk und kein Internet gab und man bei den öffentlich-rechtlichen Sendern vor Langeweile fast einschlief", greift zu kurz.
Da ist zwar was Wahres dran, aber die eigentliche Ursache liegt m.E. an einer anderen Stelle: Weil die ein verdammt gutes Programm gemacht haben, das den Hörer durch den Tag begleitet hat, ohne dass ihm die Inhalte mit der Zeit auf die Nerven gingen!
Da müssen wir, denke ich, wieder hin, wenn der Rundfunk eine Zukunft haben soll.
Es kommt also gar nicht in erster Linie auf die Übertragungstechnik an, sondern auf die Inhalte.
Zu sagen: "Wir schalten dann man in einem lokalen DAB-Multiplex ein paar Festplatten auf; mal gucken, wie die Resonanz darauf ausfällt", genügt ebensowenig. Jeder kann sich heute Musik auf seine SD-Karte ziehen und hat damit eine größere Auswahl als bspw. bei 80s80s. Ein Programm wie BHeins geht dagegen in die richtige Richtung. Die scheinen erkannt zu haben, worauf es ankommt.