AW: Funkhaus historisch: Nalepastraße
So, ich war heute abend in der ADK und habe mir das
Subharchord angesehen. Die
Ausstellung läuft noch, immer Dienstag-Sonntag 11-20 Uhr. Man muß nichtmal Eintritt bezahlen, denn das Subharchord steht im Keller. Einfach zum Brandenburger Tor fahren, in die ADK (zwischen Tor und Hotel Adlon) rein und gleich links durch die Glastür, die Treppe runter (Ebene -1, inoffiziell auch Ebene -2, da kommt man näher an das Instrument ran). Das Subharchord steht dort wie auf einem Thron unnahbar, wird angestrahlt und spielt sehr sparsame Tonfolgen und Geräusche (man hat MIDI eingebaut), die in einer Art Interferogramm in Echtzeit an die Wand projiziert werden. Trotz der eher bescheidenen Akustik in diesem Betonbunker (sieht nach Baustelle aus) lassen sich Stellen finden, an denen man einen Eindruck vom Frequenzumfang dieses Instruments bekommt. Ja, es gibt auch Tiefbass und Höhen, die die Walkmangeneration vermutlich nichtmal mehr hören kann
Anhand einiger Fotos vom Innenleben des Gerätes konnte ich erkennen, daß man bei der Restauration zumindest die Elkos hat wechseln müssen. Sicherlich ausgetrocknet - sind eindeutig neue drin.
Interessant war vor allem, das Publikum zu beobachten. Die meisten verirren sich vermutlich nur auf der Suche nach der Toilette in den Keller. Sie schauen dann kurz auf das angeleuchtete Instrument, lesen auf dem Schild etwas von Videoinstallation, schauen eine Minute lang auf die Wand, auf der nichts passiert (weil das Instrument gerade nicht spielt), finden das dann doof, drehen sich um und wollen gehen. In genau diesem Moment spielt das Subharchord los und über die Wand laufen bizarre schwarzweisse Muster. Die Besucher merken das nicht, denn sie stehen mit dem Rücken zur Projektion. Daß das Instrument gerade das tut, wofür es konstruiert wurde, nämlich Geräusche und Töne von sich zu geben, scheinen sie gar nicht wahrzunehmen, denn sie bleiben nicht etwa stehen oder kehren gar um, nein, sie verlassen den Keller. Besucher, die den Raum betreten, während das Subharchord spielt, bleiben kurz stehen, schauen sich die Projektion an, finden sie langweilig (klar, jede Lasershow knallt besser) und verschwinden ebenso. Ich muß zur Kenntnis nehmen, daß wir offenbar in einer rein visuellen Welt leben, und die muß dann auch noch Spektakuläres bieten. Für akustische Reize scheint die Mehrheit nicht mehr sensibel zu sein. Sollte mich nicht wundern, wenn da auch Besucher mit Walkman-Schmalzbohrern vor dem Exponat stehen und sich fragen, was der Quatsch soll. Wirklich sehr schade...
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Ebenfalls hochinteressant war die Heimfahrt und das Beobachten der Leute auf dem Weg. Kurz vor dem Eintauchen in den S-Bahn-Tunnel noch regenschirmhaltende Hotel-Boys an Luxuskarossen gesehen, in die gerade irgendwelche abgedrehten Endzwanziger steigen, kurze Zeit später das
andere Berlin auf dem S-Bahnhof Schöneberg. Ein Viehtransporter (
Baureihe 485) fährt ein, Ringbahn, prall gefüllt mit - Fußballfans. Die Türen öffnen sich und es klingt gleich auch nach Viehtransporter, Gröhlen und Blöken - für irgendwas müssen die
unsäglichen Züge der BR 485 ja gut sein. BGS-Beamte an jeder Tür in jedem Wagen versuchen sich als Dompteure. Ich zog es vor, diesen Zug fahren zu lassen und wartete auf den nächsten. Wieder so ein Schrotthaufen von Zug, und ja, auch er erfüllt von dieser schmierigen Melange aus Kotze, Alk und ewig nicht gewaschenen Klamotten, die so typisch für die Berliner S-Bahn ist. Man mag nichtmal den Türöffner-Knopf anfassen, so ähnlich siffig muß das Sendepult einer jungen, frischen ARD-Jugendwelle aussehen, von dem man erzählt (2 unabhängige Quellen!), es gäbe Moderatoren, die das immer desinfizieren, bevor sie da rangehen. Und erst die Fahrgäste: ganze Familien (inklusive Frau und Kind), die fettleibigen Erwachsenen mit Bierflasche, auf dem Weg vom Fußball nach Hause. Beleidigt aussehende junge Frauen in knallengen Tarnhosen, aus denen gepiercte Bauchnäbel quellen - ach Kinners, Berlin hat schon was ganz besonderes, etwas, das bei mir stets den Fluchteffekt auslöst
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Schönen Abend - und fahrt nicht Ringbahn, sondern hört Euch das Subharchord an. Die Ausstellung läuft noch bis zum 28. August.