Ach ja Webradios. Wie viele Webradios außerhalb von Laut FM gibt es übrigens noch?
Überraschend viele. Nur lässt sich über deren Qualität - auf welcher Ebene auch immer - trefflich streiten.
Laut FM fördert einen bemerkenswerten Trend, den wir aber schon vergleichbar in der Hoch-Zeit der Webradios beobachten konnten: Man trennt sich vom bisherigen Sender aus vielfältigen Gründen und sendet dann aber als Einzelkämpfer|in bei Laut FM auf der angeblich eigenen Station.
Während früher Moderator|inn|en oder sogar Gruppen zu anderen Sendern wechselten bzw. im Extremfall ein neues Radio eröffneten (welches dann auch nur eine Kopie des bisherigen war), so haben wir es nunmehr statt mit Gruppen mit lauter Einzelkämpfer|inne|n zu tun.
Dem entsprechend ist auch der Content: Vielleicht 4 Stunden pro Woche Liveprogramm, der Rest ist Automation, deren Musik ja bei Laut FM "einfach so" zur Verfügung steht. Bequemer geht's doch gar nicht.
Radio betreiben durch Nichtstun, aber hey, ich habe ein Webradio.
Ganz schlaue Betreiber|innen schließen sich mit anderen Betreiber|inne|n zusammen und bilden einen "Senderverbund", in dem sie sich ihre Inhalte zu bestimmten Zeiten gegenseitig aufschalten. Wieder andere versorgen in einer Livesendung gleich mehrere angeschlossene Stationen.
Da hätte man ja eigentlich auch wieder ein eigenes Radio gemeinsam eröffnen können, so wie früher.
Es ist das Abbild der Ego-Gesellschaft: Jede|r ist sich selbst der/die Nächste und lässt sich von anderen nichts sagen. Es fehlt der Wille, ein gemeinsames Projekt unter der Führung einer Person (oder eines Vorstandes, beim Verein) ebenso gemeinsam voran zu bringen.
Ein Kommunikationskanal zu seiner Community. Ach was sag ich - überhaupt eine Communityplattform. Und diese zu betreuen.
(...)
Chat, Forum, Twitch, Reddit, Onsite, Off-site, ganz egal: Es muss betreut, gepflegt und eingebunden werden in *jede* Sendung.
Da bin ich skeptisch. Mit der Zahl der Rückkanäle wird es auch stressiger.
Es sollte darauf ankommen,
wie diese Community gepflegt wird.
Als Vertreter der "alten Schule" sage ich: Erst die Sendung, dann das Drumrum. Ein|e Moderator|in hat die Aufgabe, seine bzw. ihre Sendung zu fahren, und zwar ordentlich. Das ist, wenn man es richtig macht, schon genug Arbeit, auch wenn die Ausspielsoftware einen mittlerweile hervorragend dabei unterstützt.
Erst
dann kümmere ich mich um z. B. um den Chat.
In dieser Beziehung sind die interaktiven Hörer|innen recht anspruchsvoll und fühlen sich (zu) schnell vernachlässigt, wenn man nicht umgehend reagiert.
Kommen dann noch weitere "Störfaktoren" hinzu, könnte - nicht: muss - die Qualität der Sendung durch Ablenkung und Stresspegel steigen.
Beispiele:
- Es wurde mal gefragt, wie man WhatsApp-Audio spontan ins Programm einbinden könne.
- Manche Moderator|inn|en erachten es für selbstverständlich, parallel zu ihrer Sendung im TeamSpeak zu diskutieren.
- Ein Fall ist mir bekannt, da hat ein Moderator während der Sendung ein Online-Spiel gespielt ("gezockt").
- Ein Radiosender hat seinen Fokus derart auf twitch (oder einen anderen Videokanal) verlegt, dass der Audiostream mittlerweile vollkommen in den Hintergrund gerückt ist. Die ersten fünf bis zehn Minuten nach einem Moderatorenwechsel vergehen damit, Audio und Video live, für alle Zuhörer|innen hörbar, synchron zu bekommen, und der Rest der Moderation bezieht sich dann überwiegend auf das optische Geschehen. Hört man hingegen nur den Audiostream, der fast schon nicht mehr ordentlich gepflegt wird, ist man, wie es heute so schön gesagt wird, lost.
Es ist ja erfreulich und bemerkenswert, wie viele Multi-Tasker sich mittlerweile auf dem Gebiet tummeln zu sein scheinen, aber die Neurowissenschaft spricht da eine andere Sprache. Für mich ist es Konzentrationssache genug, die Sendung zu fahren, den Bildschirm mit allen informativen Elementen im Blick zu haben und zugleich ein ordentliches Produkt abzuliefern.
Alles andere drumrum soll mir doch bitte ein|e Assistent|in zurufen bzw. moderationsfertig anliefern. Im günstigsten Fall ist das eben Freund oder Freundin mit dem gleichen Herzblut für das Hobby.
Ob der SAM nun eine Raubkopie ist oder legal erworben wurde, weiß ich als Hörer eines solchen Senders nicht.
Ich stimme dir insoweit zu, als allein das hörbare Ergebnis bewertet werden sollte. Und ich kann mich an Sendungen erinnern, die mit SAM und einem günstigen Headset gefahren wurden und auf jeden Fall einen "Wow!"-Effekt auf mich hatten. Das streite ich gar nicht ab.
Nur: Wer seine Energie in gecrackte Sofware und geklaute Musik steckt und sich einen Dreck um Lizenzen und Urheberrechte schert, dem spreche ich die Liebe, das Herzblut und ein hörbares Engagement im Sinne der Hörer|innen ab. Da geht es gar nicht mehr um die gute Sendung selbst.
Für mich war das Medium Webradio eigentlich immer nur ein Medium zum Kennenlernen neuer Musik eher abseits des Mainstreams. Ich war immer auch an den eher "DIY"-orientierten Leuten interessiert, und die großen Sender spielten das einfach nicht.
Ich bin der Überzeugung, dass es diesen Hörertypus auch heute noch gibt. Er (
der Typus, kein Gender!) tritt nur eben nicht so laut auf, auch in Chats nicht. Daher wird er von den meisten Radios und Moderator|inn|en nicht so umgarnt.
Er gerät viel zu schnell aus dem Fokus, und das ist der Kardinalfehler vieler Webradios. Durch Community und Chat entsteht eine Echokammer bzw. Filterblase, die eine offene Weiterentwicklung des Radios blockiert.
Diese|r unbekannte Hörer|in, von dem man mangels Rückleitung nichts weiß, das ist doch das Salz in der Suppe.
In älteren Beiträgen von mir wirst du die Forderung finden, die Anzeige der Hörer|innen|zahl während der Sendung auszuschalten. Wenn du auf UKW sendest (und sei es nur für eine Funzel), erfährst du es live ja auch nicht.
Wer nun feststellt: Hörer|innen|zahl = Anzahl der Chatter|innen, der bzw. die sendet für seine/ihre Radiofamilie und dessen Programm wird dadurch erfahrungsgemäß für externe Hörer|innen uninteressant. Du gehst ja auch nicht in eine Gastwirtschaft und setzt dich einfach so an einen Stammtisch hinzu.
Ein Radio sollte
immer einladen, dabei zu sein, ohne zwingend zur Aktivität aufzurufen. Wenn dein Programm darauf ausgerichtet ist und eben nicht nur auf besagten Stammtisch, wird es auch für andere Hörer|innen interessant. Zwar nicht sofort ab der ersten Sendung oder ab der Umstellung, aber eben auf Dauer.
Soll heißen: Öffne deinen Stammtisch bzw. lasse ihn gewähren, aber es geht auch ohne.
Bei der Gelegenheit:
Neuer Hörer, neuer User? Begrüßen, Namen nennen, je nach Situation sogar im STream (scheiße, deine 20 Zuhörer werden dadurch nicht ausschalten, wenn du ZWISCHEN den Titeln mal jemanden begrüßt).
Nein, da gehe ich nicht d'accord. Das ist dann doch wieder dieser Typ "Familienradio", auf das ich später nochmal zurückkomme.
Ich empfinde diese Art der Präsentation als einfach nicht mehr zeitgemäß.
Es gibt sicher intelligente Methoden, Hörer|innen namentlich zu erwähnen, aber das braucht schon ein gewisses moderatives Geschick, das vielen "Modis" augenscheinlich fehlt.
Exkurs:
Angenommen, jemand möchte neu mit dem Hobby "Radio" beginnen. Wo und, wichtiger, von wem kann er/sie das lernen? Woher wissen, wer ein|e gute|r Anleiter|in ist und wer nur ein Heißluftgebläse ist?
Ich wüsste spontan keine Antwort.
Exkurs Ende.
Ein Shure SM58 etwa kostet gut 100 € und hält jahrzehntelang - sowas ist z. B. eine sinnvolle Investition fürs Hobby.
Da sind sie wieder, diese aus der Hüfte geschossenen "Empfehlungen", die die Szene einfach nicht voran bringen - auch, wenn du dieses Mikrofon jetzt lediglich als Beispiel anbringst. Der Name ist, mal wieder, prominent gefallen.
Zu Unrecht, wie ich finde.
Auf dem technischen Sektor hat sich in den vergangenen Jahren so derartig viel getan, dass Ratschläge von anno tobak einfach nicht mehr sinnvoll sind.
Schon in älteren Beiträgen habe ich immer wieder dazu geraten, erst einmal die Bedürfnisse, die räumlichen und persönlichen Verhältnisse sowie das Budget des Rat suchenden Menschen abzuklopfen.
Im direkten Vergleich von vier dynamischen Mikrofonen ("shootout") brauchte es in meinem Fall bis zu zwanzig Tests (inkl. Popschutz-Varianten), um herauszufinden, wie ich im Radio gehört werden möchte.
Ergebnis: Ein Moderationsmikro, ein Sprechermikrofon (das auch als Gastmikrofon dienen kann) und eine Reserve für Notfälle. Das SM58 fiel hinten runter. Es passt einfach nicht zu meiner Stimme, ich höre mich damit nicht gut an. So etwas fällt aber nur auf, wenn man mich auch schon mal mit einem anderen Mikrofon gehört hat.
Umgekehrt habe ich neulich einen wirklich guten Moderator gehört, dessen Mikrofonwahl jedoch falsch zu sein schien. Weiterhin habe ich Kontakt zu jemand, den ich gerade von einem Mikrofonwechsel überzeugen möchte, um seine Stimme etwas präsenter "zu machen" (erscheinen zu lassen).
Und wenn neue Mikrofone auf den Markt drängen, geht die Hinterfragerei wieder von vorne los.
Merke: Es ist nicht immer der Preis und nicht immer die Marke, geschweige denn der Wandlertyp, die Bauform oder der vom Hersteller angedachter Einsatzzweck.
Was ist mit "schlechten MP3-Rips aus den 2000ern" gemeint? 128 kbit/s ist seit 20 Jahren der de-Facto-Standard. Und da klingt ein Rip heute nicht anders als damals.
Rein technisch
könntest du recht haben.
Dennoch dreht sich auch hier die Welt weiter.
Mittlerweile senden mehr Stationen als früher mit 192 kbps mp3, auch wenn das ausgesendete Signal so eine Bandbreite im Grunde nicht verdient hat. Oder man verwendet Opus mit niedrigerer Bandbreite, aber besserer hörbarer Qualität ((nicht nur) mobile Streams!). Da merkt man gewisse Sauereien.
Weiter: Vor 20 Jahren und sogar noch früher war Mp3gain
das Allheilmittel für gleichmäßige Lautheit. Blöderweise wurde da gerne mit Fantasiewerten jenseits von gut und böse gearbeitet, was man der physisch veränderten Audiodatei dann mitunter auch angehört hat.
Mp3gain ist jedoch auf dem Stand von 2005 stehengeblieben und wird nicht mehr weiterentwickelt, während der ursprünglich von der gleichen Basis ausgehende Algorithmus - replaygain - stetig verbessert wurde und mittlerweile sogar das "
prevent True Peak clipping" beherrscht.
Hinzu kommt, dass angesichts der Verfügbarkeit großer Datenspeicher zum erschwinglichen Preis FLAC für neue Rips zunehmend attraktiver wird. Aus heutiger Perspektive wird er mp3 zwar (noch?) nicht den Rang ablaufen und mp3 wird noch lange als ein Quasi-Standard angesehen werden, aber die digitale Audio-Welt befindet sich im stetigen Wandel. Verlustbehaftete Codecs dürften mittlerweile als grundsätzlich veraltet angesehen werden.
Natürlich kann man auf dem Stand von einem Shure SM58 und 128er mp3s stehenbleiben, aber man darf dann schon hinterfragen, ob man sich als Vorbild für den ernsthaft interessierten Nachwuchs, gleich welchen Alters, eignet.
Stell' dir mal vor, wenn die
Boomer in Rente gehen und anfangen, Radio zu machen: Definitionsgemäß gelten sie zwar als
Digital Immigrants, die jedoch nicht langwierig an neue Technologien herangeführt werden müssen, weil sie oftmals ein Berufsleben lang damit gearbeitet haben und zusätzlich über einen erweiterten Horizont verfügen, gepaart mit profundem Musikwissen.
Dann kannst du mit Technologien von vor zwanzig Jahren getrost einpacken.
Im Webradio sehe ich nach wie vor ein unausgeschöpftes Potenzial, und es werden zukünftig Betreiber|innen hinzukommen, die mit einem anderen Selbstverständnis ihrem Hobby nachgehen werden. Ich erkenne bereits erste interessante Entwicklungen und bin auf das hörbare Ergebnis gespannt.
Meinen nächsten Beitrag, sollte ich mich hier erneut so auslassen, schreibe ich wieder im generischen Maskulinum. Alle anderen dürfen auf andere Sender umschalten. 