Aus der Entfernung melde ich mich jetzt auch mal dazu.
Zunächst einmal muss ich anmerken, dass ich schon lange gefordert habe, dass die ARD-Landesrundfunkanstalten ihre UKW-Sendernetze neu sortieren sollen, um Überversorgungen abzubauen und mehr Programme auf UKW zu ermöglichen. Einen Widerspruch zum DAB+-Ausbau sehe ich darin auch nicht; im Gegenteil bin ich der Meinung dass es DAB+ nützen würde, würden mehr Programme auf jeweils weniger UKW-Frequenzen verbreitet. Dadurch würden diese erst bekannt, und könnten eine Nachfrage nach DAB+ zum Empfang dieser Programme außerhalb des UKW-Gebietes entstehen lassen. Die zuverlässige mobile Versorgung in der Fläche würde dann nicht mehr über die UKW-Überversorgung, sondern durch DAB+-Gleichwellennetze sichergestellt.
Auch die Idee, eine Kulturwelle von UKW herunterzunehmen (um sie digital weiterzuverbreiten), ist nicht neu, die gab es schon in den Niederlanden (NPO Radio 4 --> FunX) und in Bayern (BR-Klassik --> on3radio), und in Dänemark ist letztes Jahr sogar so etwas ähnliches durchgeführt worden: eine der vier Frequenzketten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wurde an den Privatfunk abgetreten; seitdem werden das Kulturprogramm und das Informationsprogramm nicht mehr auf zwei getrennten, sondern zeitparagiert auf einer UKW-Kette verbreitet. Über DAB, was in Dänemark wesentlich verbreiteter ist, sind beide Programme nach wie vor 24 Stunden am Tag verfügbar. Den umgekehrten Fall einer Frequenzumwidmung, nämlich weg vom Jugend- und hin zum Kulturradio gab es 1990 in der Noch-DDR, als auf der DT64-Frequenzkette plötzlich der RIAS aus Berlin quäkte. Proteste der DT64-Hörer führten dazu, dass der Spuk schon nach einem Tag wieder Geschichte war.
Bin ich aber glücklich, mit dem, was in Hessen passiert ist?
NEIN! Denn der hr zeigt, wie man es nicht machen sollte. Das fängt schon bei der Kommunikation an. Um 13 Uhr bekanntzugeben, dass um 14 Uhr die Hälfte der UKW-Frequenzen abgeschaltet wird, zeugt entweder von einer kalkulierten Überrumpelungsstrategie oder von einem spontanen Schnellschuss - oder einer Kombination aus beidem. Der HR hätte natürlich eine Frequenzumwidmung, erst recht von diesem Ausmaß, mit deutlichem Abstand vorab kommunizieren müssen, um den Hörern die Möglichkeit zu geben, sich darauf einzustellen; um vorab testen zu können, ob der Empfang auch zukünftig noch gewährleistet ist (über eine alternative UKW-Frequenz, über DAB+, über Kabel/DVB-x/Internet...), und ggf. ein neues Radio zu kaufen. Gerade die hr2-Hörerschaft dürfte finanziell durchaus in der Lage sein, sich ein neues Radio zu kaufen, nur "überzeugt" man seine Kunden nicht, indem man sie in dieser Weise "anpisst". Als der hr vor sieben Jahren drei Kleinstsender in der Rhön von YouFM nach hr-info umstellte, schaltete er extra einen Sonderkanal über DVB-S auf, um die Hörer zu informieren. Man weiß also eigentlich, wie man kommuniziert; hier hat man die Kommunikation wohl bewusst unterlassen. (Zur Erinnerung: Das Unternehmen hr, das hier nicht kommuniziert, ist ein MEDIENunternehmen.)
Dass Hessen durchaus Potential für Protest hat, zeigte sich schon im Rahmen der 2004er-Reformen, insbesondere in der Aktion "Rette Dein Radio", die sich vor allem gegen die Umformatierung von hr1 vom Einschaltradio zum Oldiedudler und insbesondere gegen die Einstellung der Sendungen "Schwarz-Weiß" und "Der Tag" richtete. Der Protest hatte insofern Erfolg, als "Der Tag" nicht eingestellt, sondern zum Kulturprogramm hr2 verschoben wurde. Damals berichteten aber auch die Medien, sogar die überregionalen, über die Reformen am Dornbusch. Der jetzige Frankfurter Schlag ist selbst in der Medienszene nur teilweise und außerhalb noch gar nicht wahrgenommen worden.
Aber die Frequenzumwidmung ist offenbar auch schludrig gestaltet: Ich kenne zwar die Situation "vor Ort" nicht, aber ein bisschen Rumspielerei mit FMScan deutet darauf hin, dass an vielen Orten v.a. in Mittelhessen nun eine You-FM- und hr-info-Überversorgung mit einer hr2-Unterversorgung einhergeht. Beispiel Marburg: Hier listet FMScan für hr-info und YouFM jeweils drei UKW-Frequenzen mit einer Feldstärke von mindestens 70 dBµV auf. Die stärkste hr2-Frequenz in Marburg kommt vom 70km entfernten großen Feldberg und hat noch 69 dBµV, was vor Ort angesichts der Topographie vermutlich an einigen Stellen zu Einbrüchen führt. Schön für die BWLer an der Uni dort, schlecht für die Kunstgeschichtler. Selbst unter der Prämisse, dass die Frequenzketten von hr1, hr3 und hr4 nicht angerührt werden dürfen, hätte man hier sicherlich ein besseres Ergebnis erreichen können. Vielleicht ist der hr doch zum nachbessern bereit?
Denn die Lückenhaftigkeit des hr2-Netzes kommt natürlich auch daher, dass ausschließlich hr2 Frequenzen abgeben musste - hr1, hr3 und hr4 dürfen ihre Netze in vollem Umfang behalten. Hätte man alle hr-Programme miteinbezogen (oder, nach niederländischem Vorbild gleich sämtliche hessischen UKW-Programme), hätte man ein wesentlich ausgeglicheneres Ergebnis erzielen können. Das wiederum deutet darauf hin, dass beim hr vor allem kommerzielle Interessen eine Rolle gespielt haben. Hörfunkwerbung spielt für den hr eine größere Rolle als für die meisten anderen Landesrundfunkanstalten: Aufgrund der zentralen Lage in Deutschland steht man fast überall diesseits und jenseits der hessischen Landesgrenze im ARD-internen Wettbewerb. Fünf der sechs hr-Programme senden Werbung, auch das Jugend- und das Nachrichtenradio, hr3 darf aufgrund einer Großvaterregelung sogar noch nach 20 Uhr Werbung senden; nur die teuerste Welle, der Zweier, der ist werbefrei. Dass der HR die einzige Landesrundfunkanstalt ist, die einst auch Werbung im Dritten Fernsehprogramm ausgestrahlt hat, passt da ist Bild. Wenn hr2-Hörer nun zu SWR2, WDR 3, BR-Klassik oder MDR-Figaro wechseln, so tut das dem hr nicht weh; diese Hörer zahlen weiterhin ihre Rundfunkgebühren nach Frankfurt, auch wenn ihr Programm nun aus Baden-Baden, Köln, München oder Halle kommt. Umgekehrt schielt der HR offenbar auch auf neu zu gewinnende Fremdhörer: In Nordrhein-Westfalen gibt es bislang kein Nachrichtenradio vom WDR; nun sendet eines mit 100kW direkt hinter der Landesgrenze in den Westen hinein. Im Höhenlohischen und in Nordbaden ist zwar der SWR zuständig, DasDing ist aber auf UKW so gut wie nicht zu empfangen; nun stößt YouFM in die (Markt-)Lücke.
Dass FFHilmoth nun gegen die Frequenzrochade protestiert und sich auch an die Landesregierung wendet, war so vorhersehbar wie das Amen in der Kirche. Natürlich geht es dem Geschäftsführer dabei nicht um die Interessen der hr2-Hörer, sondern um die wirtschaftlichen Interessen seines eigenen Unternehmens; aus dem gleichen Grund protestiert er auch seit Jahr und Tag gegen den hr-Flachfunk. Bislang lagen YouFM und planet-radio in der Frequenzversorgung etwa gleich auf; als der hr 2005 die Rimberg-Frequenz von hr3 an YouFM verschob, zog FFH sobald nach und gab seine Eisenberg-Frequenz an sein jüngeres Schwesterprogramm ab. Nun aber päppelt der hr seine Jugendwelle mit einem Reservoir auf, dass der FFH-Gruppe nicht zur Verfügung steht. Die Folge ist, dass You-FM nun deutlich besser als planet-radio versorgt ist. In weiten Teilen Hessens ist You-FM nun auf UKW Jugendradio-Monopolist; und ich kann mir tatsächlich vorstellen, dass ein Gutteil der motorisierten Planet-Radio-Hörer nun außerhalb des planet-UKW-Bereichs auf You-FM umschaltet, und dann, wieder daheim, vergisst, wieder auf planet-radio zurückzuschalten. Logische Folge: Ein Hörergewinn von YouFM zulasten von planet-radio, ohne dass sich YouFM irgendwie inhaltlich besser sein müsste; es reicht für den hr aus, auf YouFM das gleiche zu bieten wie die FFH-Gruppe auf planet-radio, nur mit besserer UKW-Versorgung. Das hat doch schon mit "hr1 vs. harmony-fm" so gut geklappt.
Wie es nun weiter geht? Ich weiß es, ehrlich gesagt, nicht. Bislang bin ich immer davon ausgegangen, dass Landesmedienanstalten Umwidmungen von Frequenzen genehmigen lassen müssen, auch wenn sie innerhalb des eigenen Hauses geschehen. Das kann sich aber im jeweiligen Landesrecht unterscheiden. Problematischer für die Position des hr scheint mir da zu sein, dass hr2 im Landesmediengesetz (bin gerade zu faul, das rauszusuchen) meiner Erinnerung nach zusammen mit hr1, hr3, hr4, FFH und dem Deutschlandfunk eine priviligierte Position einnimmt. Dieser Passus, von dem der hr bislang immer profitiert hat, könnte sich nun gegen den hr wenden, würde das Gesetz so ausgelegt, dass der hr zur flächendeckenden (UKW-)Versorgung von hr2 verpflichtet ist. Vielleicht gibt es auch einen Kompromiss, z.B. wonach der FFH seine Frequenzen freier belegen darf und den Erstzugriff auf die 98,7 bekommt, wenn sie denn mal irgendwann frei wird. Eine schnelle Klärung für die Hörer wird es aber so schnell nicht geben. Weil der hr sich auch nicht zu DAB+ bekennen mag, ist der Hörer in Hessen, nicht nur der von hr2, nun aber völlig im Unklaren darüber, wie er in fünf oder zehn Jahren noch Radio empfangen kann. Das kann eigentlich niemandes Interesse sein, noch nicht einmal von FFHilmoth oder Mr. HR (Helmut Reitze).