@ K6
Neu in der Frankfurter Rundschau zum Thema hr2:
An den Stäbchen feilen
Die Kulturwelle hr 2 hat ihr Programm umgebaut: Neu ist das Magazin "Mikado"
Von Wilhelm Roth
Viele Radionutzer sind Gewohnheitshörer, manche organisieren sogar ihren Tagesablauf im Hinblick auf bestimmte Sendungen. Wer zum Beispiel zu den happy few der Stammhörer von hr 2, der Kulturwelle des Hessischen Rundfunks gehört, konnte sich bis vor kurzem darauf verlassen, morgens um 7.30 Uhr eine Frühkritik von einer Kulturveranstaltung in Hessen zu hören, und abends um 18.05 Uhr in 25 Minuten einen Überblick über das überregionale kulturelle Geschehen des Tages zu bekommen.
Das hat sich nun geändert. Am 1. September hat hr 2 sein Programm umgebaut, um mehr und vor allem auch jüngere Hörer an sich zu binden. Am auffallendsten ist die Veränderung der Musik-"Farbe". So werden die Hörer von sechs Uhr bis acht Uhr nicht mehr nur allein mit klassischer Musik geweckt, sondern auch mit Songs oder Chansons.
Außerdem hat sich der Wortanteil im Frühprogramm deutlich erhöht, es gibt jetzt mehrere Berichte aus Politik und Kultur, es ist sogar eine Art "Vollversorgung" angestrebt, sagt Angelika Bierbaum, die Wellenchefin von hr 2. Die Hörer sollen nicht auf andere Wellen oder Sender ausweichen müssen, um sich zu informieren.
In diesen frühen Stunden hört man ein solches Programm eher nebenbei, im Badezimmer, in der Küche, am Frühstückstisch. Da war ein Fixpunkt wie 7.30 Uhr sehr nützlich, weil man darauf achtete, nicht gerade in diesem Moment unter der Dusche zu stehen.
Jetzt ist es eher Zufall, ob man um 6.30 Uhr mitbekommt, dass Daniel Libeskind ein Haus auf Mallorca gebaut hat, oder um 7.15 Uhr, dass Rudolf Schmitz eine Ausstellung in Wiesbaden nicht so richtig gut fand.
Diese Veränderung hat auch ihre Vorzüge. Wenn in Hessen nichts los war, kann zum Beispiel die Frühkritik entfallen, es sind aber auch drei Beiträge möglich, wenn sich am Vortag die Premieren oder Vernissagen häuften.
Die folgenden zwei Stunden von 8 bis 10 Uhr haben sich gegenüber der bisherigen Sendung Die Alternative wenig geändert. Die Kulturpresseschau, Wissenswert, die Bibellesung und die Lesung aus einem literarischen Werk gibt es wie bisher, nur die Anfangszeiten haben sich zum Teil verschoben.
Das neu gestaltete Magazin von 6 bis 10 Uhr hat den schönen Titel Mikado, es ist um eine Mittelachse herum gebaut, eine 15-minütige moderierte Nachrichtensendung um 8 Uhr, hr 2 kompakt, die Aktuelles aus Politik und Kultur zusammenfassen soll und der das auch weithin gelingt. "Wir sind bei der Morgenausgabe von Mikado guter Dinge2, sagt Angelika Bierbaum, und man kann ihr zustimmen.
Bei der Nachmittagausgabe von Mikado (17 bis 19 Uhr) fallen die Stäbchen noch nicht so schön. Die Schwierigkeiten liegen vor allem darin, dass die Vorgängersendung Kultur aktuell um 18.05 Uhr insgesamt gelungen war. Jetzt muss man das Gerät zwei Stunden laufen lassen, um die gleiche Menge an Information (zugegeben: manchmal auch etwas mehr) zu bekommen.
In zwei Stunden lassen sich natürlich wichtige Ereignisse oft ausführlicher behandeln als bisher. So gab es einen längeren, zweigeteilten Beitrag zum Tod von Leni Riefenstahl, obwohl der vorgesehene Studiogast Hilmar Hoffmann nicht erschienen war; er kam dann am nächsten Morgen zu Wort, und am Vorabend des 11. September wurde das Thema Verschwörungstheorien in Kommentar und Gespräch von verschiedenen Seiten beleuchtet. Aber die Auswahl scheint bisher, abgesehen von Pflichtbeiträgen (etwa zum Tod von Johnny Cash), etwas beliebig, ein Beitrag über eine Gemüseorchester ist nicht mehr als eine Kuriosität.
Auch das Nachmittags-Mikado enthält um 18 Uhr ein hr2 kompakt von 12 Minuten Dauer, in dem aber die Kultur bisher eher kümmerlich vertreten ist. Wer also von 17 bis 19 Uhr nicht zwei Stunden Radio hören kann oder will, wird von der Kulturwelle gerade über ihr eigenes Thema unzureichend informiert, der Zeitvorsprung, den man vor den Tageszeitungen hat, wird kaum genützt. Auch Angelika Bierbaum weiß, dass hr 2 kompakt um 18 Uhr noch nicht ausgereift ist, "daran feilen wir noch." Aber diese Einsicht muss für das Nachmittags-Mikado insgesamt gelten.
Alle Kulturprogramme in Deutschland sind derzeit im Umbruch begriffen, sie wollen heraus aus dem Ein-Prozent-Hörer-Ghetto. Begleitet wird dieser Umbau von einem Grundsatzstreit auch in den Sendern selbst: Wird das Kulturradio zu bestimmten Zeiten eingeschaltet um bestimmte Sendungen zu hören oder läuft es nebenbei? Sind Kulturhörer bewusste Rundfunknutzer, die nicht einfach stur einem Programm folgen, sondern je nach Interessenlage zwischen verschiedenen Programmen und Sendern wechselt ?
Auch hr 2 ist ein Einschaltsender, sagt Angelika Bierbaum. Das gilt natürlich vor allem für die festen Abend- und Wochenendtermine. Wie die Hörer aber Mikado annehmen, das wird die Marktforschung in einigen Monaten wissen.