Interessante Diskussion.
Glattgebügelte Interviews haben ja was. Ich darf sie auch immer wieder führen und schneiden. Das macht echt Spaß. Mal rein technisch gesehen.
Das ist allerdings eine Form von Unterhaltung, die derjenige für passend hält, der einen Versprecher als einen Fehler empfindet, sich ins Wort fallen für unprofessionell hält und Zeitlimits überschreiten für ein Verbrechen am Hörer. Aber man darf sich eben fragen, ob der Hörer das genauso sieht. Ich bezweifle das aus verschiedenen Gründen.
Wo ein Interview aus dem Frage-Antwort-Spiel heraustritt und zu einem Gespräch wird, das die Situation des außenstehenden und unbeteiligten Hörers im Auge behält, so dass das Gespräch zu keiner Insidernummer wird, da bleibt dieses TI interessant für den Hörer - unabhängig davon, ob es o.g. "Fehler" aufweist oder nicht.
Die Reduzierung des Qualitätsbegriffs auf technische Merkmale (Versprecher, Zeit, Ins Wort fallen) lässt den grundsätzlichen Einschaltgrund des Hörers außer acht, der im Radio üblicherweise eine kompetente und menschliche Tagesbegleitung oder Information sucht und "Fehler" als solche nicht bemerkt, wenn sie vereinzelt auftreten.
Das ist kein Plädoyer für fehlerverseuchte Interviews, sondern dafür, den entscheidenden Punkt dort zu suchen, wo er für den Hörer und nicht für den Produzenten doer Techniker zu finden ist.
Zudem fällt mir in diesem Zusammenhang auf, dass die Marschrichtung der meisten Sender ist, im Leben des Hörers vorzukommen und sein Leben im Radio abzubilden, um ihm so das Gefühl zu vermitteln, beim Sender "Zuhause" zu sein. Diese fehlerhafte Welt des Normalbürgers im Radio dadurch abbilden zu wollen, dass es "perfekt" klingt, scheint mir eine absurde Verdrehung der Realität zu sein.
db