AW: WDR 2 - Ist das die perfekte Radiostation?
Dann will ich doch auch mal meinen Senf dazu geben, als seit mehr als 20 Jahren eingefleischter WDR2-Hörer. (Und ich bin grad mal 30, sowas nennt man wohl WDR2-sozialisiert.)
Aber vielleicht ist gerade die Tatsache, dass ich dem Sender nach wie vor die Treue halte (mit gelegentlichen Seitensprüngen, aber nicht der Rede wert) ein Beleg für die Qualität des Programms, trotz aller Macken.
WDR2 will die Informations-Leitwelle sein - und wird diesem Anspruch nach wie vor gerecht. Auch wenn die Beiträge kürzer, dadurch weniger gehaltvoll und insgesamt weniger sind als früher, so hört man hier doch immer noch zumindest "Das Wesentliche". Hat man WDR2 regelmäßig gehört, kann man sich die tagesschau abends getrost sparen. Welcher Radiosender, der nicht gerade ein Inforadio ist, kann das schon von sich behaupten?
WDR2 ist mit "Zwischen Rhein und Weser", "Morgenmagazin" und "Mittagsmagazin" der deutsche Vorreiter bei Radiomagazinen gewesen, die populäre Musik mit politischer Information vermischen. Dass sich der Sender nach wie vor dieser Tradition verpflichtet fühlt, merkt man, und das ist eine weitere Stärke. (Da wäre es übrigens fatal gewesen, solche Marken wie die genannten aufzugeben, nur um dem modernen Trend der Abschaffung von solitären Sendungsnamen hinterher zu laufen. Das hat WDR2 zum Glück nicht nötig.) Noch heute prägen die Magazine das Programm, jedes mit seiner eigenen Ausrichtung, die einen bunter, die anderen politischer, abends die Musikmagazine, wo eben auch Journalismus stattfindet, Musikjournalismus eben. Dass ich mir persönlich noch mehr Mut zum Wort und zu etwas längeren Wortstrecken wünsche, spielt für die grundsätzliche Bewertung keine Rolle. Ich glaube, WDR2 könnte es sich auch in der Hörerakzeptanz leisten, wieder noch ernsthafter zu werden. Denn dass das geht, haben die Menschen im Sender erst wieder am 7.7. bei den London-Anschlägen bewiesen. - Und in Abgrenzung zu anderen Sendern finde ich, dass die Sendestrecken vieler Stationen eben nicht die Marke "Magazin" verdienen, weil mir dafür die eine oder andere bunte Moderation, mal nen Gewinnspiel und dann wieder kurz der Blick aufs Wetter vor Ihrer Haustür nicht reicht.
Wenn WDR2 reformiert, tut es das behutsam. Das mag einem dann manchmal (zurecht) etwas halbgar vorkommen, aber am Ende liegen die Macher damit eben meistens richtig, weil sie die gewachsene Hörerschaft nicht verscheuchen. Die laufen nicht jedem Trend hinterher, wie z.B. den ja seit vielen Jahren aus dem Privatradio und ihm nacheifernden ÖR-Stationen nicht mehr wegzudenkenden Musikbetten unter jeder Mod und jedem Beitrag. Da ist der Anspruch, dass der Wortbeitrag möglichst so stark sein soll, dass er selbst, aus sich heraus für den nötigen Flow sorgt, den Hörer so lange dran hält, bis das wesentliche gesagt ist. Und dass dafür eben kein Musikbett nötig ist. Ob dieser Anspruch immer eingehalten wird, lassen wir dahingestellt, aber jeder Redakteur und jeder freie Kollege wird täglich dran arbeiten. Grundsätzlich aber halte ich diese Philosophie für die genau richtige. Und sie sorgt dafür, dass WDR2 unterscheidbar, wiedererkennbar bleibt.
Noch ein Wort zu den Präsentatoren: Die Moderatoren sind, entgegen dem Trend auf vielen Wellen, zu einem großen Teil nicht austauschbar, nicht nur Claim-Aufsager für 12,50 Euro in der Nachtschicht, sondern Persönlichkeiten. Persönlichkeiten, die einer Sendung wenn's gut läuft ihren Stempel aufdrücken, die der Hörer wiedererkennt. Der ironische Schulz, Pointendiscount Rehmsen, die brav-bissige Steinhauer, Malle-Plauderer Meyer, Stadionsprecher Breuckmann, Vollblut-Journalist Hegermann, Kodderschnauze Neu, die freche Knispel, Einen-hab-ich-noch Bongard, Ramp-Gott Brocker, der gelassene Tille, LigaLive-Pistor, ich-hatte-sie-alle Erdenberger und mir-ist-keine-Frage-peinlich Westermann: Von denen möcht ich keinen missen, die sind alle sie selbst, glaubt man beim Hören. Ja selbst Roger Handt würd ich vermissen, wenn der irgendwann abdanken müsste. Da fällt es eben auf, wenn ein Quoos zu laut und unecht, eine Brackmann zu lieb und freundlich oder eine Höpker schlicht viel zu einfallslos ist, auch wenn die bei manch einem Privatsender sicherlich große Nummern wären. Da liegt die WDR2-Latte einfach verdammt hoch.
Und die Musik? Ach ja, die Musik. Ne Hot-Rotation mit 3 Einsätzen max. pro Tag find ich verdammt vorsichtig, und dass es dauert, bis sich ein Titel bei den Hörern als Ohrwurm festgesetzt hat, haben wir hier ausgiebig diskutiert. Klar würd ich manche Nummern lieber weniger, andere mehr, wieder andere überhaupt mal gerne bei WDR2 hören. Aber die hat doch jeder, und wenn's mich mal wieder nervt, kommen halt ne CD oder nen anderer Sender rein. Aber ich bin immer relativ schnell zurück bei WDR2, weil ich wissen will, was sich Bongard als nächstes rausschraubt, oder ob Steffi ihrem Svenni endlich nen Heiratsantrag macht...
Wenn jetzt noch ...
... die O-Ton-Nachrichten mit den News-Anchorn als Präsentatoren samt Halb-Nachrichten auch in der Nacht durchgesendet würden statt der Zentralnachrichten;
... die Verkehrshinweise wieder einen kurzen Opener-Jingle bekämen;
... "Nachtleben" wieder der Zugabe am Samstag weichen müsste;
... am Sonntag nicht mehr nur "Der Sonntag" käme, sondern MoMa, Westzeit, MiMa und Rhein-Weser wie an den anderen Tagen auch;
... und ich endlich bei WDR2 moderieren würde ...
Dann, ja dann wäre WDR2 wirklich die perfekte Radiostation.