AW: Wer braucht DAB?
@WAZmann:
Ich glaube, der eindeutige Unterschied zwischen DAB und den bei dir im Keller verstaubenden Digitalgeräten (ich vermute DSR, und bald auch ADR):
DAB ist kein deutscher Alleingang, sondern europaweiter/weltweiter *Standard* (DSR und ADR waren nur im deutschsprachigen Raum präsent und wurden durch internationale andere Standards wie DVB-S überrollt), und auch wenn immer sonstwas gemunkelt wird: ich glaube, DAB wird kommen. Übrigens halte ich genau diesen Punkt für wichtig und deshalb ist das Argument "weil die anderen es auch machen" eben doch kein so fadenscheiniges: entweder, man steigt geschlossen europaweit (weltweit) aus DAB aus, oder zieht es geschlossen durch. Einzellösungen bringen doch nichts. Bei den USA oder Japan ist das ok, da ist man das so gewöhnt, dass die immer Extrawürste brauchen, aber in Europa sollte es auch nach UKW einen einheitlichen Hörfunkstandard geben.
Was dir aber passieren kann: dass ein jetzt gekauftes Gerät in 10 Jahren vielleicht Schrott ist, weil sie mal einen neuen Audio-Codec reinsetzen oder so. Das Problem hast du halt immer bei Digitalmedien. Auch bei einem heute gekauften DVB-T oder DVB-S Empfänger kann dir keiner garantieren, dass der in 10-15 Jahren seinen Dienst noch tut, wenn vielleicht auf MPEG 4 umgestellt wurde. Es geht ja jetzt schon los, dass man für die HDTV Kanäle wieder neue Set-Top-Boxen braucht.
@radiohelfer:
Pro-Contra Liste? Kannst du haben... Ich spreche allerdings vom angestrebten Stand in ein paar Jahren und nicht von den Kinderkrankheiten, die sich Deutschland hier selber eingehandelt hat:
Pro:
- deutlich höhere Programmzahl (da derzeit 3 Band III Abdeckungen und 2 L-Band Abdeckungen fest geplant zu sein scheinen, entspricht das theoretischen 35 Programmen pro Region, Einstrahlungen von Nachbarensembles nicht eingerechnet) und damit Chance auf neue Formate
- theoretisch bessere Klangqualität (hängt natürlich immer davon ab, wie sehr man die Ensembles vollstopft und wie sehr die Programmanbieter auf ihren Klang achten, aber v.a. Klassikliebhaber werden den besseren (rauschfreien) Klang bestätigen können
- deutliche Energieeinsparung auf Senderseite (auch wenn man für Indoorempfang die Leistungen nochmal anheben muss und auch wenn die Senderendstufen nicht so effizient genutzt werden können wie bei UKW)
- zusätzliche Möglichkeit des Empfangs von Datendiensten und Begleitinfos aller Couleur
Nachteile:
- wie bei allen Digitalmedien die Gefahr, dass Programme mit zu knapper Datenrate senden und damit die Qualität eher schlechter wird
- wie bei allen Digitalmedien die Gefahr, dass durch laufende Anpassungen des Standards alte Empfänger irgendwann unbrauchbar werden
- Ensemblezwang (es muss sich immer ein Ensemble zusammenfinden für eine Abstrahlung), kann möglicherweise aber auch über Datendienste neutralisiert werden (1 Lokalsender und der Rest als Datendienst)
Mehr Nachteile sehe ich durch das System DAB an sich nicht. Es kommen nun aber noch einige Nachteile hinzu, die hausgemacht sind und an denen DAB selber nicht schuld ist und die sich vielleicht, wenn die Verantwortlichen wollen, korrigieren lassen:
- fehlender Overspill: Bayern und NRW nutzen z.B. den selben Kanal, deshalb dürfen beide Pakete nicht zu weit ins Nachbarland reinstrahlen, da es sonst zu Überschneidungen kommt. Man hätte die Pakete großzügiger koordinieren sollen, das lässt sich aber immer noch 2006 auf der Wellenkonferenz korrigieren. Allerdings geht auch auf UKW zunehmend der Overspill der Programme in Nachbarbundesländer flöten durch zunehmende Zukoordinierung des Bandes mit neuen Minisendern.
- schlechter Indoorempfang: zu geringe Sendeleistungen derzeit, da müsste die Bundeswehr etwas nachgeben. Dieses Problem gibt es aber spätestens in K11 (nach 2006) nicht mehr.
- derzeit noch geringe Empfängerzahl (die Empfänger sind noch dazu teuer und fast nur im Internet erhältlich)
- derzeit meist noch geringe Programmauswahl (siehe oben)
Nun aber genug, sonst dreh'n wir uns hier im Kreis...
Ach ja: eines noch... Denkt immer daran, was die Alternativen zu DAB wären...
a) das UKW Band wird so zugepflastert mit weiteren Low-Power Sendern, dass auch der Empfang etablierter Programme immer schwieriger wird und insgesamt alles immer störanfälliger wird
b) ein neuer Standard, der in irgendeiner Form besser als DAB sein soll, wird herausgebracht: das kostet Zeit und v.a. Geld. Ich glaube nicht, dass es Sinn macht, nochmal so viel Kohle in die Herausarbeitung eines neuen Standards heineinzubuttern wie bereits in DAB geflossen ist. An dem Punkt, an dem man jetzt angelangt ist, machts nur Sinn, DAB durchzuziehen (und auch DRM und DVB-T) und alle Systeme schrittweise durch Anpassungen über die Jahre aktuell zu halten
c) es kommt kein digitales Hörfunksystem und UKW bleibt so wie es jetzt ist (d.h., keine weiteren Aufschaltungen mehr): das bedeutet, die Programmvielfalt stagniert auf dem jetzigen Niveau und viele neuere Programme werden weiterhin keine vernünftige Versorgung haben