Als nicht-TV-Geräte-Besitzer, in dessen Elternhaus auch nur ein TV-Gerät steht und als jemand, der pandemiebedingt nicht reist und niemanden ohne dringende Notwendigkeit besucht, ist der Zugang zu weiteren Empfangsgeräten für mich kaum möglich. Aber jetzt ergab sich endlich die Gelegenheit, den Fernseher meiner Eltern / meiner Mutter hinsichtlich Audioqualität beim ARD-Hörfunk gründlicher anzuschauen.
TV Panasonic TX-L32GW10 und der ARD-Hörfunk
Der TX-L32GW10 ist wie die Modellbezeichnung schon vermuten lässt ein 32-Zöller. Er wurde 2009 verkauft und war selbst für damalige Verhältnisse schon recht teuer: 1000 EUR für das Gerät in schwarz bzw. 1100 EUR für das Gerät mit weißem Rahmen (ja, Aufpreis!). Dafür wurde ein IPS-Panel geboten - noch mit CCFL-Backlight - und ein Triple-Tuner mit "verstecktem" DVB-C, das man, wenn man "Deutschland" als Installationsland angegeben hatte, erst "hintenrum" aktivieren musste.
Die Tester waren damals von diesem Gerät weitgehend begeistert. Das Chassis GW10 wurde mit Panels bis knapp 40" (mir ist wie 39") und auch mit Plasma-Panels verbaut, es gab auch eine TX-P...GW10-Serie.
Das Gerät ist prinzipiell "AAC-tauglich" (also "kommt Ton raus"). Eine Radio-Nutzung ist aber nicht sinnvoll, da das Backlight nicht abschaltbar ist (offenbar, um häufiges Zünden der CCFL zu vermeiden, das wäre ja bei jeder Bedienhandlung fällig).
Bei Radio Regenbogen hatte sich der Fernseher aufgehängt bis hin zur nur durch "stromlos machen" behebbaren Fehlfunktion bei der Wiedergabe beliebiger anderer Radio- und TV-Programme nach Abspielen von Radio Regenbogen.
Der ARD-AAC-Hörfunk spielt im ersten Moment scheinbar ok. Bis man dann Knackser hört... so war es zumindest im Herbst 2021, als ich da mal nen Kopfhörer ansteckte und reinhörte. Nun hat sich seit damals ja was getan seitens ARD, also schauen / hören wir mal genauer hin...
Dazu wurde der optische S/PDIF-Ausgang des Fernsehers über ein bitgenau und samplegenau arbeitendes USB-Interface als Wave-Datei auf dem Laptop aufgezeichnet. Parallel lief ein Bemondis-Receiver (WISI OR 252) und schrieb völlig unabhängig davon den Transportstrom des geprüften Programms auf Festplatte. Das Audio aus diesem TS wurde mittels VLC Media Player ebenfalls in Wave decodiert und dann mit dem Audio vom S/PDIF des Fernsehers am Beginn auf das Sample genau synchronisiert und von diesem subtrahiert. Es sollte dabei im Idealfall absolute Stille ("digital Null") oder höchstens ein Störgeräusch bei irgendwo unter -80 dBFS als Differenz auftreten - das würde anzeigen, dass das LC-AAC-Decoding des GW10 ordentlich - also vergleichbar dem Decoding des ordentlich decodierenden VLC - ist. So war jedenfalls der Plan...
Bayern 1
Erste Überraschung: das Audio am S/PDIF ist zwar PCM (und nicht etwa transcodierter AC-3-Bitstream oder sowas), aber es ist deutlich leiser als das Audio, das im Transportstrom steckt und mittels VLC decodiert wurde. Vergleich an identischen Ausschnitten legte nahe, dass es exakt 10 dB (!) Pegelabsenkung am S/PDIF des GW10 sind.
Es gibt eine Pegeleinstellung für das S/PDIF-Signal im Menü des GW10, doch die blieb ohne erkennbare Funktion und stand schon auf Maximalpegel.
Ein Verstärken des Audios um 10 dB, nachfolgendes Synchronisieren mit dem Audio aus dem Transportstrom und dann Subtraktion zeigt, dass tatsächlich exakt 10,0 dB zu niedrig gepegelt ist, aber ansonsten in Ordnung. Die Differenz bleibt noch in einem Bereich, in dem man das Decoding als "subjektiv betrachtet identisch" bezeichnen könnte, irgendwas um -72 dBFS. Es gibt keine Verfälschung von Frequenzgang oder Dynamik.
Aber: alle paar Minuten (1 - 6 Minuten, stark schwankend) erfolgt ein Einsetzen von Samples durch den GW10. Mal 7 Samples, mal 27 Samples, ... eine Systematik ist nicht zu erkennen. Teils hört man es auch richtig knacken.
Das war gestern, am 28.1.2022, also knapp 2 Wochen nach den Umstellungen bei der ARD, die zu offenbar knackfreien Bemondis-Geräten und wesentlich seltener knackendem VU+ geführt haben!
Deshalb nahm ich mir heute (29.1.2022) zuerst
MDR Sachsen-Anhalt vor - gleicher Encoderhersteller (Qbit), aber bei den MDR-Programmen gab es auch vor der Verdreifachung der Differenz PCR-PTS keine Synchronisationsverluste / kein Einsetzen von zusätzlichen Samples bei Bemondis-Geräten.
35 Minuten MDR Sachsen-Anhalt liefen also wieder parallel und unabhängig voneinander via S/PDIF vom Panasonic GW10 ins Laptop und via Bemondis-Kabelreceiver auf die USB-Platte.
Erste Erkenntnis: auch hier wieder 10 dB Pegelabsenkung am GW10. Es ist also offenbar unabhängig von der Aussteuerung des jeweiligen Programms - MDR Sachsen-Anhalt geht bis ca. -0,4 dBTP hoch, Bayern 1 nur bis ca. -6 dBTP.
Nach 10 dB Gain für das File vom GW10 und Subtraktion folgt die zweite Erkenntnis: das Decoding ist genau wie bei Bayern 1 abgesehen von der Pegelabsenkung von 10 dB in Ordnung. Klangliche Veränderungen / Änderungen an der Dynamik gibt es nicht.
Aber: es knackt! Und zwar häufig und völlig regellos wirkend. 3 Knacks in 10 Sekunden? Kein Problem. Offenbar wesentlich häufigeres Knacken als bei Bayern 1. Bei jedem Knack werden Samples eingeschoben, die es im Original nicht gibt. Beispiel nebst zugehörigem korrektem Decoding aus dem TS via VLC:
Anhang anzeigen MDR Sachsen-Anhalt - Transportstrom VLC-decodiert.wav
(MDR Sachsen-Anhalt, korrekt decodiert mit VLC)
Das leichte Knistern hier ist schon im "Original" (vor dem Encoder) drin.
Anhang anzeigen MDR Sachsen-Anhalt - Panasonic TX-L32GW10 - SPDIF + 10 dB - Mehrfachklick.wav
(MDR Sachsen-Anhalt, decodiert mit Panasonic TX-L32GW10, + 10 dB Gain)
Bei 0:09 knackt es ein mal deutlich, gleich danach bei 0:11 leicht nach links versetzt 2 mal direkt nacheinander.
Sowas macht wach. Auf diesem TV knacken auch Programme, die auf anderen Fabrikaten problemlos durchlaufen und auch schon vor der Änderung an den Qbit-Encodern mit einem anderen Fabrikat problemlos liefen.
Was könnte jetzt die Ursache sein? Vielleicht das RDS, das bei QBit in den Ancillary Data des AAC übertragen wird - das haben Bayern 1 und MDR Sachsen-Anhalt gemeinsam. Und beim MDR kommt viel mehr RDS durch als beim BR, u.a. M/S, PI, PS. MDR 1 knackt auch viel häufiger als Bayern 1.
Also griff ich mir als nächstes ein Programm, das das RDS separat auf Private PID und nicht im Audio laufen hat:
SR 1.
Das kommt aus der Encodersoftware des anderen Lieferanten (ich kenne den Namen, da er aber bislang wohl nirgendwo offiziell genannt wurde, nenne ich ihn nicht, sowas liegt mir fern
).
32 Minuten SR 1, wieder aus dem S/PDIF des Panasonic GW10 gegen das Decoding direkt aus dem Transportstrom mittels VLC.
Wieder sind es genau 10 dB, die das Decoding des TV verstärkt werden muss, um mit dem VLC-Decoding gleichzuziehen.
Die Differenz beider Decodings liegt dann um -70 dBFS, entsprechend ca. 7-10 Samplestufen. Verstärkt man diese Differenz, hört man verzerrt das Audio. Möglicherweise hat man es hier mit einem Dither im GW10 zu tun. Subjektiv dürfte das Decoding des GW10 damit aber immer noch als identisch zum VLC-Decoding gelten.
Aber: SR 1 läuft die vollen getesteten 32 Minuten lang ohne einen einzigen Knack und ohne Einschieben zusätzlicher Samples durch!
Jetzt wird es spannend: Qbit knackt über den Panasonic GW10 beim alten Problemfall BR genauso wie beim auf anderen Fabrikaten auch vor Verdreifachung der Differenz PCR-PTS nicht knackenden MDR. MDR und BR haben beide das RDS in den Ancillary Data des AAC. Beim SR, der das RDS auf Private PID überträgt, aber halt auch einen anderen Encoder-Lieferanten hat, knackt es nicht.
Liegt es generell am RDS im AAC oder liegt es am Encoderhersteller?
Bleibt also noch diese Kombination auszutesten: der andere Encoderhersteller, aber RDS in den Ancillary Data des AAC. Das macht seit irgendwann November/Dezember der hr.
Also der nächste Test:
hr1.
Um es kurz zu machen: hr1 verhält sich wie die anderen Programme hinsichtlich Pegel am S/PDIF des GW10 - es sind exakt 10 dB zuwenig. Ansonsten stimmen Frequenzgang, Dynamik etc.
Und: auch hr1 läuft die vollen getesteten 35 Minuten lang ohne einen einzigen Knack und ohne Einschieben zusätzlicher Samples durch, obwohl das RDS in den Ancillary Data steckt!
Es geht also prinzipiell, dass der Panasonic GW10 knackfrei spielt, sogar mit RDS in den Ancillary Data des AAC. Sieht aber so aus, als wäre das nur bei einem der beiden Encoderhersteller der Fall.
Ich müsste nun weiter testen mit SWR und WDR einerseits und RBB, NDR und Radio Bremen andererseits. Sorry, keine Lust mehr. Auch wenn vor allem NDR Kultur interessant wäre - AC-3, kein RDS, aber der Encoder-Lieferant, bei dem es bei AAC knackt.
Damit kann sich doch mal das IRT vor einem Jahr beschäftigt haben. Oder halt die ARD jetzt.
Blieben noch 2 Dinge zu erwähnen: BR Klassik läuft bei Stereo auch 10 dB zu leise auf dem GW10 am S/PDIF.
Bei Surround kommt Stereo raus aus der AAC-Surroundspur, als PCM via S/PDIF, um satte 20 dB zu leise! Da ist dann schon die Wandlerauflösung nicht mehr optimal. Wenn das bei den anderen Kulturwellen im Surround-Modus auch auftreten sollte, kann man nichtmal durch Wechsel auf die Stereospur vor dieser brutalen Pegelabsenkung fliehen.
Und: der DLF, in 256 kBit/s MPEG 1 Layer II, spielt erstens am S/PDIF des Panasonic GW10 sofort mit korrektem Pegel und weist gegen das Decoding des Transportstromes (hier mit Winamp 5.66 realisiert) eine Abweichung von maximal 1 Bitstufe auf. Außerdem läuft der DLF trotz RDS in den Ancillary Data des MPEG 1 Layer II die gesamten getesteten 40 Minuten synchron durch. Und hat nen besseren Frequenzgang als das ARD-AAC.
Fazit: ganz schön viel Murks beim "verbesserten Audiostandard" auf diesem Fernseher. Wäre man bei MPEG-Audio geblieben, liefe die Kiste perfekt.
Und eigentlich möchte ich gar nicht mehr wissen, wie andere Modelle / Fabrikate so performen.