Während es früher lediglich um das Einhalten technischer Parameter (z.B. Peaklimiting) ging, wofür Sendeprozessing erforderlich ist, wird heutzutage eben Soundprocessing (z.B. Multibandkompression) betrieben.
Danke fürs dran Erinnern! Ja, zumindest weitgehend und lange Zeit war das so. Man legte Wert auf "Werktreue" und bearbeitete nur so weit, daß es UKW-tauglich wurde. Das Thema ist so alt wie UKW/FM als Übertragungsstandard, es gab Arbeiten dazu bereits in der Frühzeit, siehe folgende Arbeit von Edith Steffen aus Ostberlin und Referenzen da drin, das geht bis 1955 zurück!
In den 1980er Jahren hatte man dann halt oft "nur" den EMT 266 - Transientenlimiter in der UKW-Leitung - damals schon mit adaptiver Preemphasis, das ist also keine Erfindung der "digitalen Zeit". Beim hr gab es eine Steckkarte namens "Alphapre" (TAB U375), soweit ich mich erinnere auch irgendwas, um Audio UKW-konform zu machen. All das war keine "Soundverbiegung", sondern nur Spitzenhubbegrenzung unter Berücksichtigung der Preemphasis.
Popwellen begannen aber damals schon mit (verglichen zu heute dezentem) Processing. DT64 baute irgendwann, um mit RIAS 2 "mithalten" zu können, einen Aphex-Dominator ein, der bis 1993 dort gelaufen sein dürfte. Auch das ist noch harmlos verglichen mit den heutigen Maschinen, bei denen alles, was man irgendwie angreifen kann, auch angegriffen wird. Ein Reduzieren auf das Nötige ist aber weiterhin möglich, wie "Reinke, Koschwitz und Vinyl" auf hr1 belegen - die Sauereien werden rausgenommen, der Optimod läuft dann nur noch mit dem, was UKW braucht. Der Klang wird sofort präzise, "schlank", klar, druckvoll.
Ich habe heute zum Beispiel im Auto fröhlich grinsend lauter gemacht, als "Ladies Night" von Kool and the Gang (offensichtlich keine Remasterfassung) lief, einfach weil es geiler klang und als der heutige Klangbrei moderner (vermeintlich besserer) Popproduktionen. Und das lag nicht am sog. Soundprocessing des Senders, welches ja in beiden Fällen identisch ist...
Ältere Musikproduktionen hören sich heute in Popwellen wie Bayern3 noch deutlich besser an, da dieses "luftige" Material viel toleranter gegen Übertragungsverzerrungen ist.
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https://www.telosalliance.com/image...e-radio-frank-foti-robert-orban-june-2001.pdf
Hatten wir hier aber schonmal.
Liegt evtl. seit der Einführung dieser Automationen eine "schleichende" Klangveränderung vor?
Sollte eigentlich bei seriösen Programmen nicht so sein. Die CD kommt rein, wird gegrabbt (hier entstehen bekanntlich keine Klangverfälschungen, außer man grabbt mit ungeeignetem Laufwerk, das sind dann aber andere Störungen - Klickser, Sprünge - und die scheiden sofort aus) und dann auf 48 kHz und 384 kbps MP2 umgerechnet. Bei manchen Privaten sind es wohl nur 256 kbps, beim RBB sah ich auch einst 256 kbps für Sendungsmitschnitte, keine Ahnung, ob das auch für den Sendespeicher gilt.
Heute liefert die Musikindustrie als FLAC via Server an, der Arbeitsablauf ist der gleiche. Und in den FLAC sollte sich das befinden, was auch auf CD im Regal stünde.
Also wurde hier u.U. Material wie z.B. schlechte CD Produktionen bereits in die Server archiviert?
Da CD-Import einfach und schnell und formal sauber ist, kann man schon davon ausgehen, daß auf diesem Wege auch manche "digitally remastered"-Bombe mit plattgemachter Dynamik in den Sendespeicher fand, während das Original auf Vinyl sauber gewesen wäre.
Ist MP2 generell das Format der Wahl??
Lange Zeit wars wohl so. Als N-Joy Radio 1994 mit dem digitalen Workflow begann, mußte man noch mit hardware-MP2-Decodern in voller ISA-Baulänge hantieren, weils die damals greifbaren Rechner (486 DX2/66!) nicht konnten. Das Laden von Audio zum Schnitt hat dann wohl auch Echtzeit gedauert...
Radio Hamburg warb einst mit unreduziertem Vollformat. Vom SR erzählte mal letztens jemand, es würde nun auf PCM umgestellt. Ich kenne es aber letztlich von etlichen Anstalten nur so, daß 384 kbps MP2 @ 48 kHz im Sendespeicher sind.
Bringt das Abspielen vom PC/Server heraus wirklich dieselbe Audioqualität, wie das Abspielen des gleichen Songs vom jeweiligen Tonträger (z.B. CD)?
Formal natürlich nicht - es fehlt einmal eine Datenreduktion und eine Abtastratenwandlung. Wobei das mit der Abtastratenwandlung genauer betrachtet werden muß. Von CD gehts zwingend immer durch einen Abtastratenwandler, üblicherweise in den Eingang des digitalen Mischpultes integriert. Solche Wandler sind transparent, die kann man nicht hören, wenn sie ordentlich konstruiert sind. Von File gehts ja schon auf 48 kHz gewandelt (Software beim Erstellen des Files) raus, dann ist entscheidend, ob die abspielende Hardware für Files aus dem Sendesystemin den Wordclock des Funkhauses integriert ist oder nicht. Wenn sie integriert ist, gibt es keine weitere Abtastratenwandlung. Wenn sie frei läuft, wird knallhart nochmals nochmals von 48 kHz nach 48 kHz angepasst - es würde sonst irgendwann durch Taktdrift auseinanderlaufen und Sync-Verlust / Klicks geben.
Durchs Funkhaus sollte es immer als PCM gehen, auch durch das Processing. Wobei selbst heute noch teils analoges Equipment eingeschleift ist in den "Guru-Processings" mancher Programme. Manche wollen auf den guten alten Stereomaxx nicht verzichten, andere (oder die gleichen) halten es für wichtig, noch einen exotischen Röhrenequalizer (!) im Signalweg zu haben. Damit holt man sich mindestens noch einmal D/A- und A/D-Wandlung ins Haus.
Die Modulationszuführung für UKW kann heute alles mögliche sein. 256 kbps MP2 war bei Privaten lange üblich, teils auch nur 192 kbps MP2. Also wieder eine Kaskadierung. DKultur lief oder läuft wohl auch noch mit nur 192 kbps MP2. Beim DLF ist man inzwischen auf 384 kbps MP2 umgestiegen.
Im Zuge der Umstellung von Media Broadcast auf neuen Sendernetzbetreiber sind mir 2 private Programme bekannt, die inzwischen von 256 bzw. 192 kbps MP2 auf 384 kbps APT-X umgestellt haben und als Backup 64 kbps HE-AAC via ISDN-Einwahlverbindung vorhalten, falls die Leitung abschmieren sollte. In Bayern hat der BR für die Hauptsender einst auf APT-X gesetzt und führt nun wohl direkt das im Funkhaus erzeugte MPX-Signal (!) als ganzes zu. Besser gehts wohl kaum noch. Der hr hatte einst wohl Capella-Codecs an den Leitungen, was er heute hat, weiß ich nicht.
für mich übrigens immer ein Grund, solange wie möglich mit Originaldateien zu arbeiten.
Deshalb wird im echten Archiv auch nicht mit MP2 gearbeitet bei der ARD, zumindest nicht bei Musiktiteln und wichtigen Produktionen. Nur für die Sendespeicher steht das MP2 zur Verfügung.
Dazu noch folgende Frage von mir. Wenn Datenreduktionsverfahren wie MP3 damit rechnen, dass man (um Datenraten zu verringern) manche Töne weglassen kann, weil sie von anderen akustisch verdeckt werden, was können sie dann weglassen, wenn aktuelle Master darauf getrimmt sind, dass möglichst alles immer und gleich laut zu hören ist?
Sehr gute Frage. Offenbar gehts mit MP2 halbwegs, mit AAC (DAB+) merkt man aber deutlich, wie exzessives Soundprocessing zusätzlich den Klang ruiniert.
Was auffällt sind "Overshoots", also in "auf Kante" bearbeitetem Material auftretende Peaks, oft Einzelsamples, die deutlich oben (oder "unten") rausgehen. Letztlich sind das u.a. Folgen von nicht mehr darstellbaren Rechteck-ähnlichen Signalverläufen, weil der Tiefpaß der Datenreduktion dichtmacht und generell die Artefakte, die sich statistisch auf die Einzelsamples addieren. Im RMS bleibt alles gleich, im Peak bemerkt man es. Das können mehrere dB sein.
Hatte das mal exemplarisch für eine nur moderat gepresste Pop-Nummer gemessen: bei 192 kbps ging es satte 2,4 dB drüber, was Programe, die mit nur 192 kbps MP2 auf UKW zuführen, vor die Wahl stellt, ob sie soviel Luft lassen, daß das den Spitzenhub nicht verletzt (und damit ca. 2 dB Lautheit verlieren) oder ob sie an jedem Senderstandort einen PeakLimiter als Notbremse für die Leitung installieren. Ein großer süddeutscher Privater hat angeblich letzteres gemacht und überall IDT-Limiter hingestellt. Bei 384 kbps reduzierte sich in meinem Test der nötige Headroom auf ca. 0,8 dB.
Was man nochmal erwähnen sollte, sind die Unsymmetrien in der Wellenform, die sich ganz natürlich in menschlichen Stimmen finden, vor allem in Männerstimmen. Das können einige dB sein, die das Signal zur Nullinie verschoben wirkt - es ist aber kein DC-Offset. Auch da slimitiert die Aussteuerung und auch dagegen gibt es ein Mittel - den Allpass mit durchlaufender Phasenverschiebung - einen Phasenrotator. Der "verschmiert" die Spektralkomponenten derart, daß die Unsymmetrien abgemildert werden. Der Preis dafür ist verwaschener Klang. Manche Programme haben Phasenrotatoren im Mikrofonweg, andere haben es wohl gleich in der Summe. Damit ruiniert man sich auch noch die Musik ein weiteres Stück.