Musikplanung im Hörfunk: Völlig am Publikum vorbei?

Status
Für weitere Antworten geschlossen.
Auf vielen Sendern laufen über die Feiertage Wunschprogramme. Überall quillt diese Queen-Scheiße (ich hasse deren Musik wie die Pest!) , der Das-Beste-der-70er-und-80er - Mist und jede Menge widerlichster Schleim auf dem Lautsprecher, daß ich vor lauter Verzweiflung nun bei einem Countrysender gelandet bin.
 
Zuletzt bearbeitet:
Irgendwann musste ja mal wer daherkommen, der das Radiopublikum per se für bescheuert gehalten hat. Also wäre ich grundsätzlich auch mal dafür, die Schuld den Radiostationen und dem Klüngel aus Consulting und Musikindustrie zuzuweisen. Aber spätestens zu diesem Zeitpunkt kommen auch die Hörer wieder ins Spiel... ;)
 
Zuletzt bearbeitet:
Es gab eine Zeit, in der nach dem Aufkommen der Rock- und Popmusik im damaligen West-Deutschland ein wenig Interesse an dieser "Kultur" entfacht werden konnte. Menschen interessierten sich für Musik der Künstler und deren Karrieren, weil das Radio - wie sagt man heute? - sie "an die Hand genommen" hat. Grundsätzlich war das schwierig, aber nicht unmöglich. Ein paar Hitparadensendungen und die BRAVO nebenher haben das Publikum für Musikkünstler und ihre Musik begeistert. All das kann das Radio 2013 und die einschlägige Presse nur noch extrem kurzfristig leisten. Im Gegensatz zu den traditionellen Pop-Ursprungsländern USA und GB hat sich hierzulande auch keine nennenswerte Literatur aus diesem Bereich ausgebildet. Popmusik ist also im Bewusstsein des Konsumenten in Deutschland immer "wert"-loser geworden. Diesen "Wert" dem Hörer nicht mitteilen zu können, zu wollen, sondern sogar deren (angebliche) Wertlosigkeit bewusst oder unbewusst zu vermitteln, ist der Grund für die Gleichgültigkeit von Publikum gegenüber Musikkünstlern. Schon lange sind sich sowohl die ÖRs als auch die Privaten Radiosender bei ihrem Tun ihrer Verantwortung in Hinblick auf diesen Aspekt nicht bewusst. Und falls doch: noch schlimmer.
 
Weil Kultur Handelsware (geworden) ist, wird sie auch ebenso behandelt. Im Falle der Musik: Effizientere Produktion, Serienfertigung, kurze Halbwertszeit (weil größerer Warenumschlag), Wiederholung des Bewährten, Vereinfachung des Bewährten, Penetrierung durch die Marktführer, Verdrängung der Exoten und Emporkömmlinge, Ausmerzung des ehrlichen Handwerks.
Das kennen wir alles aus vielen anderen Industrie- und Handwerksbranchen. Deswegen ist es auch keine Kunst, vorherzusagen, dass sich außerhalb des Systems eine qualitätsvolle (und hochpreisige) Subkultur entwickeln wird, bzw. es geschieht schon, die zurück zu den Wurzeln führt. Aus der Sicht der Musikliebhaber: Alles wird gut.
Aus der Sicht der Radiofreunde: Alles falsch gemacht. Zug ohne uns abgefahren.
 
@count down: Den Punkt mit der "Literatur" habe ich nicht ganz verstanden.

Klar ist, daß sich ein Jugendlicher sicher nicht den "Musikmarkt" oder "Rolling Stone" leisten kann. Die neue "Bravo" scheint aber auch nicht so gut anzukommen. Zumindest legt das ein Radiobeitrag nahe, den ich vor einiger Zeit (nach dem Redesign der Bravo) gehört habe.
 
Zuletzt bearbeitet:
Nööö, Jugendliche, die sich reihenweise irgendwelche Spielkonsolen kaufen und die nötige Software dazu und die neuesten Smartphones, können sich keine popelige Musikzeitschrift leisten.:D Eher wird es der Inhalt sein. Gerade die Genannten richten sich ja doch eher an ein reiferes Publikum. Für den Rolling Stone fühle ich mich ja manchmal noch zu jung.
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Musikzeitschriften sind bis auf BRAVO inzwischen eher etwas für Insider und meistens für die Jugendlichen zu textlastig. Außerdem kann man sich für das Geld -im besten Falle - einige Titel im Store kaufen da bekommt man ja auch ständig die "Besten" vorgeschlagen und nur noch auf kaufen klicken fertig.
 
@count down: Den Punkt mit der "Literatur" habe ich nicht ganz verstanden.

Ich meine mit "Literatur" im klassischen Sinne das Gedruckte, das man im Buchhandel erstehen kann. Biographien von Musikern, Gruppen und Bands, Buchdokumentationen über Pop, Rock, Jazz, volkstümliche Musik, Bilddukumentationen über Plattenhüllen, graphischen Stilistiken, Chart-Bücher in jeder Form. In den USA stehen ganze Regale voll davon. Sicher gibt es auch hier mehr Bücher als nur die über die Beatles oder über Frank Sinatra. Aber richtig Umsatz machen sie mangels Interesse alle nicht.
 
Ich schaue gerade bei ivw.eu nach den Auflagen der bekannten Jugend/Musik-Zeitschriften.

Mein lieber Scholli! Im Vergleich zum 3.Quartal 2003 (also vor 10 Jahren), haben Bravo, Popcorn & Co aber mächtig Federn gelassen. Wenn ich mich recht an den Radiobeitrag erinnere, hatte die BRAVO in den Achtzigern noch 2 Mio. Auflage. Heute werden nicht mal mehr 300000 Exemplare gedruckt.

Gut, die BRAVO als Leitmedium der Jugend wurde vom Internet überrannt, weil ein Druckerzeugnis immer hinterher hinkt. Ich sehe aber keinen Grund, warum sich auch das Radio vom Internet überrennen lassen sollte. Wer natürlich nur mit 500 Titeln auf UKW oder DAB rumdudelt, wird früher oder später verlieren. Denn irgendwann sind die Hörer vergrault und ins Internet abgewandert.


EDIT: Ach so, Countie. Du meinst also hochwertige Bücher etc, die man einem Musikfreak zu Weihnachten schenken kann. Da muß ich direkt mal in einer Buchhandlung gucken.
 
Zuletzt bearbeitet:
Es gab eine Zeit, in der nach dem Aufkommen der Rock- und Popmusik im damaligen West-Deutschland ein wenig Interesse an dieser "Kultur" entfacht werden konnte. Menschen interessierten sich für Musik der Künstler und deren Karrieren, weil das Radio - wie sagt man heute? - sie "an die Hand genommen" hat. Grundsätzlich war das schwierig, aber nicht unmöglich. Ein paar Hitparadensendungen und die BRAVO nebenher haben das Publikum für Musikkünstler und ihre Musik begeistert. All das kann das Radio 2013 und die einschlägige Presse nur noch extrem kurzfristig leisten. Im Gegensatz zu den traditionellen Pop-Ursprungsländern USA und GB hat sich hierzulande auch keine nennenswerte Literatur aus diesem Bereich ausgebildet. Popmusik ist also im Bewusstsein des Konsumenten in Deutschland immer "wert"-loser geworden. Diesen "Wert" dem Hörer nicht mitteilen zu können, zu wollen, sondern sogar deren (angebliche) Wertlosigkeit bewusst oder unbewusst zu vermitteln, ist der Grund für die Gleichgültigkeit von Publikum gegenüber Musikkünstlern. Schon lange sind sich sowohl die ÖRs als auch die Privaten Radiosender bei ihrem Tun ihrer Verantwortung in Hinblick auf diesen Aspekt nicht bewusst. Und falls doch: noch schlimmer.

Das ist dann die intellektuell-eloquente Variante meines Beitrags (#401). :)
 
Zuletzt bearbeitet:
Wenn man bedenkt dass die Leute ihr Urteil über die Gegenwartsmusik auf den derzeitigen deutschen Radio-Mainstream gründen ist es kein Wunder, dass sich bis auf ein paar Selbstversorger im Netz niemand mehr ernsthaft für populäre Musik interessiert. Es sind halt die Kids, die dem Chartdruck erliegen und das Popgeschäft irgendwie am Laufen halten, aber die hören ja kaum noch Radio.

Mit dem was aus dem Radio quillt erreicht man sowieso niemanden mehr, weil man so einem Brei keinen Menschen für Musik begeistern kann. Das geht nur mit Genrekanälen, so weit sie auch immer definiert sein mögen.

Die gängige Radiomacherphilosophie markiert ohnehin einen fatalen Irrweg. Die dominierenden Kompromissprogramme für jüngere Semester, die es allen irgendwie recht machen wollen und im Endeffekt völlig identisch klingen stehen schon bald ohne Hörer da, weil aufs UKW-Radio bereits in Kürze niemand mehr angewiesen sein wird. Die Leute werden sich das nur so lange antun wie unbedingt nötig.
 
Zuletzt bearbeitet:
Wenn man bedenkt dass die Leute ihr Urteil über die Gegenwartsmusik auf den derzeitigen deutschen Radio-Mainstream gründen ist es kein Wunder, dass sich bis auf ein paar Selbstversorger im Netz niemand mehr ernsthaft für populäre Musik interessiert. Es sind halt die Kids, die dem Chartdruck erliegen und das Popgeschäft irgendwie am Laufen halten, aber die hören ja kaum noch Radio.

Mit dem was aus dem Radio quillt erreicht man sowieso niemanden mehr, weil man so einem Brei keinen Menschen für Musik begeistern kann. Das geht nur mit Genrekanälen, so weit sie auch immer definiert sein mögen.

Die gängige Radiomacherphilosophie markiert ohnehin einen fatalen Irrweg. Die dominierenden Kompromissprogramme für jüngere Semester, die es allen irgendwie recht machen wollen und im Endeffekt völlig identisch klingen stehen schon bald ohne Hörer da, weil aufs UKW-Radio bereits in Kürze niemand mehr angewiesen sein wird. Die Leute werden sich das nur so lange antun wie unbedingt nötig.

Die qualitativ hochwertigeren Alternativen sind ja bei allen ö.R. am späten Abend sowie (bei meinem Stammsender) in die späte Nacht / frühen Morgen verbannt worden. Das ist echt zum Verzweifeln!
Was könnte man hier aus einem Sender wie z.B. "DWissen" nicht alles machen. Stadtdessen wird einem solch eine erstarrte Soße vorgesetzt. :( Dabei wäre gerade bei Dradio Wissen sicherlich ein Potentail vorhanden. Nämlich das Publikum, denen DKultur und DLF für den täglichen Genuß einfach viel zu bieder ist, DWissen in seiner jetzigen Form aber so gut wie nichts von lebendigen Radio aufweist, sieht man von einigen Sendungen am WE und der abendlichen Konferenz mal an. Und so läßt man dann eine womöglich erfolgreiche, erfrischende Alternative mit Geist, qualitativ hochwertiger Musik und ohne Werbung seit drei Jahren irgendwo unter "ferner liefen" lieblos vor sich hin dümpeln. Man traut sich einfach nicht aus seiner selbst verschuldeten, starren und verkrampften Ummündigkeit heraus.:(
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich muss gestehen, dass ich auch mal ganz gerne Mainstream höre, aber auch gerne andere Musikrichtungen ausprobiere. In unserer Musikbücherei stehen einige Musiker aus den Charts und einige Musiker aus dem Non-Mainstream-Bereich zusammen, und da schnappe ich mir die Cds und höre sie mir zu Hause in Ruhe an.
Teilweise habe ich echte Perlen gefunden (z.B. Strom & Wasser oder Wortfront).
Leider sind das Musiker, die man kaum im Radio findet (wenn überhaupt).
Gott sei Dank aber sind es Musiker, die sich treu sind und sich und ihre Kunst nicht des kommerziellen Erfolges wegen verbiegen.:thumbsup:
 
Ich muss gestehen, dass ich auch mal ganz gerne Mainstream höre

Aber was ist schon "Mainstream"? Das was ein paar Leute zusammengerührt haben um Downloads zu generieren.

Ein Land wie Deutschland bräuchte mehrere unabhängige Gattungs-Mainstreams, dann könnte auch die Pop-Schiene jünger und aggressiver werden und man hätte sogar bei den Teens einen Stein im Brett.

Mit klebrigem Girlie-Pop à la "Birdy" und schräg-alternativen Euro-Teen-Balladen wollen die Berater weichere Zwischenakzente setzen, treiben aber sogar die meisten Jugendlichen auf die Barrikaden.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ein Land wie Deutschland bräuchte mehrere unabhängige Gattungs-Mainstreams
Die gibt es doch längst. Im Moment erlebt die Gothik- und artverwandte Szene zum Beispiel einen riesigen Boom, was sich bis in die Charts hinein widerspiegelt. Wird im Medium Radio irgendwie Notiz davon genommen? Nein. Auch die Metal- und Hardcoreszene hat vor allem unter jüngeren Musikfreaks wieder zunehmenden Zulauf. Bemerkt man das im Radio? Nein.
Und nicht zuletzt die viel diskutierte Schlagerbranche der neueren Generation - was ist mit der? Während Musiker wie Helene Fischer und Co. generationsübergreifend auch beim jungen Publikum riesige Erfolge feiern, finden sie maximal auf den seichteren Wellen für die Hörer 50+ Beachtung. Der hiesige Rundfunk der engstirnigen Formatrotation gräbt heiter weiter an seinem eigenen Grab und merkt es nicht.
 
Zuletzt bearbeitet:
Während Musiker wie Helene Fischer und Co. generationsübergreifend auch beim jungen Publikum riesige Erfolge feiern, finden sie maximal auf den seichteren Wellen für die Hörer 50+ Beachtung.

Wir haben das Schlager-Thema auch schon im Nachbarfaden angeschnitten. Im Augenblick beobachte ich, dass Fischers Helene mit Remixen punktuell auch bei Sunshine Live, Radio 7, SAW oder Ostseewelle gespielt wird. Ausnahme? Hoffnungsschimmer?
 
Mal eine generelle Frage an die Experten:
Aus wieviel Songs sollte eine gute Playlist bestehen und wieviele sind es in Wirklichkeit?
Irgendwo hatte ich mal etwas von 200 Liedern aufgeschnappt. Vielen Dank.
 
Ja, Herr Stockinger, da hat er wohl recht: Das Selbstbewusstsein der Radiomacher ist durchaus überschaubar. Zumindest begegnen auch mir regelmäßig Leute, die "nur" beim Radio arbeiten, die sich längst aus dem Redakteursjob in den Programmverkäuferjob verabschiedet haben, weil "Journalisten beim Radio nicht mehr gebraucht werden". Am Ende liefern Deppen Deppen Ohr-Riesel-Konsum und das war's. Manchmal kann man schon depressiv werden.
 
Auch ich muss Stockinger Recht geben, auch wenn es wohlfeil ist, dieses Manko der Gattung zu beklagen (und quasi die Privaten zu meinen), wenn man gemütlich und sicher im gepolsterten Gebühren- bzw. Haushaltsabgabesessel sitzt. Allerdings habe ich schon den Eindruck, dass die Privaten in den letzten 1 - 2 Jahren kapiert haben, dass sie nur mit den 3 großen "M" (Musik, Moderation und Morgenshow) auf Dauer nicht überleben werden und sich mehr Mühe geben und mehr Geld in Content stecken.

Hier in Thüringen gibt es bei Antenne Thüringen eine redaktionelle Tageszusammenfassung am frühen Abend sowie später ein halbstündiges Nachtmagazin, das auch für den Radiopreis nominiert war und es gibt in Weimar auch eine Nachrichtenredaktion, die die Nachrichten selbst macht.
 
@Cool Head, das weist ja schon die Erbärmlichkeit des heutigen Matschfunks aus: Dass es ein besonderes Qualitätsmerkmal wird, wenn eine Nachrichtenredaktion ihre Nachrichten selbst macht.
Könnt' isch ma' jepflecht kotzen.
 
Status
Für weitere Antworten geschlossen.
Zurück
Oben