Wo ist hier der Krach?
Was der deutsche öffentlich-rechtliche Rundfunk von anderen Ländern lernen kann. Eine Interview-Reihe.
woisthierderkrach.de
Interview: https://uebermedien.de/85903/wie-kann-die-musik-im-oeffentlich-rechtlichen-radio-besser-werden/
Natürlich teile ich die grundlegende Problemanalyse. Die aufgestellten Forderungen erscheinen mir aber fast alle realitätsfremd.
- Der Sender schafft Platz für Newcomer*innen und fokussiert sich auf die Vorstellung neuer Musik; sie ist gleichberechtigt mit der kompletten Musikgeschichte der letzten 60 Jahre.
- Die Musikauswahl besticht durch Diversität, sowohl im Klang, als auch in den gespielten Künstler*innen (Genre, Herkunft, Gender). Eine Quote gibt es nicht, doch Ziel ist es, den heimischen Musikmarkt zu stärken, weswegen Musik aus Deutschland (egal in welcher Sprache) viel Raum einnimmt.
- Der Sender bildet eine Alternative zu anderen Radiosendern, in dem er sich deutlich vom Mainstream abgrenzt. Es werden vor allem Spartenmusikstile wie Indie, Punk, Jazz, Funk, Techno, Metal, Pop, Hip-Hop, R’n’B und deren Subgenre gespielt. Das heißt nicht, dass keine Hits laufen, sie sind allerdings nur ein Teil vom großen Ganzen. Jedes Genre darf jederzeit passieren und ist nicht an bestimmte Strecken gebunden. Der Sender hat keinen bestimmten “Sound”, er besticht vielmehr durch einen vielfältigen Umgang mit Musikgenres. Die musikalischen Möglichkeiten des Senders sind endlos.
- Die Moderator*innen und DJs sind Expert*innen auf ihren jeweiligen musikalischen Gebieten.
- Music is entertainment. Der Sender hat keinen Anspruch auf Hochkultur. Er will auch nicht so klingen. Die Ansprechhaltung ist locker, informativ und auf Augenhöhe, ohne flapsig zu sein.
- Es gibt keine Beiträge zu anderen Themen wie Politik oder Wirtschaft. Alles hat einen Bezug zu Musik. Themen wie Literatur, Film oder Kunst sind denkbar.
- Die Einschaltquote spielt bei diesem Sender eine untergeordnete Rolle. Er erfüllt die immens wichtige Aufgabe des Nachwuchsaufbaus und der Vielfaltssicherung. Ein neuer Sender braucht Zeit, sich zu etablieren, und muss mindestens fünf Jahre laufen, um einer vollwertigen Evaluation unterzogen werden zu können.
Und auf den ÖRR zu hoffen, bleibt wohl ein Wunschtraum. Ich selbst glaube schon länger nicht mehr, dass ein musikorientierter Ansatz für ein Radioprogramm neue und junge Hörerschichten zum Radio bringen kann. Dazu hat sich der Musikkonsum und die Bedeutung von Musik einfach zu stark verändert.
Wenn es den Initiatoren wirklich ernst wäre, könnten Sie doch eine Crowdfunding-Kampagne für ein solches, komplett durchfinanziertes deutschlandweites Musikradio aufsetzen. Danach wäre man auf jeden Fall schlauer bezüglich der Erfolgsaussichten und des Interesses.