Vorab: Meine Kritik bezog sich nicht daran, dass es kommerzielle, werbefinanzierte Programme gibt, die sich in der Programmgestaltung ausschließlich an wirtschaftlichen Kriterien orientieren. Mein Thema hier präzise war die Verlässlichkeit der MA-Zahlen; für den ganzen Rest gibt es im Forum noch genügend andere Threads.
Dementsprechend wird die Erinnerung an Radioprogramme abgefragt.
Sie wird abgefragt, aber ich bezweifle, dass sie auch gemessen wird. Nicht umsonst konzentrieren sich die Plakataktionen der Sender auf die MA-Zeit. Wer täglich auf dem Weg zu Arbeit "Mehr Spaß an Hitradio XY" an der Bushalte liest, erinnert sich eher an den Sendernamen - unabhängig davon, ob er den Sender tatsächlich hört, geschweige denn sich an die dort gespielte Werbung erinnert.
Es interessiert keinen Werbetreibenden, ob faktisch 350.000 Menschen einem Sender lediglich ausgesetzt waren, wie es die technische Erfassung im Schweizer Modell tut. Werbetreibende interessiert, ob ein Sender, ein Programm den Weg in die Erinnerung schafft.
Kannst Du mir irgendein Dokument irgendeines Radiosenders oder irgendeiner Mediaagentur zeigen, in der die Aussage aufgestellt wird, die MA würde nicht die Hörerzahl ermitteln, sondern präzise die Hörer, die sie an die Programminhalte erinnern? (Bevor jemand nachfragt: Aus meiner Sicht ermittelt sie weder das eine noch das andere.)
Wenn das dann nur 235.000 waren, mag das die echte Hörerzahl nicht widerspiegeln, aber die 235.000, die sich erinnert haben, sind es, die in der MA auftauchen und nachher verkauft werden, weil es um diese Hörer geht. Die Differenz von 115.000 interessiert nicht, und die 115.000 Hörer interessieren auch nicht, denn letztlich wurde sie zwar beschallt, aber nicht erreicht.
Mit dieser Realität muss eine MA etwas zu tun haben.
Wenn dem so wäre, müsste die MA-Hörerzahl gegenüber der Realität systematisch nach unten verzerrt sein. Das behaupten aber noch nicht einmal die entsprendenden Firmen.
Aber in diesem Maßstab sind dann die Reihenfolge der Sender und die Einzelergebnisse durchaus plausibel.
Selbst wenn man davon ausginge, bei der MA handle es sich eben um ADAC-mäßige Zahlen, das heißt, die Fallzahlen seien zwar (viel?) zu hoch, aber wenigstens stimme die Reihenfolge, so hätte die Branche dennoch ein Problem, weil dann der TKP im Vergleich zu anderen Mediengattungen hochgehen würden, und die Sender die Preise drastisch anpassen müssten, um in der Mediaplanung nicht völlig außen vor zu bleiben. Aber selbst das ist nicht der Fall, denn die gemessene "Erinnerung" ist bekanntlich auch von externen Faktoren abhängig. Man denke etwa an die offizielle Hörerzahl von RTL (Luxemburg) in Sachsen. Meine persönliche Theorie zu den Computer-BILD-Zahlen ist auch die, dass einfach viele Befragte verstanden hatten, sie würden gefragt, ob sie die BILD am Computer lesen (ergo bild.de), und von der gedruckten Computer-BILD noch nie was gehört haben.
Ihr müsst nachts durch den Wald gehen. Wie erreicht ihr leichter euer Ziel: a. ohne Taschenlampen? b. mit einer kleinen Taschenlampe?
Aus Erfahrung weiß ich: Lieber selbst nach dem Weg suchen, als jemanden fragen, der ihn nicht kennt, aber ein Interesse hat, Dich in eine bestimmte Richtung zu lenken. Passiert zum Beispiel in den Touristenstädten Italiens gerne.
Bevor hier die MA kritisiert wird, sollten wenigstens Kenntnisse auf dem Level der Unikurse Marktforschung I und II vorhanden sein. "Gesunder Menschenverstand" und einmal Wiki querlesen ist dafür leider nicht ausreichend.
In der Tat schadet es nicht, über Marktforschung im allgemeinen (werden Statistikseminare auch akzeptiert?) und die Methodik der MA im Besonderen Bescheid zu wissen. (Dann sollte man aber besser nicht für die ag.ma arbeiten, denn schon allein die Repräsentativität der Befragten zur Grundmenge der deutschen Radiohörer ist sehr zweifelhaft. Das ist aber eigentlich nochmal ein anderes Fass, dass ich hier gar nicht aufmachen wollte.) Sobald aber die Zahlen halbjährlich auf dem Tisch liegen, werden sie sowohl hier im Forum als auch in den Mediaagenturen so behandelt, als seien sie von Gott persönlich gegengezeichnet worden und würden exakt das Hörerverhalten wiederspiegeln.
Kunden und Agenturen haben zumeist eine gute Einschätzung zu einem Sender. Im Zweifelsfall informiert der nette Kollege vom Konkurrenz-sender bzw. -medium.
1. Viele privat Radiosender haben gar keinen direkten Konkurrenten, sondern sind Gebietsmonopolist oder betreiben das örtliche Alternativprogramm gleich selbst.
2. Selbst dort, wo es zwei Konkurrenzprogramme für das Bundesland oder die Stadt gibt, ist man Partner bei der Werbevermarktung.
3. Wenn alle Sender mit überhöhten Zahlen arbeiten, ist es für alle besser zu schweigen. Die eigenen Fallzahlen werden ja nicht besser, wenn man den Konkurrenten anschwärzt - im Gegenteil.
4. Kannst Du einen konkreten Fall benennen, bei dem ein Radiosender die Manipulation durch einen anderen Radiosender aufgedeckt hat?
Es ist fünfmal besser zu einem schlechten Ergebnis zu stehen, als es irgendwie mit krummen Vergleichen. ... Die meist grottenschlechten Presseerklärungen werden wohl nur in der Radioszene gelesen.
Das ist jetzt ein bisschen ein Widerspruch, denn die beschönigenden Pressemitteilungen à la "der erfolgreichste Lokalsender" (bei null Konkurrenten) sind ja keine Ausrutscher von wenigen schwarzen Schafen.
Ich könnte mir vorstellen, in PR-Seminaren werden sie gern als Bad Case genutzt.
Wie Du in Deinem Vorgängerpost geschrieben hast: Meinung ist das Gegenteil von Wissen.
Aber wenn wir schon dabei sind: Mediaagenturen interessieren sich sicherlich eher für die nackten Zahlen (wie auch immer sie ausgewürfelt wurden) als für sich weiderholende Textbausteine. Aber als Formulierungshilfe für die eigene Nachrichtenredaktion und die lokale Zeitung sowie zur Akquise (naiver) Neukunden sind sie meiner Erfahrung nach ganz hilfreich.