RUNDFUNK / Radio Ton übernimmt Neckar Alb Radio
Schnitt in der Radiolandschaft?
Landesanstalt wacht über Lizensierungsgrundlagen - Kündigungen ausgesprochen
Neckar Alb Radio ist der erfolgreichste private Lokalsender im Land. Bei der jüngsten Höreranalyse legte er in den wichtigsten Merkmalen zu, er schreibt schwarze Zahlen. Trotzdem wird es den Sender bald nicht mehr geben: Radio Ton aus Schwäbisch-Hall übernimmt.
ROLF MACK
REUTLINGEN Erste Anzeichen, dass sich bei Neckar Alb Radio etwas ändert, gibt es schon: Beim Morgenmann gibt es keine Tassen mehr. Sie brauchen nicht mehr nachbestellt zu werden, denn Neckar- Alb ist ein Auslaufmodell.
Die erfolgreichen Radiomacher sind schon gekündigt oder warten auf die Kündigung. Die Übernahme durch Radio Ton wird vollzogen.
Der Hörer, so er nicht sehr sensibel auf Tassen reagiert, merkt zunächst einmal nichts, denn die Mannschaft um Chef Wolfgang Löffler will den Sender trotz der Unsicherheit über das eigene Schicksal unter Volldampf bis zum bitteren Ende über den Äther gehen lassen.
Alarmglocken
Die Übernahme der Silberburgstraße durch Radio Ton - einem Sender, der in Heilbronn zu Hause ist und neben einer Reihe weiterer Eigner von der Heilbronner Stimme bestimmt wird - müssten eigentlich die Alarmglocken bei allen Medieninteressierten in der Region klingeln lassen.
Neckar Alb Radio - im Eigentum der LR Lokal-Regionalfunk GmbH, die wiederum der Dr. Haas GmbH, der Holding des Mannheimer Morgens gehört - hat vor Monaten seine Lizenz als Lokalsender für die Region Reutlingen-Tübingen bekommen.
Ausdrücklich stand in der Lizenzerteilung durch die Landesanstalt für Kommunikation, dass der Sender wegen seiner "Lokalität", das heißt, wegen seiner guten Lokalfunkarbeit die Lizenz erneut bekommen habe. Wenige Monate nach der Lizenzvergabe könnten sich die Dinge grundlegend ändern.
Radio Ton ist nicht nur im eigentlichen Heimatgebiet vertreten, sondern hat auch schon eine Übernahme in Ostwürttemberg geschafft. Der Sender ist auf dem Weg, sich landesweit zu positionieren. Dies ist für ihn wichtig, weil erst dann die großen Markenartikler auch diese Hörfunksender in ihr Werbemix aufnehmen. Thomas Münch, Dekanatsreferent der Katholischen Kirche in Reutlingen, ist zweifach betroffen: Einmal als Vorsitzender des Programmbeirates von Neckar Alb Radio, der sich allerdings nach der Neulizenzierung noch nicht wieder konstituiert hat und zum anderen sitzt er im Medienbeirat der Landesanstalt für Kommunikation.
Als Programmbeiratsvorsitzender ist Münch beunruhigt darüber, dass die gute Arbeit des Senders in Zukunft vielleicht nicht mehr weitergemacht werden kann. Münch denkt nicht nur an die Sendungen des Radios, sondern auch an die Dinge, die Neckar Alb Radio darüber hinaus in der Stadt vor Ort gemacht hat: Festivals in Reutlingen und Tübingen und viele Moderationen bei anderen Anlässen.
Münch hat deshalb einen Brief an den Präsidenten der Landesanstalt für Kommunikation, Dr. Thomas Hirschle, geschrieben.
Darin heißt es unter anderem: Durch die Kündigungen bei Neckar Alb Radio und die Suche von Radio Ton nach Vertriebsleuten ergebe sich für ihn die Vermutung eines "radikalen Einschnitts in die örtliche Radiolandschaft".
Obwohl unternehmerische Entscheidungen auch im Hörfunkbereich zu respektieren seien, scheint es für Münch doch so zu sein, dass die Gefahr besteht, dass Faktoren, die für die Lizenzerteilung wichtig waren, künftig nicht mehr so beachtet werden könnten. Münch, der Neckar Alb Radio bescheinigt, im Lizenzantrag ein "glaubhaftes und nachvollziebares Konzept" für Lokalfunk vorgelegt zu haben, denkt vor allem an den starken Lokalbezug und daran, dass es dem Sender wirtschaftlich gut geht, es sich also nicht um die Übernahme eines herabgewirtschafteten Unternehmens handelt.
"In dieser Situation", schreibt Münch weiter, "ist für die Hörerschaft...schwer nachvollziehbar, weshalb ein Lokalradio, das über die letzten Jahre eine stark wachsende Höreridentität und -bindung erzeugt hat, nicht mehr mit diesem Programmprofil zu hören sein soll.
Befürchtung
Vielmehr ist zu befürchten, dass sich Neckar Alb Radio künftig mit einem von Volontären erstellten lokalen Fenster eines sich als Bereichssenders gerierenden Hörfunkveranstalters zufrieden geben muss. Denn es ist zu bezweifeln, ob ein auf eine "Kernmannschaft" reduziertes Personal weiterhin On- und Off-Air Aktionen mit spezifisch lokalem Zuschnitt leisten kann. Es droht eine erheblicher Verlust für die Region und die Hörfunklandschaft."
Münch stellt deshalb Fragen an die Landesanstalt. Dabei geht es um die Sicherstellung des lokalen Funkes, die Änderung der Grundlagen, auf denen die Lizenz erteilt wurde im neuen Setup, um die Frage nach der Ernsthaftigkeit und dem Wert von Landesanstaltsentscheidungen und die Konsequenzen, die diese für die Lizenz in Reutlingen zu ziehen gedenkt.
"Wir sind keine Sheriffs und keine Gewerkschaft," sagt der Sprecher der Landesanstalt für Kommunikation, Frank Scherer. Er wehrt sich gegen den Terminus Übernahme und spricht von Vorgesprächen über Programmzulieferung und die Übernahme von Anteilen.
Scherer trennt scharf zwischen dem, was wirtschaftlich passiert, und dem, was die Landesanstalt zu prüfen hat.
Sie hat zu prüfen, ob die Grundlagen für die Lizenzerteilung für Neckar Alb Radio weiterbestehen. Dafür hat sie drei Monate Zeit, das Programm zu beobachten.
Sie prüft auch das Konzept der neuen Eigner des Radios und die Organisationsstruktur. Erkennt sie Verstöße, dann, sagt Frank Scherer, wird sie auch reagieren.
Doch ob in Heilbronn derselbe Musikteppich zu hören ist wie in Reutlingen, das interessiert die Landesanstalt nicht. Zusammenarbeit sei wegen der wirtschaftlichen Stärkung der Sender sogar erwünscht.
Auch die Politik bekommt langsam Wind von der Geschichte: Rudolf Hausmann, der SPD-Landtagsabgeordnete, will eine Anfrage an das zuständige Ministerium stellen, Dieter Hillebrand (CDU-MdL) bei der Landesanstalt nachfragen.
Erscheinungsdatum: Donnerstag 20.03.2003