AW: RADIO CITY FM oder ist ein neuer (Anti-"Dudelfunk")-Sender in NRW legal realisier
Liebe Hilde!
Ja, so ist das (leider)...
hilde schrieb:
Für mich gibt es im Wesentlichen drei Gründe, warum "Oldies" im Radio so selten sind.
1. Geld: Für Grünschnäbel, die noch zu Hause bei Mama wohnen, sind 50 Euro pro Show viel Geld.
Und diese erzählen uns dann etwas z.B. über die STONES oder über Originale und Cover-Versionen! 50 Euro für EINE KOMPLETTE SENDUNG? Wie bitte??? Das ist ja eine Unverschämtheit!!! Welcher Sender zahlt denn solch' ein "Hunger-Honorar"? Lokale Privatsender, oder?
hilde schrieb:
2. Formbarkeit: Individualität ist nicht gefragt. Schulabgänger lassen sich viel einfacher eine Form pressen und zu persönlichkeitslosen Radiorobotern formen. Das Ergebnis: Alle klingen einfach nur "nett".
Bingo! Das ist leider so - und das "Ergebnis" ist ja deutschlandweit bekannt!
hilde schrieb:
3. Hierarchiegefälle: Ein PD (bestenfalls Ü40), der einen 60-jährigen DJ einstellt, riskiert nahezu täglich, daß sein Moderator es besser weiß.
Das ist aber wirklich traurig! Welche Aufgabe habe ich denn als PD? Meinen Stuhl (und Hintern) zu "retten", oder ein "Hammer-Programm" für meine Zielgruppe zu gestalten und dadurch meinen Sender zum Marktführer zu machen? Mit den Kandidaten aus Deinen Punkten 1 und 2 bekomme ich das am Ende des Tages nicht wirklich hin, nicht wahr? Also, wenn ich als PD wirklich "Eier in der Hose" habe, dann hole ich mir einen (oder besser noch ein paar solcher "alten DJ-Säcke" UND gebe ihnen entsprechende Freiheiten), denn DIE sind die Garantie dafür, dass mein Programm a) authentisch ist und b) tatsächliche Hörerbindung entwickelt. Auch wenn ich als PD "erst" aus der Ü40-Katgeorie stamme!
Das "Risiko" von meinen "Oldies" Argumente zu bekommen, MUSS ich dann einfach eingehen, oder? Und wenn diese "Oldies" mir Argumente liefern, dann MUSS ich verdammt nochmal darüber nachdenken, ob die "Oldies" nicht vielleicht sogar Recht haben! Sie haben ja schließlich um die 20 Jahre mehr Lebenserfahrung (und Radioerfahrung!) als ich "Ü40er"! Oder breche ich mir als "der große Herr Programmdirektor" dadurch etwa einen Zacken aus der Krone? Ich denke nicht, denn diese 20 Jahre Mehr-Erfahrung einfach zu ignorieren (oder sogar "auszumustern", wie hier in Deutschland geschehen), können den Erfolg meines Senders sogar nachhaltig gefährden.
Übrigens, meine 25jährigen "Grünschnäbel", die noch bei Mama wohnen und mir für 50 Tacken 'ne komplette Show liefern, können dabei auch nur für Ihre berufliche Zukunft profitieren! Denn "die alten Säcke" werden den "Grünschnäbeln" mit ziemlicher Sicherheit das eine oder andere wichtige "Ding" so ganz nebenbei auch noch beibringen! Und sei es, dass die gerade gespielte Cover-Version im Original eben nicht von Künstler XY, sondern von Künstler AB im Original stammt.
Ich weiss wovon ich spreche, denn ich habe das Radiomachen in frühesten Jugendjahren in einem solchen Umfeld damaliger "alter Säcke" von der Pieke auf gelernt. Und diese Erfahrung(en) möchte ich heute (als 40jähriger) nicht missen.
Wie sagte schon Roman Herzog, in seiner berühmten Grundsatzrede als Bundespräsident, am 26. April 1997 im Hotel Adlon?
"...hier spürt man: Wir können etwas gestalten, ja sogar etwas verändern. Einen neuen Aufbruch schaffen, wie ihn nicht nur Berlin, sondern unser ganzes Land braucht.".
Weiter heißt es:
"Was sehe ich dagegen in Deutschland? Hier herrscht ganz überwiegend Mutlosigkeit, Krisenszenarien werden gepflegt. Ein Gefühl der Lähmung liegt über unserer Gesellschaft.". Dann fragt er: "
Was ist los mit unserem Land? Im Klartext: Der Verlust wirtschaftlicher Dynamik, die Erstarrung der Gesellschaft, eine unglaubliche mentale Depression - das sind die Stichworte der Krise. Sie bilden einen allgegenwärtigen Dreiklang, aber einen Dreiklang in Moll." und trifft es dabei auf den Punkt und meint:
"Deutschland droht tatsächlich zurückzufallen. Wer Initiative zeigt, wer vor allem neue Wege gehen will, droht unter einem Wust von wohlmeinenden Vorschriften zu ersticken. Um deutsche Regulierungswut kennenzulernen, reicht schon der Versuch, ein simples Einfamilienhaus zu bauen. Kein Wunder, daß es - trotz ähnlicher Löhne - soviel billiger ist, das gleiche Haus in Holland zu bauen.
Und dieser Bürokratismus trifft nicht nur den kleinen Häuslebauer. Er trifft auch die großen und kleinen Unternehmer und er trifft ganz besonders den, der auf die verwegene Idee kommt, in Deutschland ein Unternehmen zu gründen. Bill Gates fing in einer Garage an und hatte als junger Mann schon ein Weltunternehmen. Manche sagen mit bitterem Spott, daß sein Garagenbetrieb bei uns schon an der Gewerbeaufsicht gescheitert wäre.
Und der Verlust der wirtschaftlichen Dynamik geht Hand in Hand mit der Erstarrung unserer Gesellschaft. ".
Weiter heißt es:
"...wer heute in unsere Medien schaut, der gewinnt den Eindruck, daß Pessimismus das allgemeine Lebensgefühl bei uns geworden ist. Das ist ungeheuer gefährlich; denn nur zu leicht verführt Angst zu dem Reflex, alles Bestehende erhalten zu wollen, koste es was es wolle. Eine von Ängsten erfüllte Gesellschaft wird unfähig zu Reformen und damit zur Gestaltung der Zukunft. Angst lähmt den Erfindergeist, den Mut zur Selbständigkeit, die Hoffnung, mit den Problemen fertigzuwerden. Unser deutsches Wort "Angst" ist bereits als Symbol unserer Befindlichkeit in den Sprachschatz der Amerikaner und Franzosen eingeflossen. "Mut" oder "Selbstvertrauen" scheinen dagegen aus der Mode gekommen zu sein.
Unser eigentliches Problem ist also ein mentales: Es ist ja nicht so, als ob wir nicht wüßten, daß wir Wirtschaft und Gesellschaft dringend modernisieren müssen. Trotzdem geht es nur mit quälender Langsamkeit voran. Uns fehlt der Schwung zur Erneuerung, die Bereitschaft, Risiken einzugehen, eingefahrene Wege zu verlassen, Neues zu wagen. Ich behaupte: Wir haben kein Erkenntnisproblem, sondern ein Umsetzungsproblem."
Und er trifft den Nagel auf den Kopf:
"Dabei leisten wir uns auch noch den Luxus, so zu tun, als hätten wir zur Erneuerung beliebig viel Zeit: Ob Steuern, Renten, Gesundheit, Bildung, selbst der Euro - zu hören sind vor allem die Stimmen der Interessengruppen und Bedenkenträger. Wer die großen Reformen verschiebt oder verhindern will, muß aber wissen, daß unser Volk insgesamt dafür einen hohen Preis zahlen wird. Ich warne alle, die es angeht, eine dieser Reformen aus wahltaktischen Gründen zu verzögern oder gar scheitern zu lassen. Den Preis dafür zahlen vor allem die Arbeitslosen.".
Dann charakterisiert er die hierzulande übliche Vorgehensweise und meint:
"Stattdessen gefallen wir uns in Angstszenarien. Kaum eine neue Entdeckung, bei der nicht zuerst nach den Risiken und Gefahren, keineswegs aber nach den Chancen gefragt wird."
Und meint weiter:
"Wir leiden darunter, daß die Diskussionen bei uns bis zur Unkenntlichkeit verzerrt werden - teils ideologisiert, teils einfach "idiotisiert". Solche Debatten führen nicht mehr zu Entscheidungen, sondern sie münden in Rituale, die immer wieder nach dem gleichen Muster ablaufen, nach einer Art Sieben-Stufen-Programm:
1. Am Anfang steht ein Vorschlag, der irgendeiner Interessengruppe Opfer abverlangen würde.
2. Die Medien melden eine Welle "kollektiver Empörung".
3. Spätestens jetzt springen die politischen Parteien auf das Thema auf, die einen dafür, die anderen dagegen.
4. Die nächste Phase produziert ein Wirrwarr von Alternativvorschlägen und Aktionismen aller Art, bis hin zu Massendemonstrationen, Unterschriftensammlungen und zweifelhaften Blitzumfragen.
5. Es folgt allgemeine Unübersichtlichkeit, die Bürger werden verunsichert.
6. Nunmehr erschallen von allen Seiten Appelle zur "Besonnenheit".
7. Am Ende steht meist die Vertagung des Problems. Der Status quo setzt sich durch. Alle warten auf das nächste Thema."
Ferner schätzt Roman Herzog die Lage in Deutschland damals so ein:
"Unser Land befindet sich aber in einer Lage, in der wir es uns nicht mehr leisten können, immer nur den Weg des geringsten Widerstands zu gehen.
Ich glaube sogar: In Zeiten existentieller Herausforderung wird nur der gewinnen, der wirklich zu führen bereit ist, dem es um Überzeugung geht und nicht um politische, wirtschaftliche oder mediale Macht - ihren Erhalt oder auch ihren Gewinn."
Die Frage nach Lösung der Probleme beantwortet der frühere Bundespräsident u.a. mit den Worten:
"Zuerst müssen wir uns darüber klar werden, in welcher Gesellschaft wir im 21. Jahrhundert leben wollen. Wir brauchen wieder eine Vision. Visionen sind nichts anderes als Strategien des Handelns. Das ist es, was sie von Utopien unterscheidet. Visionen können ungeahnte Kräfte mobilisieren: Ich erinnere nur an die Vitalität des "American Dream", an die Vision der Perestroika, an die Kraft der Freiheitsidee im Herbst 1989 in Deutschland."
Ferner heißt es:
"Wir brauchen aber nicht nur den Mut zu solchen Visionen, wir brauchen auch die Kraft und die Bereitschaft, sie zu verwirklichen. Ich rufe auf zur inneren Erneuerung! Vor uns liegt ein langer Weg der Reformen. Wir müssen heute mit dem ersten Schritt beginnen."
Zur Jugend meint er u.a.:
"Wenn ich von der Zukunft unserer Gesellschaft rede, spreche ich - wie schon gesagt - zwangsläufig von der Jugend. Unsere Jugend ist das größte Kapital, das wir haben. Wir müssen ihr nur Perspektiven geben."
Dann stehen die Älteren im Zentrum seiner Kritik:
"Wir Älteren aber müssen uns die Frage stellen: Was leben wir den jungen Menschen vor? Welche Leitbilder geben wir ihnen? Das Leitbild des ewig irritierten, ewig verzweifelten Versorgungsbürgers kann es doch wahrhaftig nicht sein! Die Jungen beobachten uns Alte sehr genau. Wirklich überzeugen werden wir sie nur, wenn wir ihnen unsere eigene Verantwortung glaubhaft vorleben.
Und schließlich: Wir müssen von dem hohen Ross herunter, daß Lösungen für unsere Probleme nur in Deutschland gefunden werden können. Der Blick auf den eigenen Bauchnabel verrät nur wenig Neues. Jeder weiß, daß wir eine lernende Gesellschaft sein müssen. Also müssen wir Teil einer lernenden Weltgesellschaft werden, einer Gesellschaft, die rund um den Globus nach den besten Ideen, den besten Lösungen sucht. Die Globalisierung hat nicht nur einen Weltmarkt für Güter und Kapital, sondern auch einen Weltmarkt der Ideen geschaffen, und dieser Markt steht auch uns offen."
In diesem Zusammenhang spricht Roman Herzog das für viele Menschen hierzulande große Vorbild Amerika an und meint:
"In den USA hat eine gezielte Strategie neuartiges Wachstum ausgelöst, das Millionen neue Arbeitsplätze geschaffen hat. Ich weiß, hier kommt gleich das Argument, daß nicht alles, was in Amerika geschieht, auf uns übertragbar ist und daß wir amerikanische Verhältnisse bei uns auch gar nicht wollen. Das ist sicher richtig, aber es darf uns nicht hindern, einmal genauer hinzuschauen. Ich fordere auf, von anderen zu lernen, nicht sie zu kopieren!"
Hier nun der berühmte "Ruck"-Abschnitt jener Rede:
"Die Aufgaben, vor denen wir stehen, sind gewaltig. Die Menschen fühlen sich durch die Fülle der gleichzeitig notwendigen Veränderungen überlastet. Das ist verständlich, denn der Nachholbedarf an Reformen hat sich bei uns geradezu aufgestaut. Es wird Kraft und Anstrengung kosten, die Erneuerung voranzutreiben, und es ist bereits viel Zeit verloren gegangen. Niemand darf aber vergessen: In hochtechnisierten Gesellschaften ist permanente Innovation eine Daueraufgabe! Die Welt ist im Aufbruch, sie wartet nicht auf Deutschland. Aber es ist auch noch nicht zu spät. Durch Deutschland muß ein Ruck gehen.".
Er endet seine Rede u.a. mit den Worten:
"Warum sollte bei uns nicht möglich sein, was in Amerika und anderswo längst gelungen ist? Wir müssen jetzt an die Arbeit gehen. Ich rufe auf zu mehr Selbstverantwortung. Ich setze auf erneuerten Mut. Und ich vertraue auf unsere Gestaltungskraft. Glauben wir wieder an uns selber. Die besten Jahre liegen noch vor uns.".
In jener Grundsatzrede vom ehemaligen Bundespräsidenten Roman Herzog ging es thematisch primär um den Zustand in unserem Land, um den Zustand unserer Gesellschaft und um die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt. Ich finde es allerdings bemerkenswert, wie gut Passagen seiner Rede vom April 1997 auf die Mentalität und den Zustand im heutigen Rundfunk in Deutschland passen. Das ist doch kein Zufall, oder? Der Mann hat(te) meines Erachtens vollkommen Recht. Und das muss sogar ich zugeben, obwohl ich nun nicht gerade im politisch konservativen Lager anzusiedeln bin.
Die komplette Rede kann u.a. unter
www.stern.de/politik/deutschland/roman-herzog-durch-deutschland-muss-ein-ruck-gehen-521364.html oder auch anderen Quellen nachgelesen werden.
Gute Nacht, (Radio-)Deutschland!
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