AW: Läuft hier jetzt der Versuch,
Bei Sputnik laufen gute Inhalte und die Musik gefällt mir auch.
Und was soll diese Aussage aussagen? Günstigstenfalls (und davon gehe ich erst einmal aus) genausoviel wie meine Aussage, daß die Inhalte tagsüber kaum noch messbar sind und die Musik großteils das pure Elend ist. Aktuell sehe ich schon wieder Katy Perry, David Guetta, Rihanna, Travie McCoy und Lady GaGa. Dazu brauche ich keinen Gebührenfunk, das können die Privaten auch. In einem solchen Umfeld fühlt sich kein Mensch mit gesund entwickeltem Wertebild wohl. Davon bin ich zutiefst überzeugt.
Ist Dir eigentlich klar, zu welchen absurden Forderungen Du dich hier versteigst? Nur weil ein Radiosender nicht mehr Deine Lieblingsmusik spielt, wünschst Du dir die DDR zurück.
Nun, im Einigungsvertrag steht nicht drin, daß diejenigen Ostgeborenen, die ein bissl Hirn zwischen den Ohren haben, per 3.10.1990 zu eliminieren sind. Hat man offenbar übersehen. Und also bin ich noch hier und also erwarte ich auch, daß für Leute wie mich da, wo ich mich aufhalte, auch mediale Angebote existieren, die schmerzfrei nutzbar sind und mir neben "nackter" Information (die ich mir schmerzfrei auch beim DLF holen könnte) auch etwas Kultur bieten. Der MDR tuts nicht auf Jump, er tuts für meinen Kulturkreis auch nicht auf Figaro. Er tut es nicht auf Info (welch Wunder) und nicht auf MDR 1. Er tat es ein wenig auf Sputnik - und das fordere ich sehr wohl zurück. Und ich bin überzeugt, das Recht dazu zu haben, denn das Verhältnis zwischen solchen Angeboten und denen für die Trivial-Hörer ist derzeit mindestens 0:x und x ist recht groß. Da läuft gehörig was schief. Beruhigend, daß andere das genauso sehen.
Hast Du dich wirklich mal mit Menschen auseinandergesetzt, denen dieser Staat ihr ganzes Leben zerstört hat?
Ich kenne die dahinter liegende Neurose aus der damaligen Zeit noch. Wir hatten auch so einen in der Schulklasse. Nun war er schon auf einer besonders hochwertigen Schule, wurde leistungsmäßig besonders gefördert, mußte aber den Leidenden abgeben, da er aufgrund der familiären Prägung zu einer besonderen Sorte selbsternannter "Intellektueller" gehörte, Umfeld Stefan Krawczyk und andere "Künstler". Da krakelte man dann solange herum, bis man endlich den Zustand hatte, den man sich wünschte: sich als Opfer betrachten zu können, um damit dann hausieren zu gehen. Interessant, daß man von diesen Leuten auch nach der Wende nie was wirklich relevantes zu hören bekam. Ich verweise in diesem Zusammenhang genüßlich auf den "
Nachruf auf Wolf Biermann" von Wiglaf Droste, der das Elend dieser Szene herrlich auf den Punkt bringt.
Ich bin froh, dass ich heute meine Meinung sagen kann. Dass ich entscheiden kann, was ich im Radio hören will und ich bin auch froh, dass Andersdenkende die gleichen Rechte haben.
Das ist nicht nachvollziehbar, denn das gleiche Recht willst Du mir ja wohl gerade nicht zubilligen. Ich habe die Wahl zwischen Schund oder Ausschalten - und andere dürfen sich unter x mal Schund ihren Lieblingsschund aussuchen. Genau das prangere ich an - und das werde ich auch weiterhin tun. Solange mir dieser Staat nicht schriftlich gibt, daß ich weniger Rechte genieße, sehe ich gar keine andere Wahl, als das anzuprangern. Ich bin nicht gewillt, den Weg meiner Freunde zu gehen: den ins innere Exil, da das Leben in der Öffentlichkeit zwischen Werbegebrüll, Schund statt Kultur und grenzenlosem Kommerz unerträglich geworden ist. Gedemütigte, die sich komplett zurückziehen, statt aufzubegehren. Ich halte das Leben in solchen Zuständen nicht für hinnehmbar.
Du hast alle Möglichkeiten etwas zu ändern: Such Dir einen Job beim Radio, kämpfe dort für Deine Ideen und setze sie um.
Möglichkeiten, etwas zu ändern, hat man in diesem Land nicht, zumindest nicht auf dem Wege der hier herrschenden Scheindemokratie, deren einziges Ziel das ins-Leere-Laufen jeglicher Bemühungen ist, bis am Ende die Resignation und der Rückzug der engagierten Menschen steht. Wäre es anders, wäre Ende 1991 nicht DT64 zerstört worden, wäre 1997 nicht Radio Brandenburg zerstört worden. Sonst hätte der hr nicht von Koch und Reitze hingerichtet werden können - da mußten gleich 2 Programme dran glauben (hr1 und hr XXL), die beide durch unfassbar primitive Abspielstationen ersetzt wurden.
Und beim Radio arbeiten... ich kenne genug Leute beim Radio, und die, die noch nicht das Handtuch geworfen haben, schieben dort oft mit einer Mischung aus Trauer und Frust Dienst nach Vorschrift. Wer Radio liebt, hat beim heutigen Radio kaum irgendwo noch Grund zur Freude. Ich sollte mir das antun, in einer Zeit, in der Widersetzen gegen das Formatkorsett zur Entlassung führt? In einer Zeit, in der manche Anstalt eine Art Berufsverbot für Mitarbeiter von Byte FM verhängt? In solchen Zuständen willst Du Möglichkeiten zur Veränderung erkennen? Ich nicht, beim besten Willen nicht.
Stattdessen kanzelst Du lieber Andersdenkende als kultur- und niveaulose Deppen ab und versuchst, Ihnen Deine Meinung aufzuzwingen. Das nenne ich Meinungsdiktatur. Ich glaube auch zu erahnen, warum Du dir die DDR zurück wünschst. Da wäre so etwas möglich gewesen. Ich bin so froh, dass mir heute Leute wie Du nicht mehr vorschreiben können, was ich im Radio zu hören habe und was ich gefälligst denken soll.
Ich kenne die Demagogie, die auch Du hier betreibst - aber ich falle nicht mehr darauf herein. Seit 1992 erklärt man jedem geistig halbwegs regen Menschen in diesem Land, er wäre ein psychisch gestörter, perverser Einzelfall. Alle anderen wären hingegen "normal" - sprich: Konsument. Ich zwinge niemandem meine Meinung auf, denn auch ohne Sputnik als inhaltsfreien Dudelfunk gibt es noch zig andere - viel besser empfangbare - Programme, die das Bedürfnis nach inhaltsfreiem Dudelfunk auf mannigfaltige Weise befriedigen. Aber ohne Sputnik als Jugendkulturprogramm gibt es in Mitteldeutschland kein Angebot. Das ist der Punkt, um den es hier geht.
Es ist eine der zentralen Perversionen dieser Gesellschaft, Kulturmenschen zu unterdrücken. Das Ergebnis davon sieht man tagtäglich auf der Straße - und es wird diesem Land das Genick brechen.
Das ist ein Radiosender, der in den letzten Jahren immer weniger Hörer hatte und jetzt einfach wieder gehört werden möchte.
Das erklärst Du jetzt bitte nochmal unter Einbeziehung
dieses Statements.
Und zusammenfassend: es ist beschämend, daß man sich als Kulturmensch tagtäglich für seine nackte Existenz rechtfertigen muß. Eine Schande für dieses Land!