spezi schrieb:
Auch die meisten anderen Privaten machten in der Startphase einfach mehr Spaß. Antenne Bayern, FFH, Regenbogen, ffn - die fand ich alle mal recht gut
Aus dem Zusammenhang gerissen, aber dieser Satz ist richtig. Ich würde von vier Phasen sprechen:
1. Das graue Voralter, geprägt durch den Missbrauch des Radios als Propagandainstrument Man kannte und wollte es nicht anders, Privat- oder gar Popradio durfte es nicht geben.
Als sich 1955 ab Bill Haley's Rock around the clock eine Popkultur entwickelte, wurde dies ignoriert und fand nur stundenweise statt. Bei der BBC bis 1967 nur zwei Stunden pro Woche! Der post-war-babyboom brach sich anders eine Bresche, siehe mein avatar. Jener rv01 hat es ja dauernd angeführt und damit nicht Unrecht gehabt.
Die bundesdeutschen Zustände hatte ich beschrieben. Ähnlich war es bei der BBC, da musste man mindestens 35 Jahre alt sein, um überhaupt vor das Mikrofon zu kommen. Um dann mit gestelzten Ansagen den midday-spin fahren zu dürfen.
2. Aufkommen der Servicewellen, aus denen dann die dritten Programme wurden. Bis dahin gab es einen Vietelstundengemischtwarenladen als erstes Programm und Klassik und Kultur als zweites. Selbst die dritten, poporientierten Programme unterlagen Reglements. Bei hr und br musste man sich alles absegnen lassen, nur swf3 war von der Musikzusammensetzung und Präsentation absoluter Vorreiter. Deren UKW-Frequenzen ragten wie die von Radio Luxemburg weit bis nach NRW hinein, sodass es im nördlichen Rheinland doch etwas Alternative gab.
3. Zulassung der ersten Privatradios. Es war eine Aufbruchstimmung und jahrelang wurde hier Pionierarbeit geleistet. Diese Stationen hatten nichts, gar nichts. Einer meiner Kollegen hat hintereinander drei Sender mit Musik versorgt und aufgebaut.
Es war ja nichts da- ein Archiv musste eingekauft und erst aus dem Boden gestampft werden, eine Sysiphosarbeit.
Eine Stunden- und Musikuhr war zwingend notwendig. Dinge, die die öffentlich-rechtlichen Sender nicht kannten. trailer, jingles, freie Moderation? Das war den öfftl-rechtlichen fremd.
Format und Zielgruppe? Irgendwo mal gehört, was ist das?
In den Anfangsjahren klang das private Radio fast überall frischer, lebendiger und besser als der bisherige Monopolfunk. Nur SWF3 konnte dagegen anstinken.
Und die Privaten mussten klein anfangen. Viele wie RPR bekamen erst drei Funzeln zum Start, Mannheim, Mainz und Koblenz.
Der Einwand von einem User, dass er nicht über ffn diskutieren möchte: Schon Eckis Grenzwellen vergessen?
Redaktionell haben sie sich sprichwörtlich den Hintern aufgerissen, um mit wenig manpower und ohne Korrespondentennetz die gleichen Inhalte wie die öfftl.-rechtlichen Sender anzubieten. Die Betonung lag immer auf lokal und regionale Berichte, um damit dem alteingesessenen Mitbewerber die Hörer abspenstig zu machen. Formate wurden reichhaltig und mit regelmässigen Austausch des Musikangebots gefahren.
4. Phase: Die Studien über Mediennutzung besagten eindeutig, dass das Radio mehrheitlich als Berieselungsmashine und nebenbei genutzt wird. Die wirklich aktiven Zuhörer traf man bei der Fahrt zur und von der Arbeit und morgens beim aufstehen an. Daher auch die geballte Aufmerksamkeit einer Morgenshow als primetime. Daher auch die minimal geladenen Musikangebote. Und daher auch der Zwang, bei den öfftl.-rechtlichen Popwellen ebenfalls auf Nebenbeimedium umzustellen, um nicht dramatische Hörereinbussen hinzunehmen.
Auf die Eingangsfrage eingehend kann man sagen, es hat sich viel verändert.
Bezogen auf meine Phase 3 kann man sagen, es ist tatsächlich besser geworden.
Ich ordne Phase 4 als momentane Stagnationsphase ein. Die Studien und die Wirtschaftslage ermutigen nicht, etwas Neues auszuprobieren. Es fehlt Startkapital, es fehlen Frequenzen und liberale Mediengesetze.
Wieder sind kleine Sender die Vorreiter einer neuen Entwicklung, die wohl mit dab+ die Phase 5 einläuten wird: Nischen- und Spartenprogramme aus privater Hand.
Ich nenne exemplarisch mal Radio Paloma. Ich mag überhaupt keine Schlager, aber wenn sie es wirklich wagen, dann sollten sie auch die eine Frequenz in Berlin bekommen. Hoffentlich haben sie mehr Erfolg als Radio Melodie.
Weitere Nischenangebote sind Bob!, Sunshine live und egoFM.