Polizeifunk
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Quelle: Welt Am Sonntag v. 16.02.2003
Renaissance des Radios
Rundfunkbetreiber nutzen die Werbekrise, um zu wachsen. Eine zu wenig beachtete Branche kommt in Bewegung
von Hergen Riedel
Der Stuttgarter Holtzbrinck-Konzern bekam Ende Januar den Segen des Kartellamts, neben den Anteilen am Nachrichtensender n-tv auch seine Beteiligung an 15 Hörfunk-Sendern verkaufen zu dürfen. Bislang waren BB Radio, Antenne Niedersachen oder Antenne Sachsen in der Holding AVE gebündelt. Der neue Herr ist die vom Medienkonzern Bertelsmann dominierte RTL-Gruppe, die neben 104,6 RTL Berlin noch einen Strauß von Sendern hält: Antenne Bayern, Radio NRW oder Radio Hamburg. Bis auf kartellrechtliche Hängepartien in Baden-Württemberg oder Brandenburg, wo RTL bereits präsent ist, ist jetzt alles klar für den neuen Supersender. Denn gerade die landesweiten AVE-Programme gelten als die profitabelsten elektronischen Medienunternehmen überhaupt. In der Szene geht zudem das Gerücht, dass RTL noch mehr wollen würde: zum Beispiel die Sender des Axel Springer Verlages, in dem auch die WELT am SONNTAG erscheint.
Diese neue Sendehoheit von RTL könne nicht im Sinne des Erfinders sein, der einst Vielfalt statt Oligopol wollte, wettern die Kritiker. Helmut Markwort, Chefredakteur des Nachrichtenmagazins „Focus" und zudem Geschäftsführer von Burda Broadcast, ist betroffen. Beim BB Radio ist die von ihm geführte Burda Broadcast ebenfalls beteiligt, und er nolens volens zum Kompagnon von RTL geworden. „Wir können nicht hinnehmen, dass einem einzelnen Sender das Konzerninteresse aufgepfropft wird. BB Radio ist dann nur noch ein Glied in der unerschöpflichen Wertschöpfungskette Bertelsmanns, die alles einem Ziel unterordnet: dem Konzerninteresse."
Da mag sich ein Markwort wie ein David gegen den bertelsmännischen Goliath auflehnen. So ein ganz Kleiner ist Markwort auch im Radio nicht. Sein Focus Radio in München blieb zwar eine Idee. Aber in Berlin bewirbt sich Burda neben 28 anderen um eine der Lizenzen, die nach dem Aus des FAZ Business-Radios und des Spreeradios frei wurden. Und erst vor kurzem hat die HFB Hörfunk- und Beteiligungsgesellschaft das Studio Gong übernommen. Hinter Studio Gong stecken Beteiligungen an über 30 Einzelradios wie etwa Ostseewelle, Charivari, Radio Gong oder BB Radio.
Hinter HFB verbergen sich mit 40 Prozent Burda, zehn bayerische Zeitungen und - neben anderen Kleineignern - Markwort selbst - als Privatmann. Seine Beteiligungsgesellschaft Mediapool („meine Altersversicherung") hält fünf Prozent an Studio Gong. Im Bietduell obsiegte die HFB unter anderem über den Bauer Verlag. Kritiker witterten eine „bayerische Lösung".
Eine „norddeutsche Lösung" könnte sich in Niedersachsen abzeichnen: Hier gewann CDU-Politiker Christian Wulff die Landtagswahl. Und im Bundesrat will die CDU die Mehrheit nutzen, gegen den SPD-Einfluss auf Medien vorzugehen. Durch die Hintertür wären auch die Radios im „Wulff-Land" betroffen. Denn die Genossen sind über die Medienholding Druck- und Verlagsgesellschaft DDVG zum Beispiel am Hannoveraner Verlag Madsack („Hannoversche Allgemeine Zeitung") beteiligt. Diese wieder ist bei den beiden großen Privatsendern FFN mit 13,7 Prozent und bei Hit-Radio Antenne mit 21,6 Prozent im Boot. Die DDVG kommt auf 26 Prozent an der Dr. Erich Madsack GmbH und auf 20,4 Prozent an der Verlagsgesellschaft Madsack KG. Durchgerechnet erreichen die „Sozen" zwar nur wenige Prozent bei den Sendern. Doch schon vor zwei Jahren hielt es die Niedersächsische Landesmedienanstalt für angebracht mitzuteilen, die Beteiligungen seien „rundfunkrechtlich unbedenklich".
So kommt an vielen Fronten Bewegung in eine Branche, die wie alle in die Glaskugel schaut, um zu erfühlen, wohin der Werbemarkt treibt. Für Werber ist das Radio offenbar eher Pflicht als Kür. Dabei bricht gerade Nobelwerber Holger Jung für die Funker eine Lanze: „Der Reiz an der Radiowerbung ist, dass man Leute in Situationen erwischt, in denen sie wirklich dankbar für gute Unterhaltung und kreative Einfälle sind: im Auto, bei der Hausarbeit, in der Küche." Die Vermarktungschefs der privaten Funkhäuser hören diese Worte gern. Allein, es fehlt noch an Wirkung.
Wie alle Medien leiden die Privatradios unter der Werbekrise. Im Jahr 2002 nahmen sie nur noch 897 Millionen Euro ein. Das sind 3,9 Prozent weniger als im Vorjahr mit knapp 943 Millionen Euro. Im Boomjahr 2000 klingelten gar 1,043 Millionen Euro in den Kassen. Auch deshalb werden die Forderungen wieder lauter, den Öffentlich-Rechtlichen die Werbung zu untersagen. Immerhin summieren sich allein die Gebühreneinnahmen bei über 40 Millionen angemeldeten Radiogeräten auf etwa 2,5 Milliarden Euro pro Jahr.
Der Löwenanteil der Radiowerbung allerdings bleibt bei den Privaten. Sie erreichen 70 Prozent vom gesamten Werbekuchen. Verglichen mit dem Gesamtwerbemarkt allerdings eine überschaubare Größe: ARD und die Privatiers zusammen erreichen seit Jahren im Vergleich mit allen Medien einen Marktanteil von schmalen drei Prozent.
Die Radiomacher sind allerdings optimistisch, gerade in der aktuellen Krise zu wachsen. Denn das Radio ist ein klassisches Abverkaufsmedium. Wenn also der Elektronikladen zur Rabattschlacht bläst oder Sonderangebote vom Autohaus fix herauszuposaunen sind, ist das Radio dazu wie geschaffen. Sagen die Vermarkter. Das Radio als Krisengewinnler? Im Dezember 2001 waren zum ersten Mal keine Rückgänge bei der Werbung mehr zu beklagen.
Bei der ARD gehen pro Tag etwa 33 Millionen, bei den Privaten etwa 28 Millionen Menschen auf Empfang. Morgens zum Aufstehen, auf der Fahrt ins Büro, während der Arbeit, beim Joggen an Alster, Isar oder Spree. Der Normalbürger schaltete 2002 etwa 202 Minuten täglich ein, 1992 waren es 168 Minuten. Das Radio ist ein treuer Begleiter, an dem der Hörer hängt wie an seinem Hund: Vor 30 Jahren waren es nur 43 Prozent, die ihr Radio vermisst hätten. Heute sind es fast 60 Prozent. Jeder Dritte würde es auf eine Insel mitnehmen, wenn er die Wahl hätte ...
Jobst Plog, Intendant des NDR und derzeitiger ARD-Chef, sieht denn auch eine „Renaissance des Radios." Das Pfund, mit dem dieses Medium wuchert, bleibt aber die Musik. Im Verhältnis zu den Privaten setzt Plog auf „Arbeitsteilung" und metaphert: „Wir wollen nicht über die Hecke fressen." Will sagen: Die ARD macht es immer noch anders als die Privaten, auch wenn es um „U" geht.
Das sieht Wilfried Sorge, bis vor kurzem Chef der niedersächsischen Privatstation FFN und demnächst Geschäftsführer des Hamburger Vermarkters von Privatradios RMS, ganz anders: „Die sollen nicht das für Gebühren machen, was wir umsonst machen." Sorge meint Programme wie „Enjoy Radio", die den Privaten kaum nachstehen, besonders nicht im Wortanteil. Auch unter öffentlich-rechtlicher Regie seien Sendungen und ganze Wellen „entwortet" worden. Das Wort, so Sorge, sei ein „Abschaltfaktor", hier wie da.
Artikel erschienen am 16. Feb 2003
Viele Grüße
Polizeifunk
Renaissance des Radios
Rundfunkbetreiber nutzen die Werbekrise, um zu wachsen. Eine zu wenig beachtete Branche kommt in Bewegung
von Hergen Riedel
Der Stuttgarter Holtzbrinck-Konzern bekam Ende Januar den Segen des Kartellamts, neben den Anteilen am Nachrichtensender n-tv auch seine Beteiligung an 15 Hörfunk-Sendern verkaufen zu dürfen. Bislang waren BB Radio, Antenne Niedersachen oder Antenne Sachsen in der Holding AVE gebündelt. Der neue Herr ist die vom Medienkonzern Bertelsmann dominierte RTL-Gruppe, die neben 104,6 RTL Berlin noch einen Strauß von Sendern hält: Antenne Bayern, Radio NRW oder Radio Hamburg. Bis auf kartellrechtliche Hängepartien in Baden-Württemberg oder Brandenburg, wo RTL bereits präsent ist, ist jetzt alles klar für den neuen Supersender. Denn gerade die landesweiten AVE-Programme gelten als die profitabelsten elektronischen Medienunternehmen überhaupt. In der Szene geht zudem das Gerücht, dass RTL noch mehr wollen würde: zum Beispiel die Sender des Axel Springer Verlages, in dem auch die WELT am SONNTAG erscheint.
Diese neue Sendehoheit von RTL könne nicht im Sinne des Erfinders sein, der einst Vielfalt statt Oligopol wollte, wettern die Kritiker. Helmut Markwort, Chefredakteur des Nachrichtenmagazins „Focus" und zudem Geschäftsführer von Burda Broadcast, ist betroffen. Beim BB Radio ist die von ihm geführte Burda Broadcast ebenfalls beteiligt, und er nolens volens zum Kompagnon von RTL geworden. „Wir können nicht hinnehmen, dass einem einzelnen Sender das Konzerninteresse aufgepfropft wird. BB Radio ist dann nur noch ein Glied in der unerschöpflichen Wertschöpfungskette Bertelsmanns, die alles einem Ziel unterordnet: dem Konzerninteresse."
Da mag sich ein Markwort wie ein David gegen den bertelsmännischen Goliath auflehnen. So ein ganz Kleiner ist Markwort auch im Radio nicht. Sein Focus Radio in München blieb zwar eine Idee. Aber in Berlin bewirbt sich Burda neben 28 anderen um eine der Lizenzen, die nach dem Aus des FAZ Business-Radios und des Spreeradios frei wurden. Und erst vor kurzem hat die HFB Hörfunk- und Beteiligungsgesellschaft das Studio Gong übernommen. Hinter Studio Gong stecken Beteiligungen an über 30 Einzelradios wie etwa Ostseewelle, Charivari, Radio Gong oder BB Radio.
Hinter HFB verbergen sich mit 40 Prozent Burda, zehn bayerische Zeitungen und - neben anderen Kleineignern - Markwort selbst - als Privatmann. Seine Beteiligungsgesellschaft Mediapool („meine Altersversicherung") hält fünf Prozent an Studio Gong. Im Bietduell obsiegte die HFB unter anderem über den Bauer Verlag. Kritiker witterten eine „bayerische Lösung".
Eine „norddeutsche Lösung" könnte sich in Niedersachsen abzeichnen: Hier gewann CDU-Politiker Christian Wulff die Landtagswahl. Und im Bundesrat will die CDU die Mehrheit nutzen, gegen den SPD-Einfluss auf Medien vorzugehen. Durch die Hintertür wären auch die Radios im „Wulff-Land" betroffen. Denn die Genossen sind über die Medienholding Druck- und Verlagsgesellschaft DDVG zum Beispiel am Hannoveraner Verlag Madsack („Hannoversche Allgemeine Zeitung") beteiligt. Diese wieder ist bei den beiden großen Privatsendern FFN mit 13,7 Prozent und bei Hit-Radio Antenne mit 21,6 Prozent im Boot. Die DDVG kommt auf 26 Prozent an der Dr. Erich Madsack GmbH und auf 20,4 Prozent an der Verlagsgesellschaft Madsack KG. Durchgerechnet erreichen die „Sozen" zwar nur wenige Prozent bei den Sendern. Doch schon vor zwei Jahren hielt es die Niedersächsische Landesmedienanstalt für angebracht mitzuteilen, die Beteiligungen seien „rundfunkrechtlich unbedenklich".
So kommt an vielen Fronten Bewegung in eine Branche, die wie alle in die Glaskugel schaut, um zu erfühlen, wohin der Werbemarkt treibt. Für Werber ist das Radio offenbar eher Pflicht als Kür. Dabei bricht gerade Nobelwerber Holger Jung für die Funker eine Lanze: „Der Reiz an der Radiowerbung ist, dass man Leute in Situationen erwischt, in denen sie wirklich dankbar für gute Unterhaltung und kreative Einfälle sind: im Auto, bei der Hausarbeit, in der Küche." Die Vermarktungschefs der privaten Funkhäuser hören diese Worte gern. Allein, es fehlt noch an Wirkung.
Wie alle Medien leiden die Privatradios unter der Werbekrise. Im Jahr 2002 nahmen sie nur noch 897 Millionen Euro ein. Das sind 3,9 Prozent weniger als im Vorjahr mit knapp 943 Millionen Euro. Im Boomjahr 2000 klingelten gar 1,043 Millionen Euro in den Kassen. Auch deshalb werden die Forderungen wieder lauter, den Öffentlich-Rechtlichen die Werbung zu untersagen. Immerhin summieren sich allein die Gebühreneinnahmen bei über 40 Millionen angemeldeten Radiogeräten auf etwa 2,5 Milliarden Euro pro Jahr.
Der Löwenanteil der Radiowerbung allerdings bleibt bei den Privaten. Sie erreichen 70 Prozent vom gesamten Werbekuchen. Verglichen mit dem Gesamtwerbemarkt allerdings eine überschaubare Größe: ARD und die Privatiers zusammen erreichen seit Jahren im Vergleich mit allen Medien einen Marktanteil von schmalen drei Prozent.
Die Radiomacher sind allerdings optimistisch, gerade in der aktuellen Krise zu wachsen. Denn das Radio ist ein klassisches Abverkaufsmedium. Wenn also der Elektronikladen zur Rabattschlacht bläst oder Sonderangebote vom Autohaus fix herauszuposaunen sind, ist das Radio dazu wie geschaffen. Sagen die Vermarkter. Das Radio als Krisengewinnler? Im Dezember 2001 waren zum ersten Mal keine Rückgänge bei der Werbung mehr zu beklagen.
Bei der ARD gehen pro Tag etwa 33 Millionen, bei den Privaten etwa 28 Millionen Menschen auf Empfang. Morgens zum Aufstehen, auf der Fahrt ins Büro, während der Arbeit, beim Joggen an Alster, Isar oder Spree. Der Normalbürger schaltete 2002 etwa 202 Minuten täglich ein, 1992 waren es 168 Minuten. Das Radio ist ein treuer Begleiter, an dem der Hörer hängt wie an seinem Hund: Vor 30 Jahren waren es nur 43 Prozent, die ihr Radio vermisst hätten. Heute sind es fast 60 Prozent. Jeder Dritte würde es auf eine Insel mitnehmen, wenn er die Wahl hätte ...
Jobst Plog, Intendant des NDR und derzeitiger ARD-Chef, sieht denn auch eine „Renaissance des Radios." Das Pfund, mit dem dieses Medium wuchert, bleibt aber die Musik. Im Verhältnis zu den Privaten setzt Plog auf „Arbeitsteilung" und metaphert: „Wir wollen nicht über die Hecke fressen." Will sagen: Die ARD macht es immer noch anders als die Privaten, auch wenn es um „U" geht.
Das sieht Wilfried Sorge, bis vor kurzem Chef der niedersächsischen Privatstation FFN und demnächst Geschäftsführer des Hamburger Vermarkters von Privatradios RMS, ganz anders: „Die sollen nicht das für Gebühren machen, was wir umsonst machen." Sorge meint Programme wie „Enjoy Radio", die den Privaten kaum nachstehen, besonders nicht im Wortanteil. Auch unter öffentlich-rechtlicher Regie seien Sendungen und ganze Wellen „entwortet" worden. Das Wort, so Sorge, sei ein „Abschaltfaktor", hier wie da.
Artikel erschienen am 16. Feb 2003
Viele Grüße
Polizeifunk