Schauen wir uns doch einmal die letzten Programmreformen und Entwicklungen bei RB genauer an:
RB4 war seit den Anfangstagen im Jahr 1986 ein Trendsetter in der ARD, war innovativ und stets am Puls der jungen Hörerschaft. Auch ich bin "mehr oder minder" mit RB4 groß geworden, Kabel sei Dank, N-JOY konnte für mich dagegen immer einpacken.
Mit der Programmreform 2013 (siehe
https://www.radioszene.de/57926/bremen-vier-das-original-erfindet-sich-neu.html) hat man das bis dato sehr stimmige Onair-Design (mal mehr, mal weniger gut) überarbeitet und die Musikauswahl verändert. Wenn ich mir die Playlist von Bremen Vier heute anschaue, scheint man aber etwas zurückgeschaltet zu haben und spielt hin und wieder auch ältere Titel (bis zurück in die 80er, man hat kürzlich sogar einen ganzen 80er-Tag veranstaltet). Spätestens seitdem Bremen Next (mit deren Musik und Moderationsstil ich so gar nichts anfangen kann) die leistungsstarken UKW-Frequenzen von Funkhaus Europa bzw. COSMO übernommen hat, dürfte sich das Thema "Jugendradio" für Bremen Vier zugunsten von "Junge Erwachsene-Radio" (siehe auch hier von 2016:
https://www.radioszene.de/94385/bremen-vier-kleiner-relaunch-2016-programmschema.html) erledigt haben. Musikalisch ist Bremen Vier damit zu einem Gemischtwarenladen geworden, bei dem mir jegliches Verstädnis für die strategische Ausrichtung fehlt.
Seit dem groß angelegten Aufbau von Bremen Next hat man spätestens mit der Programmreform 2016 diverse Änderungen vorgenommen, die darauf hindeuten, dass man die verfügbaren Ressourcen (die bei RB chronisch klamm zu sein scheinen, siehe alte Artikel im ARD-Jahrbuch und im SPIEGEL) zwischen zwei Hörfunkprogrammen aufgeteilt hat:
- Bremen Next hat mehr moderierte Strecken bekommen und wurde zum Sender mit Deutschlands jüngster Hörerschaft. Gratulation dazu (und das meine ich wirklich ernst), die Internet-Generation wieder an ein lineares Medium zu binden. Die Inhalte von Next können, dürfen und mögen aber nicht jedem "alteingesessenen" Hörer gefallen. Das war bei der Einführung von Bremen Vier 1986 nicht anders.
- Auf Bremen Vier ist die Info-Sendung "mittendrin" am Mittag entfallen, stattdessen hat man die Beiträge im Tagesprogramm verstreut. Ungünstig, denn die Tagesschau mit allen wichtigen Infos des Tages kommt auch immer zuverlässig zu einem bestimmten Zeitpunkt. So heißt es bei RB 4 bei Zeiten (Sendungsausfälle inbegriffen) nur "läuft". Kann man gut finden, muss man aber nicht.
- Die Lateline ist mittlerweile Geschichte, obwohl RB4 sie seinerzeitig mitproduziert hat. Ein Ersatz fehlt m. E. bisher, vor allem nachdem "Domian" nicht mehr onair ist.
- Man hat "Was wollen wissen" von N-JOY übernommen, was "Zeiglers wunderbare Welt des Pop" zuletzt in zwei Teile zerlegt hat. Warum man hier mit dem Audience Flow bricht? Keine Ahnung! Hoffentlich findet sich ein Sendeplatz auf den anderen Wellen. Dass man es aber als "kann/sollte/dürfte"-Option kommuniziert hat, klingt nicht nach interner Absprache. Offen bleibt, was aus den anderen "Personality Shows" wird. Hoffentlich schleifen sie sie nicht ab -- hr3 weckt da böse Erinnerungen.
- Zwischen 19 und 20 Uhr ist mit der "blauen Stunde" etwas eingezogen worden, was man als Programmbruch auffassen kann und der dem typischen Automationsfunk von Privatsendern in nichts nachsteht. Unüblich und - nach meiner Auffassung - unnötig für ein ARD-Programm mit Anspruch. Warum hat man es hier nicht geschafft, etwas zu bauen, was Hörer aus dem Tagesprogramm in die Spezialsendungen mitzieht? Bei "Bremen Vier bis 8" ging es doch auch.
- "Axel P." ist (wie hier im Forum bereits festgestellt) schon seit geraumer Zeit zugunsten von "läuft" nicht mehr auf der Antenne gewesen. Ich habe großen Respekt vor der Leistung von Herrn Sommerfeld, muss aber gleichzeitig anmerken, dass man den Programmplan ggf. anpassen (und stattdessen nicht nur vor sich hin dudeln und die Hörer warten lassen) müsste, falls diese Sendung nicht mehr Teil des regulären Programms ist.
- Am Sonntagnachmittag ist "weltweit" entfallen, was zwar hauptsächlich aus ARD-Material bestand, aber dennoch recht informativ war und "über den Tellerrand hinaus" geblickt hat. Bildungsauftrag, anyone?
- Am Sonntagabend hat man "Gefühlsecht" durch "Vorsicht Völz" ersetzt, was zwar kein Ersatz ist, aber bei Zeiten aufgrund seiner anarchistischen Anmutung sogar recht unterhaltsam ist. Die Frage ist natürlich, wie viel Manpower dahinter steckt, um so eine Sendung in der Schlagzahl durchzuhalten. Einen besseren Sendeplatz als den Sonntagabend wird man für die Sendung aber auch nicht finden können, weil sie unter der Woche konzeptuell nicht funktionieren dürfte.
- Lea Finn und Ike Pauli (obwohl beide talentiert sind und früher öfter auf der Antenne waren) habe ich schon länger nicht gehört. Schade, verschenktes Potenzial.
- Zukünftig keine Morningshow mehr mit JUK/Tina bzw. Roland/Olaf. Dass der Schritt im Zuge der Verjüngung (die auch bei einem "Junge-Erwachsene Radio" irgendwann kommen musste -- war klar. Aber vielleicht könnte man sowas etwas subtiler gestalten. Hörer wären dann etwas vorbereiteter).
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass RB4 um 2011/2012 für mich eine Hochphase hatte, auch wenn die 90er Jahre deutlich stürmischer gewesen sein mögen. Obwohl ich nicht aus dem "Bremen Vier-Land" komme und dort auch nie gewohnt habe, hatte der Sender immer etwas professionell Unaufgeregtes für mich.
Ich hoffe, dass man das Programm nicht weiter ausdünnt und zu alter Stärke zurück findet. Das schließt natürlich auch die Qualität der Inhalte ein. Radio soll und kann ein verlässlicher Begleiter bleiben. Wenn es in die Belanglosigkeit abdriftet, dann ist es kaputt. Wenn die Leute das, frei zitiert nach Wolfgang Hagen (1. Programmchef) "erste 'Rock und Pop'-Radio im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks" vollends der Einsparung preisgeben, schießen sie es endgültig ab. Ich hoffe, man ist sich dessen bewusst.
Viele Grüße
Muted
(dieser Foren-Beitrag spiegelt nur meine eigene Meinung wieder)