radiowatcher
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Interessanter Bericht über 100,6 gestern in der Berliner Zeitung:
Bald folgte die Ernüchterung
Hundert,6 sendet seit einem Jahr ohne Georg Gafron. Aber auch ohne journalistischen Anspruch
Schlimmer als bei Gafron sei es jetzt beim Berliner Radiosender Hundert,6, den bis vor einem Jahr eben noch der B.Z.-Chefredakteur Georg Gafron verantwortete. Und damals, daran erinnern sich nicht nur Mitarbeiter noch recht genau, war das, was Gafron da verantwortete, immerhin der "schleimigste, doofste und widerlichste Sender, den Berlin zu bieten hat", wie es Profi-Beleidiger Klaus Bittermann ("Das Who s who peinlicher Personen") einmal formulierte.
Doch dann, im Kielwasser der Kirch-Krise, verließ Gafron eilig und "mit Gottes Segen" das von Kirch-Sohn Thomas finanzierte Radio. Die Frequenz wurde neu ausgeschrieben, von der Medienanstalt Berlin-Brandenburg letztlich aber doch wieder an Hundert,6 vergeben: Seit dem Frühjahr 2002 gehört das einstmals "informationsorientierte Vollradio" nur noch zu 60 Prozent Thomas Kirch, die übrigen 40 Prozent halten der neue Geschäftsführer Thomas Thimme und Verkaufsdirektor Norbert Schmidt.
Und nun? Nun gibt es bei Hundert,6 Mitarbeiter, die behaupten, es sei seitdem alles nur noch schlimmer geworden.
Endlich keine Hymne mehr
Natürlich gehen viele Radio-Geschichten so: hier die Mitarbeiter, die hinter vorgehaltener Hand über Personalabbau klagen und eine von ihnen nicht aufzuhaltende Verflachung des Programms, und dort der Geschäftsführer, der auf steigende Hörerzahlen verweist und glaubt, "schon in diesem Jahr schwarze Zahlen zu schreiben". Und so geht auch diese, obwohl doch die ohnehin wechselvolle Hundert,6-Geschichte mit Gafrons Abgang zunächst nach Happy End aussah: Als der frühere Radio-Energy-Gründer Thimme die Geschäftsführung im Sender übernahm, musste endlich nicht mehr pünktlich um 19 Uhr die Nationalhymne gespielt werden, endlich mussten die Nachrichtensprecher die PDS nicht mehr als "SED-Nachfolgepartei" bezeichnen und haarsträubende, ideologiestrotzende Kommentare verlesen.
"Es gab ein großes Aufatmen", sagt deshalb nicht nur Hundert,6-Nachrichtenchef Christian Maciejewski, sondern sagen auch andere. Und selbst wer die Entwicklung des Senders bloß aus dem Augenwinkel verfolgt, hielt es für ein gutes Zeichen, dass Hundert,6 kürzlich nur deshalb in die Schlagzeilen geriet, weil am Gebäude versehentlich ein paar Fassadenteile in Brand geraten waren. Doch die Nörgler bei Hundert,6 behaupten, mit der anfänglichen Erleichterung sei es schon bald vorbei gewesen. Während man sich beim Sender unter Gafron wenigstens noch als "eingeschworenes Team" gegen den Chef gefühlt habe, sei der Mitarbeiterkreis nun derart geschrumpft, dass von "Team" kaum noch die Rede sein könne. Gerade mal drei Redakteure und fünfeinhalb Nachrichtenredakteure beschäftigt der Sender heute. In den 90ern waren es mal über 60. Und weil Thimme bei seinem neuerdings "Das Super-Radio" genannten Sender den Wortanteil von ehemals rund 70 Prozent drastisch reduziert hat, ist von dem "anspruchsvollen, journalistischen Produkt", das er vor einem Jahr versprach, nicht mehr viel übrig.
Mittlerweile beträgt der Wortanteil nur noch 30 Prozent. Und, dass man einen Großteil davon schon mit den halbstündlich ausgestrahlten Kurznachrichten zusammenbekommt, mit Wetterbericht, Verkehrshinweisen und den ins Musikprogramm gestreuten "News-Flashs", kleinen Nachrichtentrailern also, gesteht auch Nachrichtenmann Maciejewski gerne ein. Er steht auch dazu, dass die ohnehin nur ungefähr fünfminütigen Hundert,6-Nachrichten zum Teil aus fertig eingekauften O-Tonbeiträgen von der Nachrichtenagentur dpa und den so genannten "FTD-Audionews" (einem von der Financial Times Deutschland kostenlos angebotenen Marketinginstrument) zusammengebastelt werden. Geschäftsführer Thomas Thimme sieht das alles positiv: Gern verweist er auf die sendereigenen Übertragungswagen, die auf dem Parkplatz stehen, und auf das eigene Richtfunknetz. Doch eigentlich sieht Thimme den Privatsender ohnehin nicht mehr in verbissener Konkurrenz zum öffentlich-rechtlichen Inforadio wie sein Vorgänger Gafron, sondern sucht den Vergleich zu Dudelfrequenzen wie dem Spreeradio oder 94,3 r.s.2. Und dann sind da ja auch noch die gestiegenen Hörerzahlen: Laut Mediaanalyse nämlich hat Hundert,6 mit durchschnittlich gut 60 000 Hörern ein Viertel mehr als noch vor einem Jahr, in Brandenburg stieg die Hörerzahl sogar um 50 Prozent. So gesehen ein Erfolg, zweifellos.
Doch wenn Thimme, dem das Wort "Transparenz" flüssig über die Lippen kommt, zumindest, wenn es um die Überschaubarkeit seiner Redaktion geht, auf die wirtschaftliche Situation des Senders angesprochen wird, hält er sich bedeckt. Und obwohl man im Lager der Unzufriedenen darauf hinweist, dass die Gehälter kürzlich schon mal verspätet ausgezahlt wurden, und gar von "verschleppter Insolvenz" die Rede ist, endet auch diese Radio-Geschichte damit, dass Thimme glaubt, sein Sender könne "schwarze Zahlen schreiben. Vielleicht schon in diesem Jahr."
Wechselvolle Geschichte // Am 23. Mai 1986 gründete der Filmemacher Ulrich Schamoni zusammen mit drei Dutzend mittelständischen Unternehmern die "Schamoni Medien GmbH", die ab 1987 den ersten privaten Berliner Sender Hundert, 6 betrieb. Georg Gafron war von Beginn an dabei.
Der Sender entwickelte sich rasch zum Marktführer in Berlin. Mitte der neunziger Jahre begann jedoch der Abstieg, den Chef Gafron auch mit unterschiedlichsten Programmkonzepten - mal Oldiewelle, mal Infoprogramm - nicht stoppen konnte. 1997 stieg Thomas Kirch ein. Im vergangenen Jahr musste Gafron gehen. Thomas Thimme übernahm Anteile von Kirch.
HUNDERT,6 Geschäftsführer Thomas Thimme.
BERLINER ZEITUNG/MARKUS WÄCHTER Der grüne Frosch, das Senderlogo aus den Gründerjahren, wurde vor einem Jahr wieder eingeführt.
Bald folgte die Ernüchterung
Hundert,6 sendet seit einem Jahr ohne Georg Gafron. Aber auch ohne journalistischen Anspruch
Schlimmer als bei Gafron sei es jetzt beim Berliner Radiosender Hundert,6, den bis vor einem Jahr eben noch der B.Z.-Chefredakteur Georg Gafron verantwortete. Und damals, daran erinnern sich nicht nur Mitarbeiter noch recht genau, war das, was Gafron da verantwortete, immerhin der "schleimigste, doofste und widerlichste Sender, den Berlin zu bieten hat", wie es Profi-Beleidiger Klaus Bittermann ("Das Who s who peinlicher Personen") einmal formulierte.
Doch dann, im Kielwasser der Kirch-Krise, verließ Gafron eilig und "mit Gottes Segen" das von Kirch-Sohn Thomas finanzierte Radio. Die Frequenz wurde neu ausgeschrieben, von der Medienanstalt Berlin-Brandenburg letztlich aber doch wieder an Hundert,6 vergeben: Seit dem Frühjahr 2002 gehört das einstmals "informationsorientierte Vollradio" nur noch zu 60 Prozent Thomas Kirch, die übrigen 40 Prozent halten der neue Geschäftsführer Thomas Thimme und Verkaufsdirektor Norbert Schmidt.
Und nun? Nun gibt es bei Hundert,6 Mitarbeiter, die behaupten, es sei seitdem alles nur noch schlimmer geworden.
Endlich keine Hymne mehr
Natürlich gehen viele Radio-Geschichten so: hier die Mitarbeiter, die hinter vorgehaltener Hand über Personalabbau klagen und eine von ihnen nicht aufzuhaltende Verflachung des Programms, und dort der Geschäftsführer, der auf steigende Hörerzahlen verweist und glaubt, "schon in diesem Jahr schwarze Zahlen zu schreiben". Und so geht auch diese, obwohl doch die ohnehin wechselvolle Hundert,6-Geschichte mit Gafrons Abgang zunächst nach Happy End aussah: Als der frühere Radio-Energy-Gründer Thimme die Geschäftsführung im Sender übernahm, musste endlich nicht mehr pünktlich um 19 Uhr die Nationalhymne gespielt werden, endlich mussten die Nachrichtensprecher die PDS nicht mehr als "SED-Nachfolgepartei" bezeichnen und haarsträubende, ideologiestrotzende Kommentare verlesen.
"Es gab ein großes Aufatmen", sagt deshalb nicht nur Hundert,6-Nachrichtenchef Christian Maciejewski, sondern sagen auch andere. Und selbst wer die Entwicklung des Senders bloß aus dem Augenwinkel verfolgt, hielt es für ein gutes Zeichen, dass Hundert,6 kürzlich nur deshalb in die Schlagzeilen geriet, weil am Gebäude versehentlich ein paar Fassadenteile in Brand geraten waren. Doch die Nörgler bei Hundert,6 behaupten, mit der anfänglichen Erleichterung sei es schon bald vorbei gewesen. Während man sich beim Sender unter Gafron wenigstens noch als "eingeschworenes Team" gegen den Chef gefühlt habe, sei der Mitarbeiterkreis nun derart geschrumpft, dass von "Team" kaum noch die Rede sein könne. Gerade mal drei Redakteure und fünfeinhalb Nachrichtenredakteure beschäftigt der Sender heute. In den 90ern waren es mal über 60. Und weil Thimme bei seinem neuerdings "Das Super-Radio" genannten Sender den Wortanteil von ehemals rund 70 Prozent drastisch reduziert hat, ist von dem "anspruchsvollen, journalistischen Produkt", das er vor einem Jahr versprach, nicht mehr viel übrig.
Mittlerweile beträgt der Wortanteil nur noch 30 Prozent. Und, dass man einen Großteil davon schon mit den halbstündlich ausgestrahlten Kurznachrichten zusammenbekommt, mit Wetterbericht, Verkehrshinweisen und den ins Musikprogramm gestreuten "News-Flashs", kleinen Nachrichtentrailern also, gesteht auch Nachrichtenmann Maciejewski gerne ein. Er steht auch dazu, dass die ohnehin nur ungefähr fünfminütigen Hundert,6-Nachrichten zum Teil aus fertig eingekauften O-Tonbeiträgen von der Nachrichtenagentur dpa und den so genannten "FTD-Audionews" (einem von der Financial Times Deutschland kostenlos angebotenen Marketinginstrument) zusammengebastelt werden. Geschäftsführer Thomas Thimme sieht das alles positiv: Gern verweist er auf die sendereigenen Übertragungswagen, die auf dem Parkplatz stehen, und auf das eigene Richtfunknetz. Doch eigentlich sieht Thimme den Privatsender ohnehin nicht mehr in verbissener Konkurrenz zum öffentlich-rechtlichen Inforadio wie sein Vorgänger Gafron, sondern sucht den Vergleich zu Dudelfrequenzen wie dem Spreeradio oder 94,3 r.s.2. Und dann sind da ja auch noch die gestiegenen Hörerzahlen: Laut Mediaanalyse nämlich hat Hundert,6 mit durchschnittlich gut 60 000 Hörern ein Viertel mehr als noch vor einem Jahr, in Brandenburg stieg die Hörerzahl sogar um 50 Prozent. So gesehen ein Erfolg, zweifellos.
Doch wenn Thimme, dem das Wort "Transparenz" flüssig über die Lippen kommt, zumindest, wenn es um die Überschaubarkeit seiner Redaktion geht, auf die wirtschaftliche Situation des Senders angesprochen wird, hält er sich bedeckt. Und obwohl man im Lager der Unzufriedenen darauf hinweist, dass die Gehälter kürzlich schon mal verspätet ausgezahlt wurden, und gar von "verschleppter Insolvenz" die Rede ist, endet auch diese Radio-Geschichte damit, dass Thimme glaubt, sein Sender könne "schwarze Zahlen schreiben. Vielleicht schon in diesem Jahr."
Wechselvolle Geschichte // Am 23. Mai 1986 gründete der Filmemacher Ulrich Schamoni zusammen mit drei Dutzend mittelständischen Unternehmern die "Schamoni Medien GmbH", die ab 1987 den ersten privaten Berliner Sender Hundert, 6 betrieb. Georg Gafron war von Beginn an dabei.
Der Sender entwickelte sich rasch zum Marktführer in Berlin. Mitte der neunziger Jahre begann jedoch der Abstieg, den Chef Gafron auch mit unterschiedlichsten Programmkonzepten - mal Oldiewelle, mal Infoprogramm - nicht stoppen konnte. 1997 stieg Thomas Kirch ein. Im vergangenen Jahr musste Gafron gehen. Thomas Thimme übernahm Anteile von Kirch.
HUNDERT,6 Geschäftsführer Thomas Thimme.
BERLINER ZEITUNG/MARKUS WÄCHTER Der grüne Frosch, das Senderlogo aus den Gründerjahren, wurde vor einem Jahr wieder eingeführt.