Also man muss die Sendung schon mehrmals gesehen haben um zu kapieren welches
journalistische Lehrstück darin steckt. Ich habe etwas länger gebraucht mir dazu eine Meinung dazu zu bilden. Im Wesentlichen gab es hier nach meiner Ansicht zwei Parteien:
- Ein Kritiker des aktuellen ÖrR-Journalismus (angebl. Kampagnen), und
- drei Verteidiger des gegenwärtig praktizierten Journalismus (inclusive Moderator).
Eigentlich war es in der Hauptsache ein Streit zwischen Müller (81) und Schayani (52). Der sieht mir nach einem Generationenkonflikt aus.
Albrecht Müller ist im Argumentieren ungeschickt, er hat wohl gelernt Politik mehr intuitiv anzugehen. Leider hat er sich wie ein Foxterrier in den Begriff „Kampagnen“ so verbissen, so dass dieser abgelenkt hat von den Inhalten, die er eigentlich rüberbringen wollte. Wer wollte, hat die Inhalte dennoch mitbekommen, wie der mehrfache Applaus des Publikums erahnen lässt. Und das obwohl er vom Moderator mehrfach abgewürgt wurde. Auf Schayani ist er auch versöhnlich zugegangen [24’45] indem er einige Monitor-Produkte lobte.
Isabel Schayani, @Manni, ich möchte hier auf
Deinen Pkt #1, zu Frau Schayani zurückkommen. Diese symphatische, lebendige Frau wirkt ja wirklich ehrlich in Ihrem fleissigen Bemühen mit Recherchen gegen Fake News und für Aufklärung. Sie ist nach eigenen Angaben 52, seit 35 Jahren beim WDR beschäftigt und legt besonderen Wert darauf als PROFI zu gelten [24’22]. Eine glühende Verteidigerin des ÖrR, wo alles sehr ehrlich zugeht. Aber ihre Art wirkt über alles gesehen auf mich schon etwas naiv.
Ihr „
Brückenbauen“ empfinde ich doch eher als Verteidigungsstrategie. Müllers Vorwürfe an den ÖrR nimmt sie persönlich und lässt in ihrer Verärgerung spontan keinen Raum zur Reflektion. Darüberhinaus zeigt sie sich vom Applaus für Müller schon sehr gereizt [ab 23’30]. So stürzt sie sich vordergründig auf den Begriff „Kampagnen“ ohne Müllers inhaltliche Vorwürfe wahrzunehmen. Überhaupt hat die contraproduktive Diskussion um diesen Begriff sinnlos Zeit verschwendet. - Ab hier wird’s lehrreich.
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[23’50 ff].
Schayanis Definition, in voller Selbstverteidigungsfahrt: „... wenn man von Kampagne redet – unter Kampagne versteh’ ich zumindest,
- dass man sich verabredet,
- dass es einen gemeinsamen Konsens gibt,
- dass es einen Plan gibt, dass man etwas tut. -
Nichts, ich wiederhole Nichts dergleichen findet statt! Es kann sein, dass wir alle Zeitungen lesen und uns in der gleichen Bubble bewegen () aber wenn Sie dieses große Wort
Kampagne in den Raum werfen und sie haben 20 weitere Beispiele, dann finde ich als jemand der PROFI [24’22] ist in dem Bereich, dann müssten Sie uns
nachweisen können,
- wo hat es denn geheime Sitzungen gegeben?,
- wo irgendwelche ARD-Oberen gesessen haben und Kampagnen verabredet haben?
Das gibt es nicht! Und ich finde, wenn Sie das so darstellen, entschuldigung, aber dann diskreditieren sie ein System, das so nicht funktioniert. Das klingt vielleicht schön, ich benutze auch gern große Worte. Aber es hat Nichts, wirklich nichts mit der Wirklichkeit zu tun!"
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Zwischenanmerkungen dazu im „Nachgefragt“:
@Manni, hast Du das auch angehört?. Ich hab’ den Anhang jetzt erst im MP3 entdeckt. Im Video hat der gefehlt.
Der erste Gast stellte sich dort als
Thomas Hinrichs vor (eine bemerkenswerte Namensgleichheit mit dem Informationsdirektor des Bayerischen Rundfunks?) [ab 55’57]:
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„Es ist mehrfach der Begriff Kampagne gefallen. Das ist ein schwieriger Begriff, denn
Kampagnen müssen nicht geführt werden indem man geheime Absprachen führt. Ich erinnere mal an einen gewissen Noam Chomsky (...er hat..) von einem ‚Manufacturing Consent’ geschrieben. D.h., eine gewisse ideologische Nähe zwischen Journalisten und Politik, zwischen Journalisten und Wirtschaft ...“ (Anm. Schaaf: „wäre sowas wie eine Art stilles Einverständnis“) „() In der Richtung kommt man vielleicht drauf warum so viele fast wie gleichgeschaltet anmutende Informationen kommen, die natürlich nicht gleichgeschaltet sind.“ ()
Hinrichs weiter [ab 57’08]: „Ausserdem möchte’ ich natürlich auch - damit ich nicht missverstanden werde - sagen, dass ich die Ör-Medien für die wichtigsten journalistischen Medien überhaupt halte, denn Printmedien sind privat finanziert, sind also interessensgeleitet, abhängig von Werbung, abhängig tw. von der Meinung der Unternehmer. Nur ein gebührenfinanziertes System
kann freien Journalismus garantieren ..()“
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Dieser Beitrag aus dem Podium hätte ganz am Anfang stehen sollen. Zu beachten ist das "
kann" im letzten Satz.
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In der späteren Diskussion folgt ein Part, dessen Hinterfragung mich brennend interessiert hätte: Ich habe mal versucht, das an folgendem Wortwechsel zu analysieren. Hier liefert Schaaf eine super Vorlage für die Selbstdarstellung Schayanis, deren Antwort Müller dann leider nicht aufgreift. Er war offenbar zu sehr in seinem Kampagnenvorwurf verfangen.
39'40
Schaaf an Schayani: „Im Fernsehen z.B. werden auch fremde Bilder gekauft,
angekauft. Von freien Journalisten z.B. Wie verifizieren wir ob das, was wir da sehen, tatsächlich den Tatsachen entspricht? (..)
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39'56
Schayani: „Also das ist ’ne total berechtigte Frage und es ist ’ne
schwierige Frage. Vor allem wenn es um Bilder aus Kriegs- und Krisengebieten geht und wir dann unter Zeitdruck versuchen Sachen schnell zu verifizieren. Und ich kann nur sagen wie wir’s machen, wir vom Weltspiegel. Wenn wir uns nicht sicher sind - z.T. bekommt man ja
sehr schöne Bilder angeboten - (..) haben wir gesagt „nein, können wir nicht verwenden“. Im Zweifel neigen wir dazu, dann eher konservativ zu sein und zu sagen „wir nehmen das nicht“. Aber es wäre auf jeden Fall gelogen zu sagen, dass das ein einfaches Geschäft ist. Das ist
total schwierig.
- Dann guckt man was steht im Hintergrund, auf die Tageszeit,
- guckt man, von wem hat man das? Wie glaubwürdig ist der?,
- dann macht man eine Gegenrecherche: Kennst du den? Da versucht man sein Bestes.
- Wenn es z.B. um Bilder geht aus Idlib oder Aleppo, dann ist es natürlich schwierig herauszufinden – derjenige, der jetzt diese Bilder übermittelt hat, wo steht der eigentlich? Das ist auf jeden Fall schwierig.
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Aha, das erklärt für mich doch einiges. Ich denke Frau Schayani hat hier ihren Auslandsjournalismus wunderbar dargestellt. Ich möchte mal ergänzen:
- und weil das so schwierig ist und total schnell gehen muss, verwende ich nur die Bilder einer Partei, also von sog. „Rebellen“, die von einem dubiosen Verbündeten in London gestützt werden.
- wenn die Anderen DEN kennen kann ich nicht falsch liegen.
Auf die Idee, dass es sich um Propaganda handeln
könnte, scheint sie nicht zu kommen.
2014 bis 2015 berichtete Schayani ein Jahr für die ARD aus New York City [wiki].
2019 erhielt Isabel Schayani den Grimme-Preis für „besondere journalistische Leistungen“.
Mein Resümee aus der Sendung: Sie ist exemplarisch für andere Sendungen
Aus Schayanis Verteidigung schliesse ich, dass der „Virus Verunsicherung“ von draussen, mit vielen „Verschwörungstheoretikern“ [ab 30’55], eine so große Gefahr darstellt, dass sie sich lieber sicherheitshalber in die eingewohnte „Bubble“ zurückzieht [24’02], innerhalb welcher sie beim Recherchieren [ab 39’46] herumfragt „Kennst du den?“. Wenn er/sie/es DEN kennt muss er ja vertrauenswürdig sein (s. Weisshelme, kennt Jeder). - Der Generationenkonflikt verschärft dann IMHO noch dieses Verhalten.
Der Titel der Sendung lässt ja schon erkennen: „Wir haben alles richtig gemacht und machen weiter so.“
„Journalismus im Digitalzeitalter - Der Wahrheit verpflichtet bleiben.“