Hallo Leute,
wer im raum Berlin ansässig ist, dem sei diese Veranstaltung noch ans Herz gelegt.
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Stefan Lasch spricht über seine Podiumsdiskothek und liest aus seinem Buch vor, dazu gibt es Mitschnitte zu hören. Petra Schwarz führt durch den Abend und Jörg Wagner ist auch mit dabei.
Ich bin hier doch etwas ambivalent aufgestellt.
Einerseits ist da eine sicherlich gutgemeinte Chronistenarbeit, die selbstverständlich auch den DDR-Hörfunk adäquat erfassen soll. Das leistet Jörg Wagner durchaus mit hohem Engagement, wie er überhaupt momentan wohl der kompetenste Medienjournalist im Land ist. Eine gleichermaßen kompetente Nachfolge ist nicht in Sicht, nicht einmal ansatzweise.
Andererseits fällt mir als Zeit- und Ohrenzeuge der entsprechenden Jahre eine gewisse, deutliche Schieflage auf, die man allgemein als "DDR-Verklärung" oder "Ostalgie" bezeichnen würde.
Stefan Lasch, "Podiumdiskothek" oder auch das "Mandela-Konzert in Wembley (auf DT64)" erfahren dann doch eine Aufmerksamkeit und Einordnung, die ich so nicht ganz teilen würde (vorsichtig gesagt). Da wird mir alles zu locker und unbefangen verklärt.
Wer Westradio hören konnte, hatte kaum Kenntnis und Bezug zur "Podiumdiskothek". Songs, die mindestens 2 bis 3 Monate alt waren, lock(t)en trotz der extremen Mitschneidefreundlichkeit keinen Teenager hinter dem Ofen hervor. DJ's in der DDR nutzen zwar den so genannten Mitschnittservice bzw. die entsprechende, durchaus löbliche, Dokumenation als Alibi für die eigentlich im Westradio mitgeschnittenen Titel, aber meist nur um "im Fall der Fälle" politisch einwandfrei ihre Liste belegen zu können (soviel zur Perversion des Systems). Die DJ's, die wirklich nur auf Ostradio-Mitschnitte zurückgreifen konnten, hatten leere Tanzflächen, selbst in den Gegenden wo Westempfang Glücksfall war. DJ's aus bzw. um Dresden herum fuhren, trotz Berufstätigkeit, am Do-Abend mit Equipment bis in den Spreewald oder zu im Empfangsgebiet lebenden Bekannten/Verwandten, um einigermaßen die 92,4 MHz mit der "Hey Music" empfangen und mitschneiden zu können.
"Wembley" auf DT64 wurde, wenn überhaupt, eher amüsiert wahrgenommen, da der Schnitt von zeitverzögerter zu Echtzeit-Übertragung natürlich im Programm eine Lücke riss, die eher peinlich als selbstbewusst wirkte. Wem das an diesem Tag überhaupt interessierte, schaute (!) oder hörte "Westen", die Einschaltquote bei DT64 dürfte höchstens in den vom Westempfang abgekoppelten Regionen außergewöhnliche Ausschläge gezeigt haben. Sigmar Krause, Petra Schwarz oder auch Stefan Lasch wirkten damals nicht etwa frisch oder progressiv, sondern belanglos wie ein FDJ-Nachmittag oder die entsprechenden Kader.
Wenn Jörg Wagner die - hoffentlich authentische - Aufbruchszeit von DT64 der Nachwendezeit nun immer wieder mal "rückwärts" verlängert, finde ich das bei allem Verständnis für seine biografische Verwobenheit und Expertise befremdlich. Ob das hier nun zudem, ohne eigenen Bezug und ohne Fähigkeit zur Einordnung, kolportiert werden muss, halte ich für fragwürdig.
Natürlich hat sich mit Abstand auch mein Bild auf den DDR-Hörfunk und seinen Protagonisten etwas relativiert, aber nicht in dem Maße wie es nun mitunter en-vogue zu sein scheint. Dazu waren die DDR-Medien insgesamt dann doch zu systemkonform, zu unkritisch und nicht zuletzt überwiegend verlässliche Stütze eines politischen Systems, das ich so nicht wiederhaben möchte.