"Interessant" hat viele Facetten ...
Als Wessi fand ich es faszinierend, daß ausgerechnet die DDR die Musik des Klassenfeindes in einer ziemlich lebendigen Blues- (nicht nur eine Blues-Rock-) und Jazz-Szene am Laufen hielt (plus ebenfalls eine Country-Szene).
Gerade die Rubrik "Jazz" hatte da viele innovative Leute zu bieten, von Volker Schlott bis zu Uwe Kropinski, dazu noch mit Klaus Lenz und Günther Fischer ein paar Leute mit gutem Händchen, was die Leitung von Bands bzw. Orchestern angeht.
Liedermacher/Folkies gab's auch in der DDR; zwar liefen die manchmal mit Maulkorb rum, aber mitunter half ihre Popularität im Westen dabei, daß sie trotzdem verhältnismäßig klare Worte fanden, und gar nicht mal so selten wußten sie, wie man mit der Zensur umging, indem sie ihre Botschaften zwischen den Zeilen unterbrachten oder von deutlichen Aussagen ablenkten.
Wie Pension Volkmann anno 1985 eine Zeile wie "Satt zu essen und ein Ausweis in der Tasche, der was gilt" (Lied "Satt zu essen") unterbringen konnten, noch dazu ganz zu Beginn des Liedes, entzieht sich heute noch meiner Kenntnis.
Gerhard Schöne, Barbara Thalheim, Bettina Wegner, Gerhard Gundermann, Stefan Körbel, Stephan Krawczyk, Pannach & Kunert, Kurt Demmler, Reinhard Lakomy, Wolfgang Rieck, Ingo Barz, Hans-Eckardt Wenzel, Salli Sallmann, der viel zu früh, aber halt freiwillig gegangene Norbert Bischoff, Bernd Rump, Maike "Adriana Lubowa" Nowak, Duo Sonnenschirm, Wacholder und halt Wolf Biermann, mit einigen Abstrichen auch den Oktoberklub und Reinhold Andert (mag aber vor allem daran liegen, daß das Stücke/Lieder sind, die größtenteils "aus der Zeit heraus" entstanden sind - und da muß ich als Nicht-Dabeigewesener dann doch manchmal die Segel streichen). Ein wenig außer Konkurrenz natürlich Gisela May und Ernst Busch, die trotz eher eingeschränkten sangestechnischen Möglichkeiten viel Überzeugungskraft auf Platte brachten.
Im rockigen Sektor fand ich solche Gruppen wie Lift, Panta Rhei, Pankow, Silly (je näher am Ende der DDR, desto besser), Electra, Karussell, Monokel, NO 55, die Horst-Krüger-Band, Thomas Natschinski und seine Gruppe, Berluc sowie Karat recht interessant; dazu leider nicht durchgängig: Stern-Combo Meißen, City und Renft.
In gewissem Umfang interessant fand ich auch einige Entwicklungen der 80er wie Reggae Play oder Lutz Kerschowski recht interessant, die sich an der NDW (Reggae Play) orientierten oder sehr nahe an einigen West-Interpreten orientierten (Lutz Kerschowski an Udo Lindenberg). Zur Ehrenrettung wenigstens von Lutz Kerschowski: sein einziges Nach-Wende-Album "Vorbei is vorbei" ist musikalisch eigenständiger und inhaltlich recht beeindruckend.
Die elektronische Szene der DDR fand ich deshalb beeindruckend, weil die Musiker - zumindest die aus dem Pop-Sektor - oft genug nicht die Möglichkeiten hatten, an elektronische Instrumente ranzukommen, insofern mußten sie mitunter ähnlich kreativ werden wie im Westen zu Beginn der Szene beispielsweise Kraftwerk, Tangerine Dream, Klaus Schulze, haben aber im Gegensatz zu diesen für ihre Ideen später keine Lobeshymnen abgeholt. Reinhard Lakomy, Pond.
Hier der ausdrückliche Verweis auf zwei Veröffentlichungen, die 5-CD-Box "Amiga Electronics" sowie den Sampler "Magnetband" (auf Tapete, wahrscheinlich nur noch antiquarisch verfügbar), die erste beleuchtet die etwas mainstreamigere Variante, die zweite geht in den Untergrund.
Die "Klassik" in der DDR im Sinne von Einspielungen älterer Musik war eigentlich konsequent geprägt von wirklich guten bis sehr guten Interpreten, die sich auch einigen Strömungen verweigerten, die der Westen mitsurfte, beispielsweise was das "moderne Aufpeppen" von Chormusik anging. Gefühlsmäßig ist die Klassik besser digital erschlossen als die Rock- und Pop- und vor allem Schlagermusik der DDR, mit der etwas unschönen Einschränkung, daß vieles auf Billig-Labeln verschärbelt wurde und wird. Und mitunter schöne Konzepte auseinandergerissen wurden, um die Laufzeiten von Tonträgern irgendwie aufzufüllen. Peter Schreier, Ludwig Güttler sind teilweise immer noch Referenz, von der Staatskapelle Dresden kenne ich keine einzige wirklich schlechte Einspielung.
Die moderne E-Musik findet sich auf dem NOVA-Label, na ja, eher ein Sublabel der üblichen VEB Schallplatten Berlin, ist ein bißchen Hanns-Eisler- bzw. Ernst-Hermann-Meyer-lastig, was nichts Schlechtes sein muß und sogar irgendwie verständlich ist, da immerhin Aushängeschilder, aber da sind noch ein paar schöne Sachen zum Entdecken drunter, und oft genug sind das Sachen, die man antiquarisch recht günstig bekommt, Ruth Zechlin, Günter Kochan etc. sind mir so über den Weg gelaufen.
Gruß
Skywise