Gestattet mir, aus der Innensicht eines Radiomenschen, noch eine kleine Anmerkung zu dieser (endlich mal wieder!!) hoch interessanten Diskussion zu machen:
Ich bin seit knapp sieben Jahren weg vom Sender, vom Mikrofon. Und, ja, ich bin froh darüber, nicht mehr im aktiven Diensts zu sein. Zur Wahrheit gehört: Ich lebe - nicht schlecht - u.a. von einer guten Betriebsrente nach 43 Jahren Festanstellung. Aber das zu Sagende gilt für alle ÖRs. Und es gilt heute, 2024, genauso, oder noch mehr.
Das Radio lebte schon immer mit einem kollektiven Minderwertigkeitskomplex. Da war das Fernsehen im selben Hause, das dem Radio bereits früh den Rang ablief. Das Radio wurde in den bi- später trimedialen Anstalten sehr oft mit der DDR verglichen. Die armen Brüder in ihren Hörfunkstudios. Und wir, die wir "nüscht hatten", sendeten trotzig dagegen an, versuchten, Qualitätsfunk zu produzieren, Perlen, Edelsteine, ja, auch mal Mist.
Und wir mussten damit leben, dass jedes "Spulwurm, Dackel und Co" um ein Vielfaches mehr Einschalter hatte als das noch so aufwändig produzierte Radiofeature oder das grandiose Hörspiel.
Wir lebten damit und schluckten die Tatsache, dass das "andere" Medium uns bei weitem überholt hatte. Aber da war der Kampfgeist, der uns nicht resignieren ließ. Den holten wir aus uns selbst, aus gegenseitiger Versicherung, dass wir Gutes auf die Beine gestellt hatten - in den journalistisch herausragenden Politiksendungen, in den soweit wie möglich objektiven und aktuellen Hörfunknachrichten, in den Spezialsendungen zu Neuer Musik oder in der tiefschürfenden Reportage aus Darfur. Nun gerade!
Aber: Wir waren nur das Radio und wurden in der internen Werte-Hierarchie auch so gesehen. Ein Intendant, der den Hörfunk aufgesogen hatte und als kollegialer Radiomann in diese Spitzenposition gelangte - der ist mir nur von einer kleinen Anstalt im Norden bekannt. Die anderen Führungspersönlichkeiten, Männlein wie Weiblein, seufzten in ihren Intendanzen "Ach Gott, Euch Hörfunker gibt es ja auch noch".
Und dann kam das Netz. Jene Verbreitungsform zog wie eine Marsrakete an uns in unseren Radiokatakomben vorbei. Und schon wieder waren wir die Letzten.
Wir gingen in innere Emigration und zernagten uns selbst. Woher sollte da noch die Energie kommen, aus uns heraus den Antrieb zu finden, Illuminatis zu werden, Frau SoundSo? Wir schrieben uns ab und wurden - auch von jungen Leuten, die nach trimedialem Studium Podcasts in den Sand setzten, mit unserer Erfahrung und unseren Empfehlungen gar nicht mehr wahrgenommen.
Und das färbte natürlich auch auf das Produkt ab.
Sicher: Alles schlechtreden, was heutzutage noch im Radio gesendet wird, will ich nicht.
Aber als Hobby-Pathetiker will ich diese Situation mal "Götterdämmerung" nennen. Wir japsen noch, senden noch, produzieren auch noch immer mal wieder besagte "Edelsteine". Ansonsten füllen wir lustlos Kästchen, die uns die Sende-Matrix vorgibt. Das Feuer, das uns - trotz allem - zu individuellen oder kollektiven Höchstleistungen trieb, ist längst aus. Wir verdümpeln. Ein von mir wirklich hochgeschätzter Kultur-Radiomann sagte auf die Frage, ob er glaube, dass das Radio weiterleben wird "Es wird nicht sterben, es häutet sich nur immer wieder". Diesem Optimismus kann ich mich nicht anschließen. Irgendwann nämlich steht das geliebte Medium nackt.
Und das Neue hält sicher keinen wärmenden Mantel bereit.