AW: Hat Berlins Radio-Frosch ausgequackt?
Sehr geehrter berlin fm,
herzlichen Dank für den lexikalischen Verweis. Allerdings glaube ich nicht, dass eine formale Argumentation bei diesem Thema den Schlüssel zum Verständnis liefert.
Warum aber stets so ungestüm?
Weshalb auch immer der Insolvenzverwalter das Dach von Paradiso auswählte, und was immer man vom Musikformat der Gastgeber und ihrer technischen Ausstattung halten mag: ist es deshalb ein "schäbiges" Exil bei der Kirche? (abgesehen davon, dass die Häuser der Kirche seit Konstantin I. immerhin für Jahrhunderte der bestmögliche Schutz für Asylsuchende waren).
In der Verwendung des Adjektivs "schäbig" scheint mir doch viel Frust zu stecken - woher nur?
Zudem: Die Personalausstattung und die Sendebedingungen waren in der Potsdamer Straße wohl kaum professioneller. Für einen winzigen (fotografischen) Einblick in das dortige "Studio" schaust Du hier:
http://passaufwasdudenkst.de/texte/body.php
Professionelles Equipment
Ob das Paradiso-Asyl sich in eine angemessene und unterhaltende Beschallung der Frequenz 100,6 verwandelt, muss man nun abwarten, auch wenn die Entdeckung der Langsamkeit bei der Musikausrichtung nicht viel verspricht und nur ins Quotenloch zu führen scheint (zu viele US-Schlager aus der Wirtschaftswunderzeit, u.ä.: Die gediegenen 60+ Hörer sind bei Antenne Brbg und 88,8 gewiss besser aufgehoben).
Die Klage über eine zurzeit laufende Zerstörung des Senders kommt aber ohnehin zu spät, denn die hat Thimme seit seinem Einstieg 2002 bereits mehr als ordentlich besorgt. Das laufende Programm (mit seinen Mängeln) ist ja nicht das Ergebnis einer strategischen Ausrichtung, sondern ein Notprogramm im Rahmen des Insolvenzverfahrens und der damit zusammen hängenden Illiquidität.
Und für diese Insolvenz ist schließlich Thimme verantwortlich, auch wenn er sich jetzt als Opfer und "wahrer" Hüter von Hundert,6 geriert. Er hatte drei Jahre Zeit, den Sender zu positionieren: Gründlich vermasselt, denn das Problem waren nicht schlechte Mietverträge, sondern ein Mangel an Kompetenz und Strategie. Schließlich hat Thimme die Mieten nach übereinstimmenden Berichten ja überhaupt nicht gezahlt, der Kostendruck war also kaum ursächlich dafür, dass die Hörerzahlen sich auf bereits niedrigem Niveau mehr als halbierten.
Findet sich in der 15-jährigen Geschichte des "Radiomachers" Thimme denn EIN erfolgreiches Projekt? Heiligs Blechle, das waren doch ganz offensichtlich immer nur GmbH zur Akquise von Werbegeldern, um den kontinuierlichen Aufbau eines Senders und eines Teams ging's doch nie.
Dass das aktuell laufende Programm vom Wannsee noch kein wirklicher Gewinn für die Radiolandschaft ist, kann man ebenfalls nur schwer ignorieren. Die einzige Möglichkeit zurzeit wäre aber nur, die Frequenz komplett stillzulegen - keine praktikable Prozedur.
Die MABB hat schließlich auch monatelang Thimmes Rumpel-Radio aus der Potsdamer Straße über den Äther gehen lassen (amateurhafte Verpackung, schlechte Tonqualität, zahlreiche Sendeausfälle, wenig begnadete Praktikanten statt Redakteure fürs Wort, usw.).
Wie es auch sei: Die Rufe nach einem runden Tisch sind doch vollkommen gegenstandslos, da dies im Rahmen der laufenden Insolvenz überhaupt kein umsetzbares Verfahren wäre. Wer soll sich denn da wie zusammen setzen - und warum? Wer bitteschön soll das Sagen haben, oder soll ein Sender etwa basisdemokratisch geführt werden?
Die Lizenz für 100,6 wird also neu ausgeschrieben werden. Und selbst wenn Thimme es schafft, durch irgendeinen verrückten Umweg wieder ins dümpelnde Sendeboot Hundert,6 zu steigen, wird er wohl kaum den Zuschlag erhalten, außer, die MABB wäre nicht mehr bei Trost. Umso mehr, als Thimme auf der 91,8 offenbar ein anderes Programm als vorgesehen spielt und öffentlich einen vermeintlichen "Senderstreit" inszeniert (wen immer der auch erreichen mag).
Hoffen wir einfach, dass ein neuer Investor aus der Deckung kommt, der wirklich eine Alternative auf dem Berliner Radiomarkt anbietet. Auch wenn bei Investoren nicht erst seit Thimme gilt: Timeo danaos et dona ferentes.