Mail von der GVL:
Sehr geehrte Dame, sehr geehrter Herr,
Sie und einige weitere Webcasting-Freunde haben gegen den
GVL-Webcasting-Tarif protestiert. Das ist Ihr gutes Recht.
Es ist aber auch das gute Recht von ausübenden Künstlern und
Tonträgerherstellern für die Nutzung ihrer Leistungen eine angemessene
Vergütung zu erhalten. Um genau diese angemessene Vergütung geht es im
Webcasting-Tarif der GVL.
Sie sind von der Sorge getragen, dass die Webcasting-Szene durch den neuen
Tarif zum Erliegen kommt. Wir sind überzeugt, dass dies nicht der Fall sein
wird.
Nachfolgend sind deshalb die wichtigsten Argumente zusammengefaßt:
WIRD WEBCASTING WIRD TEURER - PREISSTEIGERUNGEN BIS ZU 1000%?
Für nicht-kommerzielle Webcaster beträgt die Grundvergütung 0,0005 EUR pro
Songtitel und Hörer oder 0,00015 EURO pro Minute und Hörer, mindestens aber
EURO 500 pro Jahr. Mit der Mindestvergütung pro Jahr ist das Webcasting von
1 Millionen Titeln abgegolten. Nur wer mehr Titel als Webcasts an Hörer
übermittelt zahlt mehr! Geht man von einem nicht-kommerziellen Webcaster
aus, der täglich 12 Stunden anbietet, 365 Tage im Jahr, und pro Stunde 10
Titel übermittelt, kann er durchschnittlich 23 Hörer haben, ohne mehr als
die Pauschale von EURO 500 zu zahlen. 23 Hörer sind dabei ein
Durchschnittswert- es können zu Spitzenzeiten gern 1000 Hörer sein, zu
anderen Zeiten müssen es dann entsprechend weniger Hörer sein. Diese
Pauschale von EURO 500 pro Jahr dürfte für viele Hobby-Webcaster zutreffen.
Zugegeben: Die Pauschale ist nicht billig und kein "Schäppchen-Preis", aber
Hobbies sind im Allgemeinen nicht umsonst. Auch die Rechteinhaber an den
Songtiteln haben Anspruch auf ein angemessenes Entgelt, und auch die
Lieferanten des PCs, des Servers und der sonst zum Webcasting notwendigen
Hard- und Software machen keine "Hobby-Preise", sondern wollen für ihre
Leistungen entgolten werden. Das wollen die Rechteinhaber auch!
Nur wer mehr als 1 Million Songtitel pro Jahr für Webcasting-Streams nutzt,
zahlt mehr als die Pauschale. Prinzip ist: Es wird nur gezahlt, was auch
genutzt wird. Nicht das Angebot ist zu vergüten, sondern die tatsächliche
Nutzung dieses Angebotes. Die Vergütung ist für jeden Song-Stream zu
zahlen, der tatsächlich an einen Hörer übermittelt wird. Wer viele Hörer
hat und ihnen Musik anbietet, der zahlt als nicht-kommerzieller Webcaster
pro Titel und Hörer 0,0005 EURO (oder 0,05 Cent). Mit einem großen
Hörerkreis ist ein solcher Webcast-Anbieter aber sicherlich nicht mehr
"hobbymäßig" tätig. Wer das als nicht-kommerzieller Anbieter nicht mehr
finanzieren kann oder will, der muss sein Angebot einschränken(weniger
Stunden pro Tag, weniger Tage im Jahr, weniger Titel pro Stunde).
Er kann aber nicht erwarten, dass die Rechteinhaber auf Vergütungen
verzichten, weil er so erfolgreich ist (und er ist vor allem
deswegen so erfolgreich, weil er Musik anbietet). Schließlich muss die GVL
auch berücksichtigen, dass Webcaster um Hörer konkurrieren. Die Anzahl der
Hörer ist hierfür der gegebene Maßstab: Wer mehr Hörer hat, zahlt mehr.
Die bisherige experimentelle Pauschale ist mit dem Tarif nur schwer
vergleichbar, da der Tarif auf gänzlich anderen Parametern basiert. Aus
Gründen schneller und einfacher Lizenzierung eines sich gerade
entwickelnden Angebots wurde bisher an die Höchstgrenze technisch
gleichzeitig möglicher Zugriffe angeknüpft. Dabei war es unerheblich, wie
viele Nutzer tatsächlich zeitgleich auf das Programm zugriffen, allein
entscheidend war die technisch mögliche Höchstgrenze. Bei einer technischen
Höchstgrenze von 25 gleichzeitig möglichen Zugriffen betrug die Lizenz EURO
300 pro Jahr. Es ist dabei davon auszugehen, dass im Durchschnitt deutlich
weniger als die Hälfte dieser Kapazität tatsächlich genutzt wurde, weil bei
unterschiedlichen Programmen und/oder Tageszeiten unterschiedlich viele
Hörer das Angebot genutzt haben. Die Pauschale erhöhte sich dabei
entsprechend mit dem Zuwachs bei der technischen Höchstgrenze. So betrug
sie bei 10.000 gleichzeitig möglichen Zugriffen EURO 36.000. Diese
experimentelle Pauschal-Regelung konnte aber keine Dauerlösung sein, denn
sie hatte keinerlei Bezug zu dem Umfang der tatsächlich genutzten Rechte.
Insgesamt kann aber im Vergleich mit der neuen Mindestvergütung bzw. der
auf den Einzelabruf bezogenen Vergütung nicht von einer Preissteigerung
ausgegangen werden.
Neben der Pauschale (oder der Vergütung pro Titel und Hörer) sieht der
Tarif eine Vervielfältigungsvergütung vor. Um Webcasts mit Musik anbieten
zu können, ist die Vervielfältigung (das Kopieren) der zur Verwendung
bestimmten Songtitel in eine Datenbank (auf die Festplatte des PCs oder des
Servers) erforderlich. Diese Vervielfältigung ist nur mit Zustimmung der
Rechteinhaber erlaubt, und die Rechteinhaber erlauben dies dann, wenn
hierfür eine Vergütung gezahlt wird. Sie beträgt für nicht-kommerzielle
Webcaster EURO 0.125 pro Titel und Jahr. Hat also der oben genannte
Webcaster 1000 verschiedene Songtitel für Webcast-Zwecke kopiert, beträgt
die Vergütung pro Jahr EURO 125. Die Höhe dieses Betrages ist also dadurch
beeinflussbar, indem jeweils nur die Songtitel kopiert werden, die
tatsächlich für Webcasts Verwendung finden sollen. Die GVL misst die Zahl
der kopierten Titel an mehreren Stichtagen im Jahr, zu denen der Webcaster
die Anzahl dieser Titel angeben muss.
VERBIETET DIE GVL KÜNSTLER-PORTRAITS ODER DIE VORSTELLUNG GANZER CD-ALBEN?
Die GVL verbietet keineswegs Künstler-Portraits oder CD-Vorstellungen.
Allerdings kann sie die Rechte dafür nicht lizenzieren, weil sie der GVL
von den Rechteinhabern nicht übertragen wurden. Will ein Webcaster ein
Künstler-Portrait anbieten oder eine ganze CD vorstellen, dann muss er die
Webcasting-Rechte hierfür direkt beim Rechteinhaber einholen (das ist im
Regelfall über den entsprechenden Tonträgerhersteller möglich) und ggf. die
Vergütung für die zusätzlich genutzten Rechte direkt mit diesem
vereinbaren. Der GVL sind Rechte zur Nutzung für Webcasting lediglich
eingeschränkt übertragen. Die Einschränkungen sind in den
Nutzungsbedingungen zusammengefasst, die Bestandteil des GVL-Tarifes
sind. Nutzungen darüber hinaus bleiben natürlich möglich, können aber nicht
von der GVL lizenziert werden, sondern nur von den jeweiligen
Rechteinhabern selber.
VEREITELT ES DIE GVL, DASS JUNGE MODERATOREN ERFAHRUNGEN SAMMELN KÖNNEN
ODER DASS WEBCASTING-AKTIVITÄTEN ALS JUGENDPROJEKTE ENTSTEHEN?
Jeder kann Webcasting betreiben, und die GVL ist verpflichtet, jedem
hierfür nach Maßgabe ihres Tarifes die benötigten Rechte zu lizenzieren.
Mit der Pauschalvergütung (siehe oben) macht die GVL für kleine und
nicht-kommerzielle Webcaster ein übersichtliches, preiswertes und einfaches
Angebot. Dadurch bleibt der Raum für Experimente, für das Ausprobieren
eines eigenen Programmangebotes im Internet und für das Testen eigener
Fähigkeiten als Programmgestalter und Moderator erhalten. Durch Zahlung der
Pauschale ist die Übermittlung von 1 Million Songtitel (oder 3,33 Millionen
Minuten mit Songtiteln) pro Jahr an die Hörer des Webcastings abgegolten.
Erst wenn aus solchen Übungsflächen und Hobby-Angeboten erfolgreiche und
vielgehörte Webcast-Angebote entstehen, steigt die Vergütung, und zwar
deshalb, weil auch die Nutzung der Rechte an Songtiteln zunimmt. Das aber
ist völlig gerechtfertigt, denn wer mehr nutzt, muss auch mehr bezahlen (es
sei denn, er schränkt sein erfolgreicher werdendes Angebot wieder ein).
Übrigens: Auch wer mit zunehmendem Erfolg mehr Bandbreite zur Übermittlung
an eine wachsende Hörerschaft braucht, muss hierfür mehr bezahlen. Auch ein
Konzert-Ticket ermöglicht es nicht, dass man alle seine Freunde mitnehmen
kann.
BETREIBT DIE GVL AUSBEUTUNG VON WEBCASTERN?
VERHINDERT DIE GVL VIELFALT IM NETZ?
Die Rechteinhaber möchten nicht mehr - aber auch nicht weniger - als für
ihre Leistungen angemessen entgolten werden. Die meisten davon erhoffen
sich, von dem Verkauf ihrer Leistungen ihren Lebensunterhalt bestreiten zu
können. Nur wenige Spitzenstars können das (und deren Einkommen wird mit
Neid verfolgt). Der GVL-Webcasting-Tarif schafft eine angemessene Vergütung
für eine neue Nutzungsart, die ebenso spannend wie interessant ist, denn
Webcasts schaffen mehr Vielfalt und Breite, die sowohl die Künstler als
auch die Hörer schätzen. Diese Vielfalt und Breite unterstützt der neue
Tarif, aber er sorgt auch dafür, dass mit dieser Nutzungsart Einkommen
erzielt werden können. Sicher, das Einkommen ist niedrig, wenn Webcaster
nur wenige Hörer haben - aber das unterstützt Vielfalt. Das Einkommen
wächst, wenn die Zahl der Hörer steigt, und das sorgt dafür, dass die
Rechteinhaber am Erfolg eines Webcasters teilhaben, wenn er viele Hörer
gewinnt, und die gewinnt er vor allem dadurch, dass er die Leistungen der
Rechteinhaber intensiv nutzt.
Erforderlich ist ein fairer Ausgleich, und den hat die GVL mit dem
Webcasting-Tarif geschaffen. Die Argumente mancher Webcasting Interessenten
ziehen nicht, die sagen, die Wirkung des Tarifes sei so als würden Kinder
von Spielplatz und Schulhof vertrieben, oder ein Hobby wird
unerschwinglich, oder Bedürfnisse von Millionen Menschen werden ignoriert
oder es sei einfach eine Frechheit.
Spielgeräte gibt es nicht zu einem Sonderpreis. Rechteinhaber müssen
Webcasting als Hobby auch nichtsubventionieren - obwohl der GVL-Tarif
diesen Aspekt sehr wohl berücksichtigt, ganz anders als die Ölindustrie,
die Benzin nicht billiger macht, wenn das Motorrad das Hobby ist.
Schließlich müssen auch die Interessen einiger hunderttausend
Rechteinhaber, die von der Nutzung ihrer Rechte leben (wollen), gegenüber
den Interessen von Millionen Menschen berücksichtigt werden, die gerne
Webcastings nutzen wollen. Es ist zynisch, wenn Ausbeutung beklagt wird und
zur Abhilfe die Ausbeutung der Rechteinhaber verlangt wird.
BESCHRÄNKT DIE GVL DIE MEINUNGSFREIHEIT?
Musik kann uneingeschränkt auch für Webcasts verwendet werden, wenn ihre
Schöpfer zustimmen und dafür vergütet werden. Dies gilt in gleicher Weise
für jedes Foto in einer Zeitung, jeden Beitrag im Rundfunk, jeden Artikel
in einem Magazin - es gilt auch für Musik. Meinungsfreiheit ist nämlich
nicht die Freiheit die Leistungen Anderer kostenlos nutzen zu können. Wer
lediglich seine eigenen schöpferischen Leistungen als Webcasts verwendet,
wer seine eigenen Kommentare und Meinungen im Internet verbreitet, der muss
niemanden fragen und niemanden vergüten. Wenn dies aber mit musikalischer
Untermalung geschieht, weil es auf diese Weise besser "transportiert"
werden kann, der nutzt die Leistungen Dritter und die müssen dieser Nutzung
zustimmen, wenn sie rechtmäßig erfolgen soll. Wird die Zustimmung nicht
eingeholt, ist die Meinungsfreiheit gar nicht betroffen(die unser
Grundgesetz schützt), wohl aber die Eigentumsrechte dieser Dritten (die
ebenfalls durch Grundgesetz und Urheberrecht geschützt sind).
ÜBERZIEHT DIE GVL KLEINE WEBCASTER MIT BÜROKRATIE?
Die GVL verlangt die Protokollierung der per Webcasting übermittelten
Streams (v.a. Interpret, Titel, Anzahl Streams). Dies ist schon deshalb
notwendig, um die Vergütungen richtig an die Rechteinhaber verteilen zu
können. Die Titel müssen aber ohnehin zuvor kopiert werden (siehe oben);
die Erfassung der entsprechenden Daten ist ein durchaus überschaubarer
Zusatzaufwand. Die Protokollierung und die Messung der Anzahl der Streams
erledigen längst schon verfügbare Software-Angebote. Sie sind
beispielsweise in den USA bereits Standart.
Bei kleinen nicht-kommerziellen Webcastern wird die GVL auf diese
Protokollierung verzichten, weil der administrative Aufwand auf beiden
Seiten (auf Seiten der Webcaster wie auf Seiten der GVL) zu groß ist im
Verhältnis zur Vergütung. Ein solcher Verzicht wird aber nicht generell
ausgesprochen werden können, sondern erst nach Prüfung des Einzelfalls.
Auch die Nutzungsbedingungen, die zu beachten sind, können beim Einsatz
entsprechender Software ohne größeren Aufwand erfüllt werden. Tatsächlich
sind nur wenige dieser Bedingungen verpflichtend; viele sind als "Soll-
Bestimmung" ausgestaltet. Das heißt, dass ihre Einhaltung ihrerseits von
Voraussetzungen abhängig ist, die zumutbar oder wirtschaftlich und
technisch machbar sein müssen. Besonders kritisch wurde dabei die Forderung
nach Verwendung eines Kopierschutzes kommentiert. Aber auch diese Forderung
ist an wirtschaftliche Zumutbarkeit und technische Realisierbarkeit
gebunden. Gerade im Hinblick auf kleine nicht-kommerzielle Webcaster dürfte
in den meisten Fällen diese Zumutbarkeit nicht gegeben sein. Die GVL wird
dies deshalb mit Augenmaß und unter Berücksichtigung der Interessen solcher
Webcaster großzügig ausgestalten.