AW: MA 2009 / II
Mal zusammenfassend:
Sorry, da gibt es nix zu therapieren. Und da geht es auch nicht um mich persönlich. Es geht um eine ganze geschundene Spezies Mensch, die nach meiner unmaßgeblichen Einschätzung gemeinhin allerhöchsten Einsatz zeigt (das zeigen andere freilich auch), aber dafür tagtäglich den Dreck fressen soll, der über diesem Land zur Befriedigung der Massen ausgekippt wird. Als Alternative bietet man bestenfalls noch an, sich zu Hause wegzuschließen. Eine Teilnahme am gesellschaftlichen Leben ist für viele wegen Widerwärtigkeit desselbigen nicht mehr möglich. Ich sehe den Rückzug in meinem Umfeld zuhauf. Es geht dabei nicht nur um die Medien.
Es geht dabei z.B. auch um die Frage "Auto oder Mensch", die zur Vertreibung und schleichenden Tötung von Menschen in einstigen Wohngebieten, die heute Autoabstell- und Testanlagen sind (und freilich immer noch Wohngebiet heißen) geführt haben und weiter führen. Wer den langsamen, jahrelangen Prozeß der physischen und psychischen Zerstörung von Menschen begleiten muß (ich hatte und habe das zweifelhafte Vergnügen, von außen auf einen solchen draufschauen zu können...) und akzeptieren soll, daß sich die Opfer nicht wehren können und ihnen jede staatliche Hilfe verweigert wird, beginnt, das verbrecherische System zu erkennen und zu benennen. Aus Angst, politische Macht zu verlieren, dienen alle etablierten Parteien nur noch dem Mainstream, werden elementare Fragen des gesellschaftlichen Zusammenlebens überhaupt nicht mehr angesprochen - bis der große Crash kommt.
Das ist beschämend und in höchstem Maße widerwärtig. Das Spiel "die, die nicht im Mainstream schwimmen, haben sich ihre gesellschaftlichen Rechte verwirkt" kann fatal nach hinten losgehen. Und wird es auch, dessen bin ich mir sicher. Die Masse hat nicht immer recht, weil Menschen ihre wichtigsten Probleme nur zu gerne verdrängen. Die würden nämlich sonst sehr schmerzhaft sein.
Und wenn es eben nur der Radiowaves ist, der seine Meinung äußert, weil er nicht wie die anderen bereit ist, sich damit abzufinden, dann bekommt er halt den Zorn zu spüren - und nimmt daraus nichts als eine Bestätigung für die Wichtigkeit dessen, was er sagt.
Zum Glück war/bin ich nicht der einzige. Da gab es mal eine sehr schönen Satz zum Thema Hörfunk, besser kann man es meiner Meinung nach nicht zusammenfassen:
Wenn hunderttausend Rundfunkteilnehmer James Last hören möchten und einer Schönberg, so heißt die Lösung für das Sendeprogramm nicht hunderttausend Stunden James Last und eine Stunde Schönberg, sondern eine Stunde James Last und eine Stunde Schönberg. Das sei, so Frauchiger, wahrhafte Demokratie, die auch den einzelnen zu gleichem Recht verhilft. Von solcher Demokratie sind wir heute weit entfernt.
Das Zitat stammt sinngemäß vom Schweizer Musiktheoretiker Urs Frauchiger. Nachzulesen unter anderem
hier.
Und es geht nicht nur um Musik, es geht auch um Wort. Um Themen. Um Dinge, die gesagt werden müssen, weil sie wichtig sind. Davon sind wir noch viel weiter entfernt. 1990 hat das funktioniert, zumindest im Osten. Da konnten schonmal Ikonen kippen und Köpfe rollen (sinnbildlich gesprochen), wenn Journalisten gearbeitet haben. Und da war Radio auch spannend und Gesprächsthema.
Und heute? Nix mehr. Selbst auf den als seriös geltenden Wellen, die so sehr darum besorgt sind, daß sich die Hörer möglichst informiert fühlen (!) sollen, ist keine Brisanz mehr zu spüren. Im politischen Diskurs außerhalb des Radios ebenso. Die Folgen davon bekommen wir täglich zu spüren - vom Nachbarschaftsstreit in der Vorstadtsiedlung bis zu Dingen, die die gesamte Menschheit betreffen und schlichtweg verschwiegen werden, weil sie von der Mehrheit für nicht unterhaltend erachtet werden. Sind sie ja auch nicht. Sie sind einfach nur existenziell wichtig. Aber das werden die Menschen schon merken, wenn sie am Abgrund stehen. Dann geraten sie halt in Panik, wählen radikale Parteien jeglichen Spektrums und hoffen, den eingängigen Versprechungen werden schon funktionierende Lösungen folgen. Vergebens.
Die Soundbrühe und der pseudoengagiert wirken wollende Journalismus-Ersatz, den man landauf, landab in den Medien antrifft, ist das Spiegelbild einer Gesellschaft, die sich die Ohren zuhält, um ihre eigenen Schmerzensschreie nicht mehr hören zu müssen.
Davon geht der Schmerz aber auch nicht weg.