Auch Vox populi, gerne mal stark schwankend und medial sehr leicht zu bewegen wie eine Schafherde, sollte in diese Betrachtung mit einbezogen werden. Vor gut einem Jahr stand die BZ in der Kritik, weil sie öffentlich Richterschelte betrieb, die den Beigeschmack des Aufrufs zur Lynchjustiz hatte (Blog Reizzentrum vom 28.04.2011, Blog Kanzlei Hoenig vom 28.04.2011, SZ vom 03.05.2011). Da hält sich nun mal ein Richter an die ihm an die Hand gegebenen Gesetze und hat den Mut, sich nicht dem Druck der Straße zu beugen - Ergebnis s.o.Man könnte den Eindruck bekommen, dass weder Justiz noch einige Medien aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt haben. Ein Verdächtiger gilt so lange als unschuldig, bis er durch einen Richter verurteilt wird. In vielen (wie auch in diesem) Fällen schüren manche Revolverblätter schon im Vorfeld den Hass gegen verdächtige Personen und das klappt wunderbar!
Dass Juristen, speziell die im Auftrag des Staates tätigen, zunehmend die Faust in der Tasche ballen (müssen) und ihr Job, angesichts eines solchen Kreuzfeuers auch nicht einfach ist (Spannungsfeld zwischen öffentlicher Erwartungshaltung, tatsächlicher Rechtsstaatlichkeit und Überwachung durch die vierte Gewalt) gerät da gerne schnell in Vergessenheit.
Im Fall J. ist die juristische Würdigung folgende: Es besteht ein begründeter Anfangsverdacht, der in der Ausstellung eines Haftbefehls mündet. Die Staatsanwaltschaft weist die Polizei ob der bis dahin ermittelten Umstände im Lebensumfeld J. an, dass eine Festnahme zeitnah (Juristendeutsch), bevorzugt am Arbeitsplatz, vorzunehmen sei. Das ist übrigens gang und gäbe, weiter oben habe ich etwas vom Bauarbeiter gelesen: So ist es und so findet es regelmäßig auch statt. Haftbefehl ist Haftbefehl, und da gibt es keinen planmäßigen Dienstschluss.
Der Journalismus kann und darf durch eine kritisch-begleitende Berichterstattung das Rechtssystem nicht unterhöhlen oder derart massiv angreifen; es handelt sich um eine der Säulen unserer Demokratie (ist ein Angriff auf selbige streng genommen nicht ein Angriff auf die Verfassung?), die auch diesen Journalismus erst ermöglicht.
Es wäre schön, wenn jeder Angriff auf die Arbeit der Justiz genauso laut beklagt würde wie jeder Angriff auf die Pressefreiheit. Aber da scheint es zweierlei Maß zu geben.