AW: Relaunch: Wird aus WDR 4 ab 21. März 2011 eine weitere Format-Dudelwelle?
@ricochet:
Ach, Studien, die dir nicht in den Kram passen, sind alle gefaked und die Kunden stecken unter einer Decke?
Du wirst doch nicht ernsthaft behaupten wollen, dass von Kiel bis München, von Berlin bis Köln quer durch Deutschland bei ALLEN Öffentlich-Rechtlichen (wie WDR 4, etc.) und allen Privaten (wie Radio F) UND von allen Instituten und Medienfirmen, die alle das gleiche aussagen, ALLE Umfragen nicht stimmen?! Das ist ja sensationell. Verwechselst du dich da nicht etwas mit deinem Wunschdenken?
WDR 4 wird nicht der letzte Sender sein, der die Schlager reduziert.
Ich möchte hier nicht alles Sender aufführen die mittlerweile weniger Schlager spielen oder sich ganz vom Schlager verabschiedet haben. Ausserdem ist es nicht nur Brand Support die eingehende Studien in verschiedenen Märkten gemacht haben. Auch andere haben Mapping Studien gemacht und festgestellt, daß ein Cluster das ausschließlich aus Schlager besteht allein in den kommenden Jahren nicht überlebensfähig sein wird.
Im Prinzip kann ich euer beider Beiträge gut nachvollziehen. Es stellt sich nur die Frage, ob Beraterfirmen wie "Brand Support" mit ihren Rezepten nicht völlig auf der falschen Spur sind und die Leute dergestalt langsam aber sicher vom Radio entwöhnt werden. Mittlerweile erschallt überall in Deutschland derselbe, unausweichliche Pop-Einheitsbrei, der sich von Station zu Station allenfalls durch das Herstellungsjahr (Charteintrittsjahr) unterscheidet. Welcher Hörer ist so eindimensional, sich so was Tag für Tag reinzuziehen ohne ganz zwangsläufig Aversionen gegen diesen gleichmacherischen Mainstream-Funk zu entwickeln?
Diese Beraterfirmen sind als Retter der Branche angetreten, haben sich aber längst zum Totengräber des Mediums gewandelt. Wann imer ein Sender mit erwachsener Zielgruppe bei diesen Leuten vorstellig wird, erhält er folgenden "todsicheren" Tip: "Spielt mehr 80er, ersetzt den Schlagerkram durch sturmerprobte 60er- und 70er-Oldies und schmeißt die weniger bekannten Sachen raus" (ich sehe davon ab meine Kontonummer anzugeben, sonst fühlt sich noch ein notleidender Sender bemüßigt, mir ein Beraterhonorar zu überweisen. So dringend brauch ich den Zaster nun auch wieder nicht).
Was ich in einfachen Worten auszudrücken beabsichtige: Jeder nach höheren Werbetarifen dürstende Sender rennt diesen Herrschaften die Bude ein, jeder bekommt dieselben Binsenweisheiten um die Ohren gehauen und letztlich klingt jeder Sender mit ähnlich gelagerter Zielgruppe gleich (es gibt ja ohnehin nur noch zwei an der Zahl: "Ganz Jung" oder "Etwas Älter". Die erste kriegt die Chartdröhnung plus ein paar Super-Smash-Hits aus den letzten 30 Jahren, letztere Pop-Oldies und Pop-Classics. Ende der Fahnenstange).
Braucht man für diese Simplizismen wirklich hochbezahlte Consulter, die in Marketing und PR ausgebildet wurden, von Musik aber keinen blassen Schimmer haben? Wenn Brand Support & Co. Mapping-Studien durchführen, wie sieht dann die Fragestellung aus? Was wird als Schlager klassifiziert und welche Interpreten oder Titel werden als genrespezifisch qualifiziert? Andreas Martin und die Amigos oder doch etwas anspruchsvollere Ware? Die von Beratern betriebene, vorgebliche "Meinungsforschung" besteht doch nur aus verkappten PR-Aktionen - wir haben es dabei mit einer großangelegten Manipulation zu tun, die nur die überkommenen Vorurteile der Werbebranche erhärten soll und alte, weltfremde Klischees aufwärmt. Abgefragt werden auch immer nur die Schlager-Titel, die bei möglichst vielen Leuten durchfallen. Sicher ist sicher.
Seit je her ist es üblich, neuere Schlager mit internationalen Soft-Oldies in biederen und leicht betulichen "Seniorenwellen" zu kombinieren, deren Zielgruppe die deutsche Werbewirtschaft trotz des ungeheuren Marktpotentials irrwitzigerweise zurückweist. In diesem Land gibt es zudem jede Menge dümmlich-infantiler Vorurteile gegen Schlager und "Volksmusik" im Allgemeinen, die die Werbefuzzis brav und hingabevoll nachbeten. Warum kommt nicht mal jemand auf die Idee, klassische und progressive Schlager mit NDW und Deutschrock in einem deutschsprachigen Format mit Zielgruppe 30-60 zu bündeln, statt über den Leuten die immergleiche Chartbrühe auszugießen?
Antwort: Weil die Branche konservativ und ideenlos ist und das werbefinanzierte Radio mitsamt den öffentlich-rechtlichen Privatfunkplagiaten schon seit längerem in Rückzugsgefechte verstrickt ist. Niemand will mehr etwas wagen, dabei quillt den Leuten der Mainstream längst bei den Ohren raus. Man muss kein Hellseher sein um zu wissen, dass das deutsche Radio ohne Kurskorrekturen schon bald von der nächsten Rezession gebeutelt wird. Was machen die beratergesteuerten Sender, wenn die Masse der "werberelevanten" Bevölkerung in ein paar Jahren mit ihrem Smart-Phone per Funk-Internet nur noch ihre Lieblingsmusik konsumiert?