Radiowaves schrieb:
Dort hast Du ohne Zweifel eine hohe Quantität. Ob damit eine hohe Qualität verbunden ist, steht auf nem anderen Blatt. Letztlich haben wir doch auch tausende Internetradios - und viele davon sind von Qualität meilenweit entfernt.
Das Hauptproblem beim Webradio liegt darin, dass die meisten Stationen entweder nur eine äußerst dilettantische Moderation aufweisen oder komplett unmoderiert sind.
Es gibt jedoch auch wohltuende Ausnahmen, bspw.
Radio Sunrise:
http://stream.radiosunrise.de:8000/listen.pls, das nach einer 30jährigen Unterbrechung Anfang des Monats im Internet erneut auf Sendung gegangen ist.
Radiowaves schrieb:
Außerdem bezweifle ich, daß auf einem "freien Markt" automatisch die Privaten die Öffis "in Sachen Qualität" überflügeln würden. Es kommt immer drauf an, was man unter "Qualität" versteht. Journalismus kostet ein Schweinegeld, die Produktion aufwendiger Kulturprogramme (so man das mit "Qualität" gleichsetzt) ebenso. Wenn aber nur wenige Menschen Interesse daran haben, wie soll ein Privatfunksystem, das sich aus Werbung ernährt (die wiederum von kulturell Interessierten i.d.R. verabscheut wird), dann wirtschaftlich erfolgreich am Markt (nix anderes ist es) bestehen?
Ich frage mich, weshalb die Qualität eines Hörfunkprogramms in erster Linie an den journalistischen Inhalten gemessen und in diesem Kontext stets auf Kulturprogramme hingewiesen wird.
Vielleicht weil es im deutschen Sprachraum bis auf wenige Ausnahmen kaum wirklich gute Unterhaltungsprogramme gegeben hat?
Betrachtet man lediglich die Informations- und Kulturwellen, nimmt Deutschland dagegen eine Spitzenposition ein: Die BBC, NPR oder France Info liegen in qualitativer Hinsicht weit hinter dem DLF und selbst das so viel geschmähte deutsche Fernsehen von ARD und ZDF ist immer noch weitaus besser, als das "bunte Allerlei", das hier in Belgien die RTBF produziert (letzteres kommt einer Mischung aus RTL2 und Arte sehr nahe).
Wofür ich mich stark mache, ist ein anspruchsvollerer Unterhaltungsfunk, denn genau der fehlt in Deutschland, seit die Playlisten in den neunziger Jahren bei allen großen Programmveranstaltern glattgebügelt wurden.
Radiowaves schrieb:
Kultur ist in der nullten Ableitung immer Draufzahlgeschäft - erst wenn man weiterdenkt, werden "Gewinne" sichtbar. Das sind aber gesellschaftliche Gewinne, die sich mitunter nicht in Euro und Cent berechnen lassen, oder wenn, dann auf üblen, langen Umwegen, auf denen der Ursprung bzw. die Erinnerung an den Ursprung gerne abhandenkommt. Wer wird schon präzise sagen können, warum in einem bestimmten Land(strich) mehr ehrenamtliches Engagement besteht, geringere Schul- und Ausbildungsabbrecherzahlen, weniger Vandalismus im öffentlichen Raum, mehr Zusammenhalt der Generationen, mehr Bewußtsein für Natur und Schöpfung usw? Das sind für mich alles Merkmale von "mehr Alltagskultur". Die könnten durchaus Folge auch (nicht nur) von mehr Kultur im Hörfunk sein - allerdings nur in einem ganzheitlichen gesellschaftlichen Prozeß. Einem Prozeß, bei dem man später nicht mehr sagen kann, was nun Ursache und was Wirkung war. Und: einem Prozeß, den nicht jeder so unbedingt mögen wird, hängen doch die Gewinne vieler Bereiche der Wirtschaft untrennbar mit einer möglichst geringen Alltagskultur zusammen.
"Kultur" ist ein genauso weitgefächerter Ausdruck wie "Qualität".
Die Werke von Lady Gaga, ja selbst von Rihanna, könnte man als Ausdruck einer modernen Popkultur betrachten und viele Jugendliche, welche die Musik aus den siebziger und achtziger Jahren nicht kennengelernt haben, werden den besagten Interpretinnen eine hohe Qualität bescheinigen, sonst würden sie sich nicht diese Musik auf ihren portablen MP3-Player laden.
Genau dies macht es so schwer, auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen, was gut ist und was nicht.
Keineswegs bedeutet dies, da muss ich Stefan recht geben, dass letztlich
alles relativ ist: Vieles, was die Musikindustrie in den vergangenen 20 Jahren auf dem Markt gebracht hat, ist und bleibt Müll, selbst wenn man sich bemüht, es schönzureden.
Radiowaves schrieb:
Ich behaupte mal was anderes: wäre Deutschland ein Volk von (Hoch)kulturjunkies, dann gäbe es den Privatfunk in der Art, wie wir ihn kennen, überhaupt nicht. Niemand wäre auf die Idee gekommen, mit werbefinanziertem Funk Geld verdienen zu können. Es gäbe gewiß privat betriebene Programme, aber dann auf Basis von freiwilligen Mitgliedschaften (und dennoch unverschlüsseltem Programm), auf Basis von Stiftungen oder Spenden, die überraschend freiwillig und üppig sprießen könnten. Dann gäbe es sehr wohl die Chance, daß Privatfunk qualitativ auch mal über öffentlich-rechtlichem Funk angesiedelt sein könnte. Das klingt alles sehr idealistisch - darf es auch, weil die Grundannahme einer Kulturgesellschaft bereits illusionär ist.
Du bist ja ein regelrechter Utopist!
Aber keine Sorge, ich bin es in einem gewissen Grad auch, sonst würde ich hier nicht schreiben.
Mir ist es jedoch wichtig, zu unterstreichen, dass es weder etwas Unethisches ist, mit dem Medium "Radio" Geld zu verdienen, noch dass dies
zwangsläufig zu einer niedrigen Qualität der Unterhaltungsprogramme führen
muss (zumindest legen das Deine Ausführungen nahe).
Am besten wird dies wohl durch die Radiolandschaft in den USA bestätigt, wo der Rundfunk von Anfang an in privater Hand lag und das durch Sponsoring finanzierte NPR erst in den späten sechziger Jahren ins Leben gerufen wurde: US-amerikanische Unterhaltungsprogramme sind i.d.R. attraktiver als bundesdeutsche. Das einzige, was mich am US-Radio wirklich stört, sind die nicht enden wollenden Werbeblöcke.
WAZMann schrieb:
Natürlich gibt es auch etwas positives aus der MA zu lesen.
In NRW haben viele Menschen Medienkompetenz bewiesen und das angebotene Mini-Dudel-Sortiment abgeschaltet.
Sie hören vermutlich mehr aus dem Web oder ... vielleicht auch mal gar nichts, oder schauen mehr Fern, oder oder oder .....
Das ist eines der Lieblingsargumente der Verfechter der monopolistischen Strukturen im NRW-Rundfunk: "
Es gibt doch Webradio. Die Leute, die mit dem Angebot auf UKW nicht zufrieden sind, sollen über das Internet Radio hören!"
Dabei wird außer Acht gelassen, dass, wie oben geschrieben, Unterhaltungsprogramme Geld kosten und man eben nicht nur auf Hobbymoderatoren (wie beim Gros der deutschen Webradios) oder auf idealistisch gesonnene Profis (wie beim erwähnten Radio Sunrise) zurückgreifen kann, möchte man anspruchsvolle Programme produzieren.
Ja, ja, welche Argumente sich die Verleger alles einfallen lassen, um den Status Quo beizubehalten!
- Klar, man möchte nicht, dass der Goldesel "Radio NRW" einmal weniger abwirft, weil Konkurrenz auf Sendung gegangen ist; insofern kann ich die beteiligten Firmen schon verstehen, wenn sie alles unternehmen, um ja nichts am System zu ändern.
Was ich jedoch zutiefst ablehne, ist, dass sich die Politik stets von den besagten Unternehmen beeinflussen lässt.
Warum hat nicht endlich mal jemand von den Landespolitikern den Mut, andere Wege in Sachen Rundfunkpolitik zu gehen, oder zumindest die Verleger nicht mehr aktiv in ihrer protektionistischen Haltung zu unterstützen?!