Warum hat man da nicht Jauch dazugesetzt
Das wäre es gewesen...
Klar. Der niemals versiegende und daher immer fröhlich weiter sprudelnde Intendanten-Gesundbrunnen mit dem schönen Beinamen Demokratieabgabe würde auch dies möglich machen. Nach dem Motto: Bei uns geht jeder Euro (der nicht gerade für Intendantengehälter und für ewige Pensionenzahlungen draufgeht) in die Stars - und kein Euro in die Ideen!
Dabei hatte es doch gerade SWR3 (dem unerreichbaren Vorbild vieler, aus Gründen der Kompensation dafür penetrant bestgelaunter, Dudelfunker) nie an Ideen gemangelt.
Sobald aber Unterhaltungs-Papst Thomas der Bescheidene (dessen genuine Abgeklärtheit für mindestens zehn gernecoole junge Radiomoderatoren ausreichen würde) im Bettlergewand eines gewöhnlichen Radiomoderators, und doch alles andere als inkognito, die Sender-Räumlichkeiten beschreitet, ist Schockstarre angesagt.
Schuld daran ist die im stillen Einvernehmen aufrechterhaltene Illusion (mag nicht "Lüge" sagen), dass diese neue, künstliche, berufliche Zweckgemeinschaft auch nur im Ansatz ein Kollegenverhältnis auf Augenhöhe implizieren könnte, welches sich von diesem lediglich durch Einkommen und abzuleistende Wochenarbeitsstunden unterscheidet.
Eine Illusion, die beiden Seiten zunächst schmeichelt: Die eine Seite fühlt sich im Licht des Stars aufgewertet, zumal dieser ja nun wieder dieselbe (ohnehin ziemlich coole) Arbeit verrichtet wie man selber: Thomas Gottschalk ist wie ich. Ich bin wie Thomas Gottschalk. Thomas Gottschalk aber ist der Olymp! Die andere Seite fühlt sich wieder 40 Jahre jünger: Hört her, ich kann es noch! Es hat sich nichts geändert.
Meiner mäßig qualifizierten Meinung nach ist SWR3 mit seinen eigenen höchstgradig talentierten Kräften aber ungefähr der letzte Sender, der dies nötig hätte.
Und doch: Thomas Gottschalks rauchige Stimme im Radio zu hören hat mir als Hörer unerwartet gut getan. Fast zu lange schon, um mich überhaupt noch daran zu erinnern, hatte ich einen wie diesen vermisst im rundfunkmäßigen Zeitgeiststrudel hektischer Baden-Badener Fisteligkeit und kita-eskem Stuttgarter Nanny-Gehabe.
Und als erstes fragte ich mich: Wieso lasst ihr so einen studiofüllenden Star seine Sendung denn nicht ganz alleine moderieren? Gottschalks Wortanteil ist wie ein ganz edler Wein. Warum diesen edlen Wein unnötig verwässern? Man spürt, dass Gottschalk sich gerne reden hört - soll er doch! Sobald Gottschalk mit seiner natürlichen Überpräsenz altmodisch in bester Manier einen Titel ansagt, ist er spürbar wieder in seinem Element und dabei einfach nur Vintage!
Man hätte eine Wette darauf abschließen können: Sie haben eine lockere "Doktor Sommer Sprechstunde" daraus gemacht. Dem schlagfertigen und tapferen, aus Gottschalks Sicht, Nachwuchsmoderator Frodo Zöller gelingt es immerhin, sich beispielsweise durch eine zielsicher platzierte Rentner-Pointe auf Gottschalks Kosten einen gewissen Stolz oder Freiraum als eigenständiger Moderator zu bewahren. Wenn ein gutmütiger und altersmilde gewordener Gottschalk seinen Co-Moderator im Studio erdrückt, dann geschieht dies aus Versehen: Gottschalk ist ein Riese, ein Urgestein, ein Veteran! Da hilft nur die Guerilla-Taktik!
Keine Ahnung inwiefern SWR3 "beraten" wird (hoffe für die mal, dass nicht durch Professionelle). Aber SWR3 wäre imho schon gut beraten, wenn sie Gottschalk einen stummen Techniker zur Seite stellen und ihn dann in seiner Zeitkapsel - mit größtmöglichem Spielraum - seine eigene, dann wunderbar antiquierte, Sendung moderieren lassen würden, in der er idealerweise sogar "seine" alten Platten auflegen (oder aber in Maßen über den kontemporären Musikgeschmack lästern) darf. Klar, dass so etwas gewohnheitsmäßig dann eher ins traditionell experimentierfreudigere Nachtprogramm gehört. - Aber gehört ein Gottschalk denn überhaupt zu SWR3? - Einen Tod muss man schon sterben.
Der Stallgeruch von SWR3 ist schon heftig. Eine gewollte Gottschalk-Inklusion vor diesem Hintergrund mag zwar zunächst mega-zeitgeistgemäß erscheinen, dürfte mittelfristig aber typischerweise das Gegenteil von Inklusion bewirken. Ehrlicher und natürlicher wäre es demnach, Thomas Gottschalk als den Star und Exoten
zu behandeln nach außen zu kommunizieren, der er nun mal ist.