AW: Neue Jingles bei HR3?
Ach, Leute. Wenn ich das hier so lese, muss ich Euch zum einen in vielen Punkten zustimmen (hr3 muss mutiger werden, weniger Durchschnittsgedudel, etc.), andererseits aber auch nüchtern betrachtet sagen: Eure Vorschläge sind alle unbrauchbar! Sicher: Alle Ideen hier sind wunderbar, wenn man ein anspruchsvolles Radioprogramm auf die Beine stellen möchte. Hätte ich das vor, würde ich Euch alle als Berater einkaufen und alles würde toll. Ehrlich!
Aber hr3 ist kein anspruchsvolles Programm, will es auch gar nicht sein und wird es deswegen auch nie werden. hr3 ist ein Mainstreamradio und wenn man ein Mainstreamradio zu machen hat, ist es vollkommen egal, ob der interessierte Radiohörer sich angesprochen fühlt oder nicht. Es geht um die Masse! Und die ist nicht interessiert an anspruchsvoller Musik und anspruchsvollen, journalistisch hochwertigen Inhalten. Die möchte einfach nur das Beste der 80er, 90er und überhaupt total tolle Musik, die sie schon hundertmal gehört hat und im Grunde schon rückwärts mitsingen könnte. Die schalten auch eine Sendung wie Rebell nicht ein, wissen mit dem Sendungsnamen "Der Ball ist rund" absolut nichts anzufangen und einen Werner Reinke hören sie nur, weil seine Stimme sie an ihre Jugend erinnert, als sie den Mann noch in der Hitparade International gehört haben. Dem seine Quote hat weniger was mit Interesse an qualitativ hochwertigem Radio zu tun (wobei ich für meinen Teil ihn schrecklich selbstverliebt finde und der Meinung bin, er sollte endlich in Rente gehen) als mit "alten Erinnerungen nachhängen" oder einer verklärten "früher war alles besser"-Haltung. Natürlich könnte man jetzt sagen: "Natürlich will die Masse nur das Beste der 80er etc. hören, denn sie kennt es ja gar nicht anders! Man muss die Masse erziehen!" Aber mal ehrlich: Glaubt Ihr wirklich, das würde funktionieren? Ich glaube nicht. Solange es noch Privatradios gibt, die leicht verdaulichen Einheitsbrei liefern, wird kein normaler Durchschnittshörer freiwillig ein Programm einschalten, bei dem er sich nicht sicher ist, dass die nächsten zwanzig Titel ihm auch garantiert gefallen, weil alle Titel geresearcht wurden und der Musikbestand auf SEINEN Geschmack zugeschnitten wurde. Ein öffentlich-rechtlicher Massen-Sender, der das probieren würde, hätte von vorneherein verloren und müsste sich mit dem Vorwurf auseinander setzen, dass die Masse der Hörer für ein Produkt zahlt, das sie gar nicht nutzt.
Was uns zur Sache mit der Grundversorgung und der "Öffentlich-rechtlich darf sich nicht mit Privat messen"-Diskussion bringt: Dem Durchschnittshörer ist es vollkommen egal, ob der Radiosender, den er einschaltet, ein Privatradio ist oder ein öffentlich-rechtliches Radio. Den interessiert nur: Sind mir die Moderatoren sympathisch? Mag ich die Musik? Gefällt mir die Comedy? Und fertig. Ob die Moderatoren, die Musik und die Comedy von seinen GEZ-Gebühren oder seinem Müsli, das er im Supermarkt gekauft hat und dessen Hersteller davon Werbespots im Radio schaltet, finanziert wurde, ist ihm egal. Solange das Produkt seinen Ansprüchen genügt, ist er zufrieden. Gefällt es ihm aber nicht mehr, fällt ihm plötzlich auf, dass der öffentlich-rechtliche Sender ja von seinen Gebühren bezahlt wird und er fängt an sich zu beschweren, wieso er überhaupt GEZ zahlen muss, wenn er doch eh nur Privatradio hört. Was bleibt den öffentlich-rechtlichen Programmen also anderes übrig, als sich zumindest mit einem Programm an die Privaten anzugleichen, die sich auf das niedrige Niveau der breiten Masse heruntergelassen haben und damit so viele Hörer wie möglich abgreifen? Ein Teufelskreis also: Um den Vorwürfen, GEZ-Gebühren für ein "Privatradio" zu verschwenden, zu entgehen, müsste man das Programm anspruchsvoller gestalten. Gestaltet man es anspruchsvoller, meckern die, die es nicht hören, weil es zu anspruchsvoll ist und GEZ-Gebühren für ein Programm zahlen, das sie gar nicht hören. Man kann es nie allen Recht machen! Nur sind die, die sich über ein gebührenfinanziertes Privatradio beschweren, deutlich weniger als die, die sich über ein für sie "unhörbares", aber anspruchsvolles Radio beschweren würden.
Dass der hr allerdings gleich drei Programme auf Massenkompatibilität getrimmt hat (hr1, hr3, YOU FM), ist wieder ein anderes Thema. Von der ursprünglichen Idee her dürfte das nur hr3, die Popwelle, sein.
Und das ist für mich das eigentliche Problem: Nicht die Beliebigkeit des hr3-Programms ist es, was ich dem hr vorwerfe, sondern die uninspirierten Inhalte der Schwesterprogramme hr1 und YOU FM. Diese Programme sollten sich Eure Ratschläge zu Herzen nehmen, denn das sollten die Programme sein, bei denen der hr mutig sein und experimentieren können sollte. Stattdessen gibt es dort drei Programme, die sich musikalisch teilweise stark überschneiden und sich über weite Strecken nur durch das akkustische Layout und die Stimmen der Moderatoren unterscheiden, wobei YOU FM seine Moderatoren scheinbar nach größtmöglicher Unerträglichkeit und Unfähigkeit zusammengekauft hat. Und anstatt sich an Programmen wie FM4 ein Beispiel zu nehmen und ein anspruchsvolles Jugendprogramm zu präsentieren, ist den Machern dort nur eine weitere vollkommen belanglose Durchschnittsjugendwelle gelungen, deren Verschwinden vermutlich niemand wirklich wahrnehmen würde.
Jetzt bin ich allerdings etwas vom Thema abgekommen. Und um auf das eigentliche Thema zurückzukommen und diesen Beitrag zu beenden: Ja, auch ich fänd es gut, wenn hr3 mutiger werden würde. Mutiger, was die Auswahl der Musik angeht und mutiger, was die Moderationen angeht. Ich fänd es gut, wenn hr3 journalistisch hochwertigere Beiträge senden und diesen Beiträgen auch mehr Zeit als nur ca. 2 Minuten einräumen würde. Und ich fänd es gut, wenn es mehr "Einschaltsendungen" geben würde und das Programm von Montag bis Freitag nicht so beliebig dahinplätschern würde. Aber das sind alles Wünsche, die wohl nie wahr werden, weil hr3 da gar kein Interesse dran hat.