"und nun aus Studio 4: WER DIE ZAHL HAT, HAT DIE WAHL - ein musikalisches Sesam-Öffne-Dich für die Hörer des Süddeutschen Rundfunks. Am Mikrofon: Fred Metzler" - so lautete jahrelang die Ansage für die 4-wöchentliche Sendung am Samstag Abend auf Südfunk 1 Stuttgart. Ich glaube, dass sie zirka 25 Jahre von 1968-1993/94 lief.
Zunächst lief die Sendung von 20:20 Uhr bis Mitternacht (also vergleichbar mit dem Mittwochs-Wunschkonzert aus Baden-Baden, "Vom Telefon zum Mikrofon"), ab Mai 1983 dann von 19:30-22:00 Uhr und zum Schluss nur noch von 20:05-22:00 Uhr. Auch hier gab es neben der zu erratenden sechsstelligen Sondernummer auch thematische Vorgaben, aber anders als bei der Mittwochs-Sendung ging jede/r Hörer/in, der/die einen Musikwunsch erfüllt bekam, als Gesprächspartner/in über den Sender.
Die Assistentin hieß Dagmar Schätzer (sie wurde in jeder Sendung extra begrüßt) , und die Vertretungs-ModeratorInnen waren u.a. Elsbeth Janda, Günther Willmann, Willy Seiler, Matthias Holtmann, später auch Michael Branik und vor allem während der längeren krankheitsbedingten Abwesenheit Metzlers um 1982/83 Susanne Lüdtke.
Die thematische Vorgabe war auch öfter mal mit kreativen Aufgaben verknüpft. So kam ich mal in einer Sendung durch, in der Fred Metzler seine Hörer dazu aufrief, eigene Büttenreden zu verfassen und dann in der Seindung vorzutragen. Oder man sollte mal ein Gedicht zu irgendeinem Thema verfassen oder Limericks.
Überhaupt waren kreative Aufgaben für die Hörer damals etwas ziemlich normales im Gegensatz zu heute, wo ja schon viele nicht mal mehr wissen, was etwa ein "Limerick" überhaupt ist... In der Heidelberger Palette gab es eine Rubrik "Die Wochenendknobelei" wo derartige, in der Regel sprachliche Aufgaben, regelmäßig aufgegeben wurden und die nach Moderatorenmeinung besten dann über den Sender gingen - inklusive Namensnennung (was für mich damals beim allerersten Mal ungeheuer aufregend war
) . Ich wurde mal bei der Aufgabe "Gefüllte Kalbsbrust" mitgenannt, als es darum ging zwei Satzteile jeweils senkrecht nebeneinander zu schreiben und dann mit passenden Begriffen zu füllen (Einrichtungsgegenstände einer futuristischen Wohnung). Der Satz lautete:
"Das schlimmste und das dümmste fand ich in meiner Brust" und man sollte, wenn ich mich noch richtig erinnere, diesen Satz links von oben nach unten und rechts umgekehrt hinschreiben. Die einzelnen Buchstaben des Satzes bildeten dann die jeweils letzten und ersten Buchstaben der Wörter.
Ich erfand Dinge wie "Muliti-Magnet-WC" oder "Ultraschallzahnbürste"
Ein anderes Mal war die Aufgabe, mit (gedachter) Gewichtsvorgabe möglichst viele grüne Dinge aufzuzählen. Man durfte aber für jedes Ding nur ein einziges Wort verwenden. Das nötigte einen dann dazu, Wortzusammensetzungen zu bilden, um das Ding genau zu definieren.
Meine Wortschlange: "Bulgarienflaggenmittelstreifengewebequadratzentimeterstückchen" wurde damals als längstes eingesandtes Wort gekürt.
Übrigens gab es nichts zu gewinnen. Es war einfach nur die Lust am Spielen und die Freude, eventuell namentlich genannt zu werden. Das genügte, dass Viele bei dieser Sendung gerne mitmachten. Heute wird oft mit Unsummen an Geld um sich geworfen und trotzdem sind jene Sendungen nicht zwangsläufig so reizvoll für mich wie die damalige Heidelberger Palette, die für mich immer ein radiotechnischer Höhepunkt des Monats war.
Wirklich schade, dass es solche genialen Sendungen aus Kostengründen (warum eigentlich, wenn jeder Teilnehmer mittlerweile über 50 Euro vierteljährlich abzudrücken hat?) nicht mehr gibt... Nur noch kommerzieller Dauerlärm ohne Herz und ohne Phantasiespielräume. Kein Wunder, dass die gegenwärtig heranwachsende Generation trotz (oder gerade wegen?) aller Hightech zunehmend verblödet und seelisch verkümmert. Man überlässt das Denken den hohen Wissenschaftlern und "Fachleuten", das Glauben den "Geistlichen", die Liebe den Schnulzenfilmen, die Ideen den beruflichen Ingenieuren, das Musizieren den Stereogeräten und die Initiative den Managern. Ein bekannter, aber trauriger Satz dazu ist: "Wozu gibt es Taschenrechner?" Man könnte bei "Taschenrechner" auch ohne weiteres viele andere Begriffe einfügen: "Wikipedia", "Berufswissenschaftler", "Techniker", "Korrekturprogramme" und so weiter...
Ob sich diese verhängnisvolle Haltung irgendwann nochmal zum Besseren, Eigenständigeren ändern wird...?
Mir tut diese gesellschaftliche Fehlentwicklung ehrlich weh.
nachdenkliche Grüße,
guri311