Der MDR hat MDR Klassik mit 112 kbps LC-AAC laufen - bei 32 kHz Samplerate. Für meine Ohren, wenn ich mal im Sendegebiet bin, das einzige qualitativ brauchbare Programm des MDR auf DAB. Somit hast Du Recht: das kann ordentlich klingen - und mit den Artefakten von HE-AAC habe ich auch meine ganz besonderen Probleme.Für 112kbps nimmt man kein HE-AAC mehr. LC AAC ist vollkommen in Ordnung.
Aber: da sind ja noch genug Empfangsgeräte im Einsatz, die unterhalb 128 kbps bei LC-AAC grauenvoll mies klingen, eher wie 32 kbps oder irgendwas in diesem Bereich. Und die Besitzer dieser Geräte will man ja auch nicht unbedingt komplett vergraulen. Also ist recht häufig bei 112 kbps noch HE-AAC im Einsatz: DLF Kultur (war einst kurzzeitig auf LC-AAC), 89.0RTL, 89.0RTL InTheMix, SWR BaWü. Im Saarland sind laut UKWTV-Datenbank sogar 120 kbps HE-AAC in Nutzung.
Bei der Gelegenheit gerade gesehen: der hr hat offenbar aufgebohrt und bietet jetzt auch bei den Popwellen 136 kbps LC-AAC an. Das ist ja unglaublich. Da zeigt eine Anstalt, was geht - wenn man den Platz dafür hat.
DAB ist immer "digital kastriert", genau wie MP3, wie der Ton des digitalen Fernsehens, wie (fast) alle Livestreams, die man im Internet findet - und oft auch wie die Tonzuführung vom Rundfunkstudio zum analogen UKW-Sender. Auch im Funkhaus wird noch immer oft "digital kastriert" gespeichert - außer im Langzeitarchiv.Was z. B. bedeutet "112kbps"? - Signal digital kastriert, qualitativ schlechter als UKW-analog?
Die Frage ist immer mit welchem Verfahren "kastriert" wird und mit welcher Datenrate. Ein MPEG 1 Layer II mit 384 kbps (rundfunkintern oft im Speicher, aus dem das Programm (Musik, vorproduzierte Beiträge) gefahren wird, ist wie gehört nahezu "unauffällig". Man nennt das "transparent" - die prinzipbedingt vorhandenen Kollateralschäden sind so gering, dass es nichtmal Profis auffällt, auch unter guten Abhörbedingungen nicht.
Die 320 kbps MPEG 1 Layer II bei der ARD via Satellit und in nicht-Vodafone-Kabelnetzen sind auch letztlich transparent. Die 256 kbps Layer II vom DLF auf Satellit sind normalerweise auch nicht bis kaum als "kastriert" erkennbar. 192 kbps Layer II können bereits deutlich erkennbar sein, müssen es aber nicht. Hängt vom Codec (das Gerät oder die Software, die die "Kastration" vornimmt ab), hängt vom gesendeten Programminhalt ab. 160 kbps Layer II sind oft sofort deutlich zu erkennen, 128 kbps erst recht. Unterhalb ist es in Stereo nur noch "Körperverletzung".
DAB alt (ohne "+") hatte MPEG 1 Layer II. Von der angegebenen Bitrate (ursprünglich 192 kbps) ging noch ein kleinwenig für die Textanzeige etc. drauf, es blieben dann so 190 kbps - also fast genausoviel für den Ton. Hätte man damals Slideshows übertragen, wäre deren Bitrate (2 kbps, 4 kbps oder vielleicht höchstens 8 kbps) auch noch davon abzuziehen gewesen. Geblieben wären vielleicht 185 kbps reine Audiodaten - ok.
Bei MP3 - im Rundfunk nur für Streams gebräuchlich und wenn nichts anderes vorhanden als Codec in Reportergeräten - ist etwas besser und schafft mit gutem Codec eine "unhörbare Kastration" auch teils noch bei 192 kbps. Bayern 2 hat einzelne Sendungen als 224er MP3 - die halte ich für vergleichbar mit den 320 kbps Layer II von DVB.
DAB+ läuft mit dem effizienteren Codec AAC. Im DAB-Standard sind LC-AAC und HE-AAC erlaubt, letzteres auch noch mit Tricksereien bei Stereo ("PS") für niedrigere Bitraten.
LC-AAC mit 112 kbps würde z.B. heißen Bruttodatenrate ist 112 kBit/s. Da da bei DAB+ nochmals eine zweite Stufe Fehlerkorrektur drauf sitzt für stabileren Empfang, bleiben an Nettodaten dann ca. 101 kbps übrig. Davon gehen heute durch die Slideshows gerne mal noch ca. 6-8 kbps ab, manchmal sogar mehr. Reine Audio-Nettodaten hat man damit bei ca. 92-95 kbps. Und das ist auch für den AAC-Codec schon recht grenzwertig, zumal er nicht optimal arbeiten kann, da sein Daten-Output in das "Datenkorsett" von DAB gespresst werden muss.
Für Bitraten unter 100 kbps brutto wird es für LC-AAC dann endgültig zu knapp. Die Codecs reduzieren dann die Höhen, übertragen also nur noch bis vielleicht 12 kHz - es wird hörbar dumpf. Damit vermeiden sie andere noch lästigere Kollateralschäden. Deshalb nimmt man unter 100 kbps brutto gerne HE-AAC. Dabei werden die Höhen eisekalt "gefaked". Spätestens ab 1/4 der Abtastrate (meist beträgt diese 48 kHz, also spätestens ab knapp 12 kHz) sind die Höhen im Empfänger ausgerechnet aus dem Frequenzspektrum unterhalb dieser Grenze. Dafür nimmt man sich bestimmte Eigenschaften der meisten Klänge zu Nutze. Da das natürlich nicht der Wahrheit entspricht, wird eine Art "Korrektursignal" mit übertragen, in dem die Abweichungen zum Original irgendwie signalisiert werden. Das Korrektursignal braucht weniger Bitrate als es die Übertragung des vollwertigen Signals bräuchte.
HE-AAC erlaubt auch bei Bitraten bis 64 oder gar 56 kbps brutto (nach Abzug von allem dann ca. 50 - 42 kbps netto) einen vollen Frequenzgang - es klingt also nicht dumpf. Dafür sind die Kollateralschäden grausig: ein rauher, kratziger, Sound mit völlig unnatürlichen Höhen. Sprache klingt dann irgendwie nach Sprachsynthese.
Und leider ist DAB+ meist eher so und eben nicht gut. Durchgängig 112 kbps LC-AAC bei wenig Slideshow-Datenrate und ausschließlich Empfangsgeräten, die das fehlerfrei wiedergeben können, wäre vermutlich in vielen Situationen besser als UKW, denn UKW würde das unvermeidliche analoge Rauschen zeigen zumindest bei Kulturwellen an leisen Stellen.
Gegen perfekten UKW-Empfang (gute UKW-Antenne auf den sehr gut empfangbaren Sender gerichtet, keine Störungen durch Nachbarsender, Signalstärke perfekt auf den verwendeten Tuner angepasst, guter UKW-Tuner) braucht es schon bei heutigen Slideshow-Datenraten von mindestens 128 kbps, um klanglich gegen UKW antreten zu können. Das UKW-Rauschen bekommt man unter den genannten Bedingungen auf einen Wert, der im Alltag irrelevant ist. Sobald der UKW-Empfang nicht perfekt ist und deutliche Beeinträchtigungen (Rauschen, Zwitschern, ...) aufweist, gewinnt DAB+ auch bei etwas niedrigeren Bitraten, vielleicht bis zu 112 kbps LC-AAC, zur Not noch bis 96 kbps HE-AAC. HE-AAC bei noch niedrigeren Bitraten hat gegen UKW nur dann eine Chance, wenn der UKW-Empfang wirklich beeinträchtigt ist. Dann überwiegt das störende UKW-Rauschen die ekligen Unnatürlichkeiten von HE-AAC.
Besonders kritisch sind Hintereinanderschaltungen mehrere "Kastrationen". Man nennt das "kaskadieren". Da kommt der Reporter ins Funkhaus zurück und hatte das Aufnahmegerät draußen wieder mal mit 128 kbps stereo MP3 laufen - klingt schon nicht gut. Dann wird das damit eingefangene Material bearbeitet und geschnitten und der Beitrag (mit den Störungen drin) im Speicher für die Sendung als 384er Layer II abgelegt. Das macht das Signal prinzipbedingt schlechter, allerdings dank der hohen Bitrate nicht wirklich bemerkbar schlechter. Dann geht es durchs Mischpult und danach wird es möglicherweise ein weiteres mal datenreduziert für DAB+ mit niedriger Bitrate. Sowas macht es dann deutlich schlechter.
Diese Datenreduktionen sind psychoakustisch und damit sehr von der Wahrnehmung des einzelnen Menschen abhängig. Genau wie der eine sich miese Youtube-Sounds anhören kann, ohne auch nur irgendwas bewusst zu bemerken und der andere dabei sofort Unbehagen verspürt, ist das auch bei DAB+ und UKW. Lass mal 10 Leute reale Situationen vergleichen - du bekommst vermutlich 10 unterschiedliche Einstufungen.
Zuletzt bearbeitet: