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Ein interessanter Artikel aus der Frankfurter Rundschau den ich hier mal zur Diskussion stellen möchte.
Frühmorgens, wenn im Land die Radios angehen, beginnt für die Hörfunkmacher die wichtigste Zeit des Tages – weil die Leute beim Aufstehen, Frühstücken und Duschen Zeit haben, um Musik zu hören, sich über die Nachrichten zu informieren oder sich von den Späßen der Morgenmoderatoren die Laune aufbessern zu lassen. Markus Koch schläft dann meistens. Macht aber nichts, die meisten Gags kennt er schon. Sie sind ja von ihm.
Im Radio klingt es oft so als sei ein Witz den Moderatoren spontan auf dem Weg zur Arbeit eingefallen. Oft steckt aber viel Arbeit dahinter – die von Koch und seinem Team, das derzeit aus vier Autoren besteht. Fast das ganze Jahr – nur Weihnachten ist Pause – überlegen sie sich, über was die Leute am anderen Morgen lachen könnten: den Politiker, der Mist gebaut hat; den Hollywoodstar, der beim Zuschnellfahren erwischt wurde; den Kandidaten, der sich bei „Deutschland sucht den Superstar“ blamiert hat. Hauptsache, der Witz ist aktuell und passt in einen Satz.
Vorgaben gibt es sonst so gut wie keine – jeder schreibt, was ihm einfällt. Bis halb zwei in der Nacht sammelt ein Schlussredakteur die Gags der Autoren ein und mailt sie im Paket an die Kundschaft: 16 Radiosender in Berlin, Baden-Württemberg, Niedersachsen und Brandenburg. Am Morgen können sich die Moderatoren aussuchen, was am besten in ihre Show passt.
Wenn der Papst heiratet
„Wir sind für die Radiosender sowas wie die Deutsche Presseagentur in lustig“, sagt Koch. Im ersten Gag zu jedem Thema ist schon mal zusammengefasst, worum es überhaupt geht. Meistens um das, was am Morgen auch in der Zeitung steht. Als Angela Merkel in einer Umfrage kürzlich zur Politikerin gewählt wurde, der die Deutschen am meisten vertrauen, stand in Kochs Witzerepertoire: „Da sieht man doch mal, was man mit einer selbst geschriebenen Doktorarbeit alles erreichen kann.“ Darüber, dass Paris Hilton sich von ihrem Freund trennte, scherzten die Autoren: „Sie ist wieder zu haben – und zwar so wie immer: ziemlich leicht.“ Und über die angekündigte Rückkehr von Fußballer Mario Basler: „Im Fußball von heute hat doch jedes Vereinsmaskottchen längere Laufwege.“
Die meisten Themen, die am nächsten Tag für Diskussionen sorgen werden, lassen sich kurz vor Mitternacht schon im Internet einsehen. So kann Kochs Team immer aktuell arbeiten. „Knapp wird es nur, wenn zum Beispiel der Papst morgens um drei plötzlich seine Hochzeit bekannt gibt“, sagt der 35-Jährige.
„Gag-Flatrate“ heißt der Service, den Koch vor zwei Jahren gegründet hat und mit dem er hauptberuflich vom Witzeschreiben leben kann. Es gab eine Zeit, in der das für viele Autoren nicht nur ein Traumjob, sondern selbstverständlich war. Als Late-Night-Shows und Nachrichten-Comedys im deutschen Fernsehen boomten, suchten die Redaktionen händeringend begabte Schreiber, die das Tagesgeschehen witzig zusammenfassen konnten. Für jeden „One-Liner“, wie die Einzeiler genannt werden, gab es 100 Euro.
Koch war Fan der „Harald Schmidt Show“, beteiligte sich am Wettbewerb „Schreib für Schmidt“ und traf mit seinen selbst ausgedachten Witzen, die er an die Redaktion schickte, ins Schwarze. Später schrieb er für eine Firma, die 2,50 Euro pro Witz bezahlte, der es auf ihre Website schaffte. „Mein Ehrgeiz war, möglichst viele von den Gags, die da veröffentlicht werden, sollten meine sein“, sagt Koch. Es hat geklappt – bis Koch herausfand, dass die Firma seine Gags ans Fernsehen weiterverkaufte und ein Vielfaches damit einnahm. Also bewarb er sich selbst, wurde als Gagschreiber bei „RTL Freitag Nacht News“ angestellt – und war damit ganz offiziell „Comedyautor“.
Der Boom im Fernsehen ist längst vorbei – und Koch hatte die Idee, das Medium zu wechseln: „Der Vorteil beim Radio ist die Regionalität. Viele Sendegebiete überschneiden sich entweder gar nicht oder nur kaum.“ Das bedeutet, dass sich derselbe Witz – anders als beim Fernsehen – an mehrere Sender verkaufen lässt. Das war der Start für die Gag-Flatrate.
Kalauer und Spitzen-Gags
Anfangs hat Koch das Projekt alleine gestemmt, nachts geschrieben und im Morgengrauen bei den Sendern nachgehört, welche Witze genommen wurden. Mit der Zeit ist das aber zu anstrengend geworden. Inzwischen kümmert er sich vorrangig um die Organisation des Projekts.
Im vergangenen Jahr sind bei der Gag-Flatrate rund 37.000 Witze zusammengekommen. Dass die alle spitze waren, behauptet nicht mal Koch selbst: „Es ist ein schmaler Grat zwischen Kalauer und Spitzen-Gag. Wir liefern beides.“ Genau darauf kommt es auch an – „weil man nie weiß, was andere witzig finden“, erklärt Koch. „Die Gags, die man selbst mag, sind nicht unbedingt die, die sich am besten verkaufen.“ Zumal die Radiosender alle unterschiedliche Zielgruppen haben. „Für Sender mit älteren Hörern ist Lady Gaga zum Beispiel eher kein Thema, für Radio Energy aber definitiv. Dafür wird Energy etwas weniger Guttenberg machen.“
Am leichtesten lässt es sich über Politiker scherzen, weil die oft genug Anlass dazu bieten. Wirtschaftsthemen hingegen sind selten witzig. Zu sehr über die Stränge schlagen dürfen Koch und seine Kollegen auch nicht: „Morgens sitzen auch Kinder vorm Radio.“ Und wenn es doch mal einen Gag gibt, der eigentlich zu fies ist, dann – wird er trotzdem mitgeschickt. Durchgestrichen allerdings, um den Moderatoren zu signalisieren: Vorsicht, heikel!
„Man darf sich da nichts vormachen“, sagt Koch. „Politisches Kabarett wird morgens um sieben im Radio nicht gebraucht – jedenfalls sehen das die Sender so.“ Aber falls sich daran etwas ändert, bleiben er und sein Team demnächst bestimmt auch gerne noch ein bisschen länger wach.