part -5-
Behandeln wir zuerst RPR2. Das bisherige Konglomerat RPR, bestehend aus Radio 85, LR, Pro Radio4 und RPR, war Mitte 1990 zu einer Gesellschaft zusammengeschmolzen worden. Und daran hatten die Tageszeitungen einen eher kleinen Anteil. Und nur die Tageszeitungen befürchteten einen Werbeeinnahmenverlust, den grossen Verlagen wie Springer, Holtzbrinck oder Burda war es eher egal. Diese waren in Radio85 organisiert.
Es gab auch andere Gesellschafter wie kleinere Unternehmen aus Hessen, landwirtschaftliche Verbände, Taurus-Film, music-box, das ehemalige Radio Weinstrasse - neben der Ludwigshafener Medien-Union.
Weil vor allen anderen Bewerbern bei der neuen RPR die
gesellschaftlich-relevante Innenpluralität gewährleistet war, bekam der Sender die zweite Sendekette zugesprochen.
Die Ausschreibung lautete auf
musikorientiertes Spartenprogramm!
RPR2 hatte bekannte Namen, viele live-events, Heino moderierte aus seinem Cafe in der Eifel, Andy Borg war mit einer eigenen Sendung zu hören.
Im ersten Jahr hatte RPR2 140.000 Hörer gestern. swr4 nur 40.000...
Man rechnete alles durch: Die Redaktion wurde kostengünstig von RPR1 übernommen, aber an den Moderatoren sparte man nicht. Zusammen mit dem öffentlich-rechtlichen Konkurrenten swr4 startete man praktisch am gleichen Tag. Meiner Erinnerung nach lagen da vier oder fünf Tage dazwischen...
Die RPR hatte also für ihr im Bieterverfahren beschriebenes
reines Schlagerradio die Lizenz bekommen, nicht ganz unumstritten.
Und hier hat ricochet geirrt, ständig auf der Suche nach Gründen, ständig schlecht recherchierend...:
swr4 war
keine Konkurrenz, der Sender existierte noch gar nicht! Und er lag immer
hinter RPR2. Der wahrscheinliche Grund waren wohl die Moderation und zu lange, belehrende Wortbeiträge. Das bekam man öfters als Meinung zu hören
Die Entwicklung in Sachen deutscher Schlager muss also andere Gründe haben... oder?
Machen wir einen Schwenk in die andere Radioszene: In Hessen gab es nach langem, vergeblichen Anlauf endlich auch Privatfunk. Hier war es so, dass sich fast alle hessischen Zeitungsverlage an der Betreibergesellschaft beteiligten. Natürlich aus dem Grund, eventuelle Werbeverluste zu kompensieren. Wer in der Gesellschafterliste nachschaut, wird aber auch Namen bekannter Musiker dort finden...: ffh wurde geboren. Der Name bedeutet funk & fernsehen hessen. Wenn es noch niemanden aufgefallen ist: Hessen hört man nirgendwo in der Namengsbung oder in Ansagen, der hr liess dies gerichtlich untersagen.
Das gleiche passierte Schwarzwald Radio in Freiburg: Das anfangs benutzte Kürzel swr wurde vom SWF untersagt. Heute benutzen sie es aber selber...
Und dann gab es auch noch den Nachfolger der vier fröhlichen Wellen, die nach Aufkommen der Privatsender an Bedeutung verloren hatten. RTL Radio schaute sich nach freien Frequenzen um und definierte sich als der Oldiesender. RTL definierte in Deutschland erstmals das, was ein Oldie zu sein habe: Mindestens 14 Jahre alt. Und RTL haben wir es zu "verdanken", dass die Schnippelei bei den Titeln anfing.
Aus Proud Mary von CCR schnitten sie eine ganze Strophe heraus, aus 3:07min wurde weniger als 2 Minuten!
Aus dem sowieso kurzen
I can hear music/Beach Boys wurden sagenhafte 1:45min, statt 2:36 min... Alles derart dreist geschnitten, dass die damaligen Moderatoren mit den Ansagen oder dem Einspielen von Jingles/Werbung nur hechelnd nachkamen. Kaum abgeschossen, war der Titel auch schon zu Ende. Vieles hatte man bei RTL auf Cartridges mit Cue-Punkt gezogen. Allein vom Plattenspieler wurde es schon schweisstreibend. Und wenn man nur 5 Cartmaschinen zu Verfügung hatte, die bereits mit Jingle und Werbung gefüllt waren, brach der Angstschweiss aus...
Bedeutet also: In den Anfangstagen von Privatradio suchte man sich auch Nischen und fuhr viele Formate.
Salü CHR/Top40,
RTL Radio oldiesbased,
RPR1 HotAC,
RPR2 Schlager usw. usw. usw.
Machen wir hier einen break.
Ich möchte noch auf die Frequenzen eingehen, die unser Oberkritiker als angeblichen Beweis angeführt hatte.
Nun, Frequenzen hat man sich reichlich vorab gesichert und zuerst bei den öffentlich-rechtlichen Sendern. Schnell noch eine Schlagerwelle- das war beim swr mit zu 50% der eigentliche Beweggrund. Erinnern wir uns an die 4 Hauptwellen des hr, die plötzlich 4 zusätzliche Plusprogramme bekamen. hr skyline, hr xxl, hr orbit, hr klassik...
Es war schon vor 25/20/15 Jahren schwierig, flächendeckende UKW-Ketten für ein landesweites Programm hinzubekommen.
Und es war ein ständiger Krieg zwischen den ARD-Anstalten, die sich ihre Frequenzen in einer eigenen Abteilung Frequenztechnik zusammenrechneten und einfach Bedarf anmeldeten. Und denen der privaten Sender, die auf Mitteilung aus der jeweiligen Landesmedienanstalt hofften, ob eine Frequenz neu gefunden wurde. Oder gar eine Kette?
Dass schon seit einer geraumen Weile fast nichts mehr geht, zeigen ja die Fleckenteppiche von harmonyfm, planet radio, Radio Bob! und auch you fm/hr-Info, die alle gern mehr und bessere Frequenzen hätten.
Im gesamten Rhein-Main-Gebiet ist noch nicht mal für eine 50-Watt-Funzel etwas frei! Im Rhein-Neckar-Raum sieht es noch schlimmer aus. Berlin und München sind jetzt auch "dicht".
Hinzu kommt heutzutage das Gerangel um eine irgendwo noch freie Frequenz. Da meldet die ARD-Anstalt Bedarf an, dann der DLF und dann noch der DLR, und dann erst darf ein privater Veranstalter vielleicht zugreifen. Und wer sie dann haben darf, entscheidet in vielen Streitfällen die Landesregierung bzw. deren Staatskanzlei.
Dann ist es auch technisch nicht so einfach, sich irgendeine Frequenz zu holen. Bei den Privatsendern beauftragt die Landesmedienanstalt die BNetzA, eine vielleicht aufgefundene Frequenz zu prüfen und zu koordinieren oder dies selbst zu tun.
Dieses Verfahren kostet Geld! Ich erinnere mich, dass man in Hessen aus lauter Verzweiflung mit einem Kombi herumgefahren ist und per Autoradioscan versucht hat, unentdeckte Frequenzlücken aufzufinden.
Dann muss soviel beachtet werden: 0,4 MHz Skalenabstand zu einem geschützten Anbieter- die Hauptversorgungsfrequenzen der ARD-Sender, aber auch landesweiter privater Stationen.
Bedeutet: Wenn hr1 auf 94,4 sendet, dann gibt es zwischen 94,0 und 94,8 keinen anderen Sender, auch keine noch so kleine Funzel. Die muss mindestens 200/300km weit weg sein, sonst gibt es Einsprüche und die Frequenz wird abgelehnt.
Soll mit mehr als 1 Kilowatt Sendeleistung gefahren werden, ist eine Auslandskoordination notwendig. Es könnte ja sein, dass durch eine mehr zufällige leichte Überhöhung oder Reflektionen der beabsichtigte Sender hunderte Kilometer weit weg plötzlich zu hören ist- und stört!
Das dauert und kostet. Bezogen auf Bayern und einem eventuellen Bayern plus-Schlagerradio zusätzlich auf UKW bedeutet das zur Zeit:
Für alle 71 Landkreise und 25 kreisfreien Städte brauche ich praktisch einen oder sogar zwei Minifüllsender von 50-100 Watt Sendeleistung, Radius 5-10km. Wenn überhaupt ein Radius möglich ist, meistens muss man mit starken Einzügen in mindestens einer Richtung arbeiten und sich einem vorgegebenen Richtungsdiagramm beugen. Das Gebiet, in dem +46dbm als Mindestsignal für Stereo anliegen, wird immer sehr klein sein.
Bei einer Fahrt durchs Bayernland bedeutet dies, im Autoradio alle 5-10 km die Frequenz wechseln zu müssen. Und für Nürnberg, München und entlang der Landesgrenzen wird es vielleicht überhaupt keine Frequenzlücke mehr geben, da einfach alles belegt ist.
Abgesehen davon wären die Zuleitungs- und Betriebskosten für 100 Kleinsender derart astronomisch hoch, dass es sich nicht lohnt. Nicht bei dem Sparzwang der ARD-Sender. Und dann würde ABY sicherlich aufheulen, weil sie für ihre Rockantenne auch noch UKW-Frequenzen haben möchten. Und Galaxy möchte auch mehr und besser gehört werden. Und egoFM auch. Und und und.
Und: Es müsste erst einmal einen Bewerber um eine neue Frequenzkette geben, der vielleicht mit einem neuen Format antreten möchte. Die Berater bauen keine neuen Sender, es muss immer jemanden geben, der als Radiostation an den Start gehen möchte. Und den Auftrag erteilt und das Risiko eingeht...
Bei dieser Situation allerdings reines Wunschdenken. Alle Hoffnung und jeder Ausblick ruht auf dab+.