Um wieder einmal auf das Thema hier zurückzukommen.
Nach einigen Wochen 2. Bundesmux kann man festhalten, dass er hinter den Erwartungen deutlich zurückbleibt. Man fragt sich, warum die Akteure es eigentlich so eilig hatten, diesen endlich auf die Antenne zu bringen und sich darum so lange vor Gericht gestritten haben.
Zwar betreibt Divicon zur Hälfte das Sendernetz, die andere Media Broadcast. Sicherlich gab es auch andere "Ausgleichszahlungen" (oder wie man das nennen mag) an die Leipziger Gang rund um Göpel, Bugovic, Linnenbach und Zimmermann. Also für einen Teil dürfte sich es gerechnet haben. Als vorläufigen Verlierer sehe ich eher das Konsortium um Media Broadcast und Oschmann.
Und?
Am Ende fragt man sich nach dem Sinn. Es gibt immer noch freie Programmplätze. Wo sind denn die großen internationalen Player, die man herankarren und präsentieren wollte? Warum gingen einige angekündigte Anbieter (und gehen vielleicht auch nie) on Air? Wo sind denn die Player aus Deutschland, denen man es mit dem Argument schmackhaft machen wollte, dass es die letzte Gelegenheit sei, die nationales Radio ermögliche?
Wenn es stimmt, was derzeit gemunkelt wird, dann haben RTL und ABY einen "Schweinedeal" gemacht. Ungefähr nach dem Motto "Buy one, get one free" war man bereit, ein zweites Format in den Mux zu geben. Sonst wären wohl ABY und RTL heute nicht unbedingt dabei. So zumindest die Gerüchteküche, ob es stimmt, weiß man nicht. Die Verträge sind ja nicht bekannt. Aber es wird die übrigen Veranstalter nicht glücklich stimmen und noch ausstehende zu Nachverhandlungen aufmuntern. Schlimmer noch: Sollte es stimmen, wäre der 2. Bundesmux noch leerer und mit bedeutungsloseren Programmen bestückt.
Am Ende wird es sich für die Programme rechnen, die bereits in der MA gelistet sind (ABY, Rockantenne, RTL). Sie haben eine Wette laufen: Die zusätzlich generierte Reichweite und daraus resultierenden Ausschüttungen der RMS müssen höher sein als die Kosten für die Verbreitung. Wahrscheinlichkeit: Gegeben. Das wird im Fall RTL, ABY und Rockantenne aufgehen. Für die übrigen nicht. Nebeneffekt wird sein, dass der Share am Gesamtfutternapf der RMS zu Lasten der anderen Sender größer wird.
Verkannt wurde von den Akteuren, dass Nutzung von Audio schon längst nicht mehr terrestrisch erfolgen muss. Nationale Angebot schleppen zudem zwei Probleme mit sich rum: Sie sind mit Streamanbietern austauschbarer als Regionalangebote. Zugleich müssen sie auf regionale und lokale Werbung verzichten, was Streamingangebote nicht müssen. Auch fehlen ihnen Daten, um personalisierte Werbung (was technisch garnicht möglich ist) auszuspielen. Auch sonst wird sich viel verändern. Das Self-Service-Tool "Ad Studio" von Spotify wird Audiowerbung für nationale, regionale und lokale Werbetreibende deutlich erleichtern. Da wird sich in der Audiovermarktung einiges ändern, allerdings ist nicht klassisches Radio dort der Treiber.
Aber ob es sich für Antenne Deutschland rechnet? Erhebliche Zweifel dürften hier angebracht sein. Für Oschmann und Media Broadcast mit ihrem Antenne Deutschland sehe ich eine Investitionsruine aufziehen. Für Media Broadcast wird es ohnehin schwierig. Mit einem auslaufenden Geschäftsmodell DVBT und dem verkauften UKW-Geschäft hat man nur noch DAB. Mutter Freenet ist ein Börsenunternehmen und braucht für die Kursentwicklung Stories. Da wird DVBT eine Belastung, DAB mit einem Verlustbringer Antenne Deutschland ebenfalls. In der Größenordnung von Freenet belastet das zwar nicht das Ergebnis von Freenet, aber den Kurs. Neue Stories gibt es bei Media Broadcast nicht mehr. Der Kauf der Company hat den Freenetkurs getrieben, die DVBT-Story, der UKW-Verkauf. Doch die Stories sind auserzählt. DVBT nähert sich dem Ende bei rückläufigen Nutzungszahlen, UKW ist weg soll aber in der Folge (Betreuung der Sender und Antennen der Investoren) extrem teuer sein, da die Käufer nicht mehr bereit waren zu den ursprünglichen Konditionen zu zahlen, DAB kompensiert nicht ansatzweise die UKW-Erlöse und es droht eine Monopolstellung als Sendernetzbetreiber im DAB-Bereich. Erfahrungsgemäß gibt es in solchen Fällen immer nur noch eine Story für den Aktienkurs: Verkauf der problembehafteten Tochter-Company. Das treibt den Kurs (einmaliger Erlös und Entsorgung eines kursbelastenden Problems). Und Oschmann? Bin gespannt, wann sie merken, dass sie sich übernommen haben mit einem nationalen Projekt. Meist bei Verlegern, wenn es richtig Aua macht (wirtschaftlich). Das, was da stabil aussieht, sehe ich eher als sehr fragile Konstruktion an.
Ansonsten wird man jetzt in NRW sehen, ob DAB entsprechenden Zulauf bekommt. Warum? Weil es der letzte und einzige relevante Markt für DAB ist, der noch zur Verfügung steht und in dem sich klassisches Radio über DAB überhaupt lohnt. Da hier die üblichen Verdächtigen erwartet werden, dürfte es den NRW-Markt auch noch einmal umkrempeln. Sollten sich in NRW keine ausreichenden Angebot bewerben, dürfte es für DAB noch einmal problematisch werden. Wenn nicht einmal in NRW ausreichend Interesse besteht, dann muss man sich über die Technologie nochmals Gedanken machen.
Was viele hier immer vergessen. DAB ist ein linearer, nicht rückkanalfähiger Verbreitungsweg. Die Vermarktung funktioniert nach den Gesetzmäßigkeiten der klassischen, analogen Radiovermarktung. Diese Vermarktungserlöse steigen nicht mehr, sondern werden perspektivisch rückläufig sein. DAB wird also am Ende den Verteilungskampf im Idealfall stagnierender Erlöse verschärfen. Verteilungskämpfe gehen aber auch immer einher mit Konsolidierungen. Gewinnen kann nur der, der expansiv unterwegs ist. DAB wird vorerst bleiben, allerdings werden wir in den nächsten Jahren aber erhebliche Marktbereinigungen erleben, die auch durch DAB beschleunigt werden. Ein kleiner Blick nach GB in die Zeit von vor rund 15 Jahren hilft. Eine erste Überraschung dürften wir vielleicht in Kürze erleben (wenn es klappt).