AW: Media-Analyse 2008 Radio I: Reaktionen und Meinungen
Lieber Waves, dereinst, ja dereinst mag Vieles hochwertig gewesen sein. Es gibt aber heutzutage nun wirklich kein Programm mehr, dessen Musikauswahl nicht vom Rechner nach vorgegebenen Stundenuhren immer wieder neu zusammengesetzt wird und deren Einzeltitel demzufolge rotieren.
Lieber cd, nur, weil etwas heute anscheinend so ist, sein soll oder vielleicht sogar sein muß, erwächst für mich daraus kein Grund, es unkritisch hinzunehmen. Ich halte dieses lieblose Rotieren der immergleichen Titel für eine der größten Barrieren, die ein Programm gegenüber seinen Hörern aufbauen kann - egal, ob die Rotation 100 oder 5000 Titel umfasst. Wenn ich als Hörer (mehr bin ich nicht) merke, daß die Menschen am Mikrofon zuerst einfach nur eine fertige Playliste vorgesetzt bekommen und am Ende Musik "verkaufen" sollen, die sie selbst anwidert (sowas kenne ich nicht nur von meinen Besuchen bei Sputnik im Jahre 1994), kann ich das Programm nicht mehr ernst nehmen. Das ist Betrug am Hörer und degradiert im schlimmsten Fall die Moderatoren zu Lügnern am Mikrofon. Wer konnte, ging damals bei Sputnik, sobald anderswo ein Türchen offenstand.
Deinen zweiten Satz verstehe ich nicht, weil er nicht vollständig ist. Nach dem 'Wenn', müsste ein 'dann' folgen. Bitte nachliefern!
Ich liefere kein "dann", sondern säubere die Konstruktion durch ein "Ich habe sehr wohl etwas dagegen einzuwenden, [...] wenn ein leichtverdaulicher Musikteppich mit sonst fast nix servert wird, wo es mal Einschalt- und Zuhör-Radio gab." Besser so?
Rotation ist per se also kein Negativum, nimm es bitte hin.
Für mich ist Rotation einer der wesentlichen Unterschiede zwischen "Radio" und "liebloser Beschallungsdienstleistung". Da bleiben wir halt unterschiedlicher Meinung.
Bei allem möchte ich nicht lesen, dass ich bei vorhandenen Alternativen auf das Hören eines Senders verzichten könnte.
Wenn ich "Radio" meine, meine ich "UKW". Das ganze Freaktum mit Satreceiver und Livestreams lasse ich nicht gelten, wenn ich aus der Sicht ganz "normaler" Menschen zu schreiben versuche. Radio
ist UKW und nun versuche mal, mitten in Hessen eine gutgemachte U-Musik-Sendung mit nicht-rotationserprobten Titeln zu hören, die den eigenen Horizont erweitern könnte, statt immer nur die Belastbarkeit des Nervensystems mit bereits bekannter Musik "von Billy Idol bis Laura Branigan, von Paul Young bis Barclay James Harvest, von Michael Jackson bis Black, von Peter Cetera bis Nik Kershaw" zu testen. Ein ehemaliger hr1-Musikredakteur hat ja gerade ByteFM initiiert und ich verarme beim Hören, da die CD-Kauf-Liste aufm Schreibtisch immer weiter anschwillt.
Versuche mal, ein gutgemachtes (oder überhaupt ein) Magazin mit z.B. jugendbezogenen Themen zu hören, ohne dem schrecklichen Kinderfunk auf YouFM ausgeliefert zu sein. Wenn auf einer ARD-Anstalt intelligentes Wort nur noch in einem Umfeld vorkommt, das auf die Zielgruppe der Klassikhörer ausgerichtet ist, stimmt etwas nicht - und man gräbt sich sein eigenes Grab, da man den "Nachwuchs" ausschließt und zugleich diskriminiert: "nur die Klassikhörer sind intelligent, die anderen sind sowieso so bescheuert, daß man ihnen eine Rotation und belangloses Gesabbel vorsetzen kann."
Ich sehe in weiten Teilen Hessens keine Alternative, die auf UKW erreichbar wäre. Offene Kanäle sorgen zwar in nicht wenigen Städten dieses Landes bereits für die kulturelle Grundversorgung (in Jena ist das z.B. so, da sind dermaßen viele Radios fest auf OKJ eingestellt, egal, ob bei promovierten Kulturwissenschaftlern oder bei Elektrotechnikern in der Werkhalle), aber die Unprofessionalität, die auf den OKs oft herrscht, macht das Zuhören nicht unbedingt immer angenehm. Das wird auf den Alternativradios von Marburg oder Frankfurt nicht viel anders sein. Bayern 2 mit dem Zündfunk als stundenweise Alternative ist auch nicht in ganz Hessen zu empfangen. Vom MDR schwappt sowieso nix gutes rüber - wo sind also die Alternativen, von denen Du schriebst?
Ich halte dieses ständige "schalte doch aus oder um" für unglaublich zynisch. Mit diesem "Argument" hat man unzählige Programme in diesem Land ruiniert, angefangen von DT64 über Radio Brandenburg und hr1 bis zu SDR3 und gewissermaßen auch SWF3. "Schalte doch aus oder um" ist für mich der kleine Bruder von "geh sterben".
Dass Du diese als "leicht verdaulichen Musikteppich" bezeichnet, sei Dir gestattet, deutet mir aber an, dass Du nicht beurteilen könntest, welche Musik bei einem Goßteil in der angepeilten Hörerzielgruppe gut ankommt.
Ich denke schon, daß ich das beurteilen kann. Mir geht es auch nicht darum, daß die Zielgruppe der beliebigen, belanglosen, angepaßten Artigkeit, daß die Zielgruppe der nicht-Hinhörer einen artigen, belanglosen Musikteppich bekommt, den sie beim Eierkochen oder Zähneputzen im Hintergrund rieseln lassen kann, damit die eigene Leere nicht so auffällt und sie sich als Schwein unter Schweinen am Futtertrog nicht so einsam fühlt. Das beherrschen sie bei hr1 offenbar sehr, sehr gut. Es geht mir darum, daß die Öffentlich-Rechtlichen dieses Landes eiskalt nach und nach alle Programme auf genau diejenigen zuschneiden, die doch überhaupt kein Radio hören wollen, während die, die mit Herz und Seele dabei waren, vor die Tür gesetzt werden - mit Verweis auf nicht vorhandene Alternativen. Das ist doch pervers! Reicht es nicht, wenn die Latrinen dieses Landes, die Harmonys und FFHs genau diese zahlenmäßig große, für die Weiterentwicklung der Gesellschaft jedoch weitgehend unbedeutende Gruppierung bedienen?
Wann stellt dieses Land denn endlich mal die noch lebendigen, engagierten, neugierigen und wißbegierigen Menschen unter Schutz? Artenschutz bei Tieren ist aber offenbar wichtiger als Artenschutz bei Menschen.
Ich wünschte mir auch in anderen Bundesländers eine solche Mischung
Das darf gerne passieren, solange auch meinem Wunsch entsprochen wird: DT64 und Radio Brandenburg für die anderen Bundesländer. Oder wenigstens Radio Eins.
Letztich beweist das auch der Zuspruch der Hörer laut letzter MA.
...womit wir wieder am Ausgangspunkt angekommen wären: einem Posting von Gelb.
Was hr1 angeht, so bleibt mir nur der hochnäsige Kommentar, daß man anhand solcher Ergebnisse deutlich sieht, daß die Zahl derer, die Wert auf anspruchsloses Oldiegedudel legen und ganz offensichtlich keinen besonders hohen geistigen Anspruch an sich selbst haben, zunimmt.
Freßt Scheiße, Millionen Fliegen können nicht irren.
Hört hr1, die MA hat's gezeigt.
Nachtrag: während ich das geschrieben habe, mußte ich mehrmals unterbrechen, um laienhaften Moderationen zu lauschen. Ich höre gerade "
Golden Glades" auf ByteFM, bin gerührt ob der wundervollen, noch nie zuvor gehörten Musik, die spannend und dabei gleichzeitig doch deutlich bekömmlicher ist als die fauligen Brocken "von Billy Idol bis Laura Branigan, von Paul Young bis Barclay James Harvest, von Michael Jackson bis Black, von Peter Cetera bis Nik Kershaw". Gut, daß ich derzeit dank Breitbandzugang eine Alternative habe...